Auch die Jokerrolle passt nicht Podolski entwickelt sich zum Auslaufmodell
15.10.2014, 15:33 Uhr
Ein Joker, der nicht mehr sticht: Lukas Podolski sucht in Verein und Nationalmannschaft seine Form und seine Rolle.
(Foto: imago/Uwe Kraft)
Gegen Irland absolviert Lukas Podolski sein 120. Länderspiel. Wenn er weiter so macht, werden es wohl nicht viel mehr. Die Fans lieben ihren "Poldi", der Bundestrainer schätzt ihn immer weniger. Aus guten Gründen.
Wenn in der besten Basketball-Liga der Welt die überragenden Spieler zum NBA-Allstar-Game zusammenkommen, bestimmen die Fans, wer in der Startaufstellung steht. Wenn die besten deutschen Fußballer zu einem Länderspiel antreten, bestimmt der Bundestrainer die Startelf. Das ist das Problem des Basketball-Fans und Teilzeit-Fußballers Lukas Podolski. Käme der DFB auf die Idee, die erste Elf per SMS-Abstimmung unter den Fans im Stadion zu finden, Podolski hätte seinen Stammplatz sicher.

Im Nationalteam hat Podolski derzeit nur noch einen Stammplatz auf dem Abstellgleis.
(Foto: imago/Moritz Müller)
Nur den Namen des Schalkers Julian Draxler brüllte das Publikum beim Spiel gegen Irland vor der Aufstellung lauter als den des Ur-Kölners. Nur ein einziger Spieler wurde während des Spiels mit Sprechchören gefeiert: Lukas Podolski, nach einer Szene, in der er sich so ungestüm in einen Zweikampf stürzte, dass Schiedsrichter Damir Skomina auf Stürmerfoul entschied. Doch während die Fans ihren "Poldi" mit Liebe überschütten, kühlt die Zuneigung des Bundestrainers Joachim Löw spürbar ab. "Er hat phasenweise schon auch ein wenig Betrieb gemacht", sagte er über die Leistung von Podolski gegen Irland. Heißt umgekehrt: Über weite Strecken hat er überhaupt keinen Betrieb gemacht. Löw war enttäuscht.
Gucken, sprinten, schießen
Der Bundestrainer hatte zur zweiten Halbzeit ein deutliches Signal gegeben: Podolski kam für Ginter, volle Pulle nach vorne also, dafür steht der Stürmer vom FC Arsenal. Als er dann in der 49. Minute wirklich ein wenig Betrieb machte, lieferte er eine klassische Szene: Zentral bot sich ein wenig Platz, kurzer Sprint, schnörkelloser Abschluss, die Iren konnten den Ball mit vereinten Kräften gerade noch zur Ecke klären. Das ist Podolskis Spiel: Mit dem Gesicht zum Tor die freie Schussbahn suchen, abschließen. Das beherrscht er meisterhaft, sein linker Fuß gehört immer noch zu den besten weltweit.
Aber das Spiel der deutschen Mannschaft hat sich verändert, musste sich ändern, weil die gegnerischen Abwehrreihen den Raum der deutschen Elf enorm einschränken. Das passintensive Spiel mit dem Rücken zum Tor passt nicht zu Podolski, seine Kombinationsgabe ist begrenzt. Das macht ihn, der noch nicht einmal 30 Jahre alt ist, in der Nationalmannschaft zum Auslaufmodell.
Gegen Irland war er das im doppelten Sinne. Selbst als sich nach dem 1:0 Möglichkeiten zum Konterspiel boten, blieb Podolski seltsam teilnahmslos. Statt sich im Sprint anzubieten, trottete er meist nur herum – wie beim Auslaufen. Löw sagte entschuldigend, Podolski fehle über die längere Distanz die Kraft. Für einen, der bei Arsenal derzeit kaum spielt, ist das im besten Falle ein mysteriöser Befund, im schlechtesten vernichtende Kritik.
Podolski hat Kredit bei Löw - noch
Podolski selbst sagte nur wenig über seine Leistung. Er wiederholte, was er schon nach dem Spiel gegen Polen gesagt hatte: "Ich kann meine Situation im Verein einschätzen, deswegen kann ich in der Nationalmannschaft keine Ansprüche stellen." Wie er seine Situation ändern will? "Ich muss mich über meine Leistung im Verein anbieten." Fragt sich nur, für was.
Mehr als die Jokerrolle dürfte Löw derzeit bei Bestbesetzung nicht für Podolski vorsehen. Dass er einer sein kann, der das Spiel von der Bank kommend belebt, hält der Bundestrainer ihm zugute. Bewiesen hat Podolski das zum letzten Mal allerdings im Spiel gegen Kamerun vor der Weltmeisterschaft. Damals hatte er geackert, gefoult, sich gezeigt. Wenn er das nicht bald wieder tut, wer weiß, wieviele Länderspiele zu seinen 120 noch hinzukommen.
Quelle: ntv.de