"Vorwürfe wiegen zu schwer" Politiker entrüsten sich über Katar-WM
07.06.2017, 15:23 Uhr
Die WM wurde noch in der Ära von Sepp Blatter an Katar vergeben. Die Entscheidung ist höchst umstritten.
(Foto: imago/Ulmer)
In Katar soll in fünf Jahren die Fußball-WM ausgetragen werden. Doch die ohnehin viel kritisierte Vergabe wird durch die Krise zwischen den Golfstaaten weiter angezweifelt. Neben dem DFB-Präsidenten erwägen auch deutsche Politiker einen Boykott.
Nach dem Vorwurf der Terrorunterstützung wird Katar von deutschen Spitzenpolitikern als Gastgeber der WM 2022 mehr denn je infrage gestellt. "Die Vorwürfe wiegen zu schwer. Die Diskussion über die Austragung der Fußballweltmeisterschaft in Katar muss ernsthaft geführt werden", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder der "Passauer Neuen Presse". Er mahnte grundsätzlich: "Es ist kaum vorstellbar, dass in einem Land, aus dem der Terrorismus massiv unterstützt wird, ein WM-Turnier ausgetragen werden kann."
Die Vergabe im Jahr 2010, die von schweren Korruptionsvorwürfen begleitet wurde, sei "ohnehin problematisch genug" gewesen, sagte der CDU-Politiker: "Seit Langem gibt es zahlreiche Berichte, dass der islamistische Terrorismus auch aus Katar heraus unterstützt wird."
Zu Wochenbeginn hatten Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Bahrain und der Jemen ihre diplomatischen Beziehungen und die Verkehrsverbindungen zu Katar abgebrochen. Katar wird beschuldigt, Terrororganisationen wie den Islamischen Staat aktiv zu unterstützen. US-Präsident Donald Trump stellte sich via Twitter auf die Seite des engen Verbündeten Saudi-Arabien und konterkarierte damit eine nur Stunden zuvor vom Weißen Haus verbreitete Mitteilung, die USA würden eine neutrale Position einnehmen.
"Krise vor allem eine außenpolitische Herausforderung"
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth forderte in der Zeitung "Die Welt" die sofortige Neuvergabe der WM. "Die aktuelle Entwicklung ist nur ein weiterer trauriger Beleg dafür, dass Katar als Austragungsort für eine Fußball-WM denkbar ungeeignet ist", sagte die Grünen-Politikern: "Katar ist Exporteur der wahhabitischen Ideologie, die den Nährboden für islamistischen Terror weltweit bietet."
Der Deutsche Fußball-Bund müsse sich nun "nicht nur seiner sportlichen, sondern auch seiner politischen Verantwortung bewusst sein", sagte Roth: "Statt öffentlich über einen Boykott in fünf Jahren nachzudenken, der vor allem die Sportler bestrafen würde, sollte der DFB sich jetzt verantwortungsvoll für eine Verlegung des Austragungsortes einsetzen."
Kritik an Fifa-Zurückhaltung
Die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag bemängelte die Zurückhaltung des Weltverbandes in der Debatte. "Insbesondere von der Fifa, hören Sie etwas im Moment? Ich jedenfalls nicht", sagte die SPD-Politikerin im Inforadio des RBB. "Zum jetzigen Zeitpunkt" könne man sich nur mit Mühe vorstellen, dass "dort ein sportliches Weltereignis stattfinden soll", sagte sie, betonte aber: "Wir dürfen natürlich auch nicht vergessen: Wir sprechen über das Jahr 2022, das ist noch eine Zeit hin." An eine Verlegung der Fußball-Weltmeisterschaft in fünf Jahren glaubt Freitag jedenfalls nicht. "Das sollte mich jedenfalls sehr wundern", sagte die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag.
Eine Lösung müsse zunächst zwischen den betroffenen Staaten diskutiert und erarbeitet werden, "vielleicht mit einem externen Vermittler", sagte Freitag der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten": "Aber dass beispielsweise auch Saudi-Arabien, ein Land, dem ebenfalls Verbindungen zum internationalen Terrorismus nachgesagt werden, diesen Boykott unterstützt, erscheint mir zumindest fragwürdig und lässt die Frage offen, ob nicht möglicherweise andere Gründe eine entscheidende Rolle spielen."
Zuvor hatte sich bereits DFB-Präsident Reinhard Grindel überraschend kritisch zur Katar-Krise geäußert und einen Boykott der ohnehin umstrittenen Fußball-WM 2022 ins Gespräch gebracht.
Alternativen zur Turn-WM 2018 in Doha?
Der Welt-Turn-Verband beschäftigt sich bereits konkret mit Alternativen zur Turn-WM 2018 in Doha. "Wir haben einen Plan B ausgearbeitet", sagte Morinari Watanabe, der Präsident des Weltverbandes FIG. "Aber es ist nicht der Moment, ihn schon zu veröffentlichen", sagte Watanabe, ohne auf Details einzugehen. Sein Verband sei besorgt wegen der gegenwärtig angespannten politischen Situation in Katar.
Für 2018 hat der FIG vom 25. Oktober bis zum 3. November die Turn-WM nach Doha vergeben. "Wir sind wegen der aktuellen Lage täglich in Kontakt zu den Organisatoren der WM", sagte der Japaner, der den Verband seit Oktober 2016 führt.
Quelle: ntv.de, ara/dpa/sid