Auf Twitter ist er Felix Magath "Rensing schaut noch immer dem Ball hinterher"
24.03.2022, 19:17 Uhr
Felix Magath vor dem ersten Training als Cheftrainer von Hertha BSC.
(Foto: picture alliance/dpa)
Werner Gegenbauer, Andreas Fritzenkötter, Lars Windhorst - die Namen der Protagonisten im Machtkampf um Hertha BSC lassen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen. Man kann sich Charaktere mit diesem Namen ohne weiteres in einer der Beobachtungen Jörg Fausers vorstellen. "Ich war 38 und pleite", heißt es in "Schlangenmaul", in dem der Bergungsexperte Heinz Harder auf einem wilden Ritt durch die bundesrepublikanische Wirklichkeit der 1980er-Jahre am Ende in Berlin-Lübars vor dem Dreck des Alltags kapituliert.
Felix Magath ist 68 und nicht pleite, aber auch ihn hat das Schicksal an diesen einen Ort gespült, an dem sich die Wirklichkeit der Gegenwart zu einer einzigen Erzählung verdichtet. Im Berliner Olympiastadion ist der alte Fußball in einen Kampf mit der Investoren-Realität der Neuzeit verwickelt. Das alte, so ungeliebte Stadion mit der Laufbahn im Westend soll weg, doch der Hauptstadt-Filz setzt alles in Bewegung, um das zu verhindern. Sportlich kennt der Klub seit Jahren nur einen Weg: Hinab!
Zu allem Überfluss muss der Verein um Präsident Werner Gegenbauer sich mit dem freidrehenden Investor Lars Windhorst rumschlagen, dessen Sprecher Andreas Fritzenkötter die Attacken gegen die aktuelle Führung des Klubs im Hintergrund orchestriert. Windhorst selbst sieht sein Investment von 375 Millionen Euro in Gefahr. Die legendären Windhorst-Millionen haben sich inmitten der Pandemie in Luft aufgelöst.
Das einstige Kohl-Wunderkind aus Ostwestfalen hält Wutreden auf "Bild TV" und geht auf Twitter in den Nahkampf mit Fanklubs des Vereins und wird dabei gleich von einer ganzen Armee ihm freundlich gesinnter Nutzer unterstützt. Und manchmal platzt ihm der Kragen, dann schlägt er in einer Art um sich, die an einen früheren Präsidenten einer Weltmacht erinnert. In diesen Momenten antwortet ihm auch "Felix Magath".
"Oink, oink, oink", schreibt dieser "Magath" dann unter dem Jubel der Tausenden auf Twitter. Das soziale Netzwerk ist der Ort, an dem alles verschwimmt. Was ist wahr und was ist ausgedacht? ntv.de ist nach intensiver Recherche auf die Person gestoßen, die Felix Magath ein digitales Gesicht gibt. Es entwickelt sich ein nostalgisches Gespräch über den Fußball der 2000er-Jahre und dem der 2020er. "Es ist immer noch 2009", sagt der Mann, der im Internet Felix Magath ist.
ntv.de: Hallo, Herr Magath! Schön, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Wie geht es Ihnen?
"Felix Magath": Ich beschäftige mich derzeit viel mit der Hertha, mir ging es also schon mal besser.
Räumen wir gleich einmal mit einem Mythos auf. Der richtige Felix Magath sind Sie nicht, Herr Magath?
Ich bin in erster Linie Mensch, Namen sind doch nur Buchstaben. Vor einem Jahr wurde ich kurzzeitig auf Twitter gesperrt, weil ich angeblich Fabrizio Romanos [ein Transferexperte, der es bis zu einem Porträt in der "New York Times" gebracht hat, Anm. d. Red] Identität gestohlen habe. Seitdem ist mir alles egal.
Wie haben Sie die Verpflichtung Magaths wahrgenommen? Und wie sind Sie dann auf diese verrückte Idee gekommen?
Ich war wie wahrscheinlich viele sehr überrascht, eigentlich hatte ich mit Markus Anfang gerechnet. Als Magath verkündet wurde, habe ich mich, um den Twitter-User Vertragsamateur Belamigovic zu zitieren, "komplett eingeschissen". Aber ich habe mich auch gefreut und finde den Weg nach wie vor sehr spannend. Magath war früher ununterbrochen in der Bundesliga und auf einmal ist er wieder da. Was kann er der Liga nach zehn Jahren Abwesenheit geben? Welche Sicht auf den modernen Fußball hat er? Wie modern ist er selbst? Welche Rolle spielt Mark Fotheringham? Das sind alles hochinteressante Fragen, die neben Magaths Image als "Schleifer" oft komplett untergehen. Da mache ich mich ehrlicherweise natürlich mitschuldig, daraus ist aber auch die Idee entstanden, Magath auf Twitter alles Mögliche kommentieren zu lassen. Und zur Wahrheit gehört auch, dass ich einfach zu viel Zeit am Handy verbringe.
Ihre Follower-Zahlen sind explodiert. Haben Sie Zahlen für uns?
Vor anderthalb Wochen waren es noch knapp 2000, inzwischen sind es 25.000. Der Deutsche ist leicht zu begeistern. Ich spreche aber ungern von Followern, für mich sind sie vor allem Kunden, die bald an die Kasse gebeten werden.
Bei Ihnen ist Felix Magath ein harter Hund. Einer, der seine Zukunft schon hinter sich hat. Aber trotzdem hauchen Sie Ihrem Magath einen gewissen Charme ein. War das geplant?
Nichts von alledem war geplant, da geht es mir genau wie Fredi Bobic. Es ist einfach so, in der Welt von Twitter-Magath ist es 2009 und Grafite hat gerade eben die bajuwarische Viererkette aus Philipp Lahm, Breno, Andreas Ottl und Christian Lell auf den Boden der Tatsachen und der Volkswagen-Arena gebracht. Michael Rensing schaut noch immer dem Ball hinterher. Aus dieser Perspektive guckt Magath auf den heutigen Fußball. Heute sind es mehr und mehr die kaputten Geschichten, die uns rund um die Bundesliga noch was spüren lassen. Diejenigen vom erst unabsteigbaren und jetzt unaufsteigbaren HSV, von Schalke und den wütenden Fans auf dem Arena-Ring und jetzt eben von der Alten Dame und dem alten Bekannten, der zuletzt den Shandong Taishan FC trainiert hat. Die Hertha liefert momentan einfach ab.
Sie spielen viel mit der Sehnsucht nach dem alten Fußball, übersetzen alte, im kollektiven Gedächtnis verankerte Anekdoten in die Neuzeit. Ihre Leser lieben es. Sind Sie ein Fußball-Romantiker, Herr "Magath"?
Ich bin unromantisch genug, um auch der Kombination Magath-Windhorst-Selke offen gegenüberzustehen und zu sagen: Auch das ist Fußball.
Wenn Magath der Protagonist ist, müssen wir uns Lars Windhorst als Gegenspieler vorstellen. Sie kommentieren dort immer so ungehalten. Mögen Sie den Investor nicht?
Ich muss Investoren sprechen, fühlen, riechen, um das sagen zu können. Was Windhorst angeht, hat es der Twitter-Nutzer @jayjaysen04 im vergangenen November auf den Punkt gebracht: "375 Millionen in den Verein reingebuttert, an der Seitenlinie steht Tayfun Korkut und rechts verteidigt Peter Pekarík." Der Geschäftsmann Windhorst weiß also, was er tut. Und grundsätzlich finde ich es erstmal sympathisch, wenn sich ein Investor nach einem auch emotional sehr wichtigen Heimsieg, der den Weg aus der Krise bedeuten kann, bei "Bild TV" hinstellt und öffentlich Unruhe in den Verein bringt. Privat ist Lars Windhorst mein Bro, auf den lasse ich nichts kommen. Ich habe in Bad Oeynhausen in Ostwestfalen mal mit ihm gesoffen, guter Mann.
Sie bewegen sich gekonnt an der Grenze zwischen Realität und Fiktion. Gibt es Nutzer, die Sie für den echten Magath halten und hat der sich schon bei Ihnen gemeldet?
Ja, manche halten mich anscheinend für den echten Magath. Aber es gibt ja auch Leute, die Fredi Bobic für einen genialen Sportdirektor halten. Der richtige Magath hat mich noch nicht kontaktiert, meine Laktatwerte trage ich aber jederzeit auf einem USB-Stick bei mir. Melden Sie sich gerne, Herr Magath, viel schlechter als Peter Pekarík mache ich es nicht!
Zum Abschluss: Wünschen Sie Felix Magath den Klassenerhalt?
Klassenerhalt ist 90 Prozent Kopfsache. Ich selbst halte es mit dem VfL Bochum und möchte darüber hinaus in den kommenden Wochen einfach gut unterhalten werden. Wenn die Herthaner erstklassig bleiben, sollte ihnen eines klar sein: Sie haben diese Liga ohnehin nur von Zvjezdan Misimović geliehen.
Herr "Felix Magath", wir bedanken uns für dieses Gespräch.
Mit "Felix Magath" sprach Stephan Uersfeld
Quelle: ntv.de