Fußball

Aufbruch gründlich vermasselt Warum Rudi Völler den DFB in eine Sackgasse führt

Rudi Völler steht für Folklore-Vergangenheit, nicht für Aufbruch.

Rudi Völler steht für Folklore-Vergangenheit, nicht für Aufbruch.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Deutsche Fußball-Bund lechzt nach mitreißender Begeisterung, nach Gemeinschaft und Unterstützung. Dass der neue Manager Rudi Völler heißen wird, widerspricht dem. Auch, dass er nur die Männer repräsentieren soll, ist ein deutliches Zeichen, dass der Verband weder die Zukunft noch das Jetzt im Blick hat.

Rudi Völler soll beim Deutschen Fußball-Bund der Nachfolger von Oliver Bierhoff werden. Das ist das Ergebnis der Taskforce, der Völler selbst angehört. Anders als zuvor für das Amt gedacht, soll der 62-Jährige den Fokus voll auf die Männer-Nationalmannschaft richten, für die Frauen- und die Jugend-Teams soll weiteres Personal kommen. Die Meinungen darüber gehen auseinander, auch bei ntv.de. Lesen Sie hier, warum Völler der Falsche ist. Warum Völler der Richtige ist, können Sie hier erfahren.

Das neue Aushängeschild der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Männer soll also 62 Jahre alt sein, schlohweiße, gelockte Haare haben und sowohl beim Team als auch bei den in Scharen weggelaufenen Fans für gute Stimmung sorgen. Rudi Völler wird - die Zustimmung des DFB-Präsidiums gilt als sicher - neuer DFB-Direktor. Das ist kein gutes Signal des Deutschen Fußball-Bundes.

Dieser hat sich von den Fans entfernt, die Nationalmannschaft wird kritisch beäugt, Leidenschaft und Identität sind verloren gegangen, selbst über Erfolge freuen sich nur noch wenige. Die Gemeinschaft fehlt dem Fußball - natürlich auch aus Marketinggründen -, neue Köpfe sollen neue Bande knüpfen. Es eilt, denn schon im kommenden Jahr steht die Europameisterschaft der Männer im eigenen Land an.

Gefordert sind also Aufbruch, Neuanfang, Frische - all das hat nichts mit Rudi Völler zu tun, der im Sommer in Rente gegangen ist. Demjenigen, der dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vor seinem Rückzug sagte: "Am Ende werde ich immer meine klassisch-männliche Haltung beibehalten und deswegen weiterhin das Frauengetränk Latte Macchiato verweigern. Zweitens: Ich werde auf gar keinen Fall mit Yoga anfangen. Und drittens: Ich werde beim Radfahren keinen Helm aufsetzen, sondern weiterhin meiner Eddy-Merckx-Gedächtnismütze vertrauen." Demjenigen, der den DFB vor mehr als 20 Jahren zwar aus einer Notsituation gerettet hat, überraschend sogar Vize-Weltmeister 2002 wurde, dann aber 2004 sang- und klanglos abgetreten ist, weil die EM 2004 schon nach der Vorrunde für das DFB-Team beendet war.

Neue Denkansätze? Fehlanzeige!

Dieselbe Situation gab es nun zweimal hintereinander bei Weltmeisterschaften, weswegen wiederum Bierhoff bekanntlich seinen Hut nahm. Um alles besser zu machen, wurde die Taskforce eingesetzt - und schon läuft alles noch verkehrter als zuvor. Sieben Männer, der jüngste von ihnen 47 Jahre alt, alle weiß und schon lange dem inneren Kreis des deutschen Fußballs angehörig, sie sollen den frischen Wind bringen. Die Kritik daran ist groß, denn es ist dem DFB offenbar zu unbequem, neue Denkansätze zuzulassen, den Blick über den Tellerrand zu wagen und Kritik an der bisherigen Arbeit anzunehmen. Dass nun ein Bierhoff-Nachfolger auch noch aus den eigenen Reihen kommt, ist wahrlich nicht innovativ. Völler gehört der Taskforce noch dazu selbst an.

Entweder die sieben Männer sehen niemanden, der es schaffen könnte, den DFB-Männern schnell zu einem Aufschwung zu verhelfen und der nicht zu viel Geld kostet - siehe Fredi Bobic, der bei Hertha BSC freigekauft werden müsste - und haben daher beschlossen, es müsse halt jemand von ihnen selbst in den sauren Apfel beißen. Die Wahl fiel dann auf Völler, weil dieser als einziger aus dem Kreis keinen weiteren Job hat. Das wäre ein Armutszeugnis.

Oder die Taskforce glaubt ernsthaft, dass Völler, der doch irgendwie immer ein Publikumsliebling war, die nette "Tante Käthe" von nebenan, der sogar ein eigenes Fan-Lied ("Es gibt nur ein' Rudi Völler …") hat, die Öffentlichkeit zu besänftigen weiß. Dass er mit seiner kumpelhaften Art Identität schaffen kann. Dass er den DFB doch schon einmal gerettet hat und es daher irgendwie wieder hinbiegt. Auch das wäre ein Armutszeugnis.

Dem als Hoffnungsträger verpflichteten Bundestrainer Hansi Flick wird nach seinem ersten Turnier bereits ein neuer Hoffnungsträger an die Seite gestellt. Den Aufbruch in eine neue Zeit konnte Flick mit seiner Personalauswahl, seinem spielerischen Ansatz und seinem Auftritt bislang nicht stemmen. Er soll es weiter versuchen - wann ist übrigens noch immer unklar, es gibt noch keinen einzigen Spieltermin für dieses Jahr - jetzt aber gemeinsam mit der Vergangenheit. Auch aus sportlicher Sicht ist es ein Armutszeugnis.

Strikte Geschlechtertrennung

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Ja, Völler soll nicht die einzige Personalie sein, die kommt. Das betonte Präsident Bernd Neuendorf: "Das ist, glaube ich, auch klar, dass die Taskforce gesagt hat: Wir suchen jemand für die A-Nationalmannschaft und für diesen Bereich. Dieser Riesenkomplex, der unter die Geschäftsführung Sport fällt - Jugend- und Frauen-Nationalmannschaften und Akademie - das wird man sich sicherlich nochmal anschauen müssen." Aber auch das ist kein gutes Signal. Es ist zu kurz gedacht, einmal mehr Männer, Frauen und Jugend zu trennen. Dabei gab es doch erst Anfang der Woche einen neuen Impuls. Nationalspielerin Lena Oberdorf sagte der "Wolfsburger Allgemeinen Zeitung": "Man müsste zu einer Nationalmannschaft werden und nicht immer den Eindruck erwecken, dass es eine für die Herren und eine für die Frauen gibt. Wir spielen für ein Land."

Aber klar, die Zeit drängt, die Heim-EM steht in eineinhalb Jahren an. Dass die Frauen aber schon in wenigen Monaten eine Weltmeisterschaft spielen, scheint wenig interessant für den DFB. Auch sie haben derzeit niemanden, der sie von einem Managerposten aus repräsentiert. Nur können die Frauen das - zumindest, wenn es nicht ums Geschäftliche, sondern nur um die Öffentlichkeit geht - ganz wunderbar allein.

(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 18. Januar 2023 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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