Fußball

Klinsmanns USA ärgern DFB-Elf Schweinsteiger schleicht, Götze glänzt

Ein Tor erzielt, aber es wäre mehr drin gewesen: Mario Götze.

Ein Tor erzielt, aber es wäre mehr drin gewesen: Mario Götze.

(Foto: picture alliance / dpa)

Da kommt Jürgen Klinsmann mit den USA ins Land des Fußball-Weltmeisters - und gewinnt. Weil ein Stürmer aus Aue trifft. Seinen Freund Joachim Löw ärgert das ein wenig. Und die Spieler der DFB-Elf? Warnen vor Gibraltar.

Joachim Löw ist ein kluger Mann. Und so tat der Bundestrainer an diesem Mittwochabend in Köln das, was jeder vor einem wichtigen Spiel gegen einen großen Gegner getan hätte: Er schonte im Testspiel gegen die Vereinigten Staaten von Amerika seine besten Fußballer. Schließlich steht am Samstag das EM-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar an. Am Ende kam ein 1:2 (1:1) dabei heraus.

Zwar kann niemand behaupten, dass die deutschen Fußballer sich nicht bemüht hätten. Nein, nein, sie spielten schnell, ließen den Ball laufen, kombinierten munter und boten den handgezählten 40.348 Zuschauern in Müngersdorf durchaus gute Unterhaltung - zumindest in der ersten Halbzeit, also bevor die große Wechselorgie begann. Aber verdient verloren haben sie dennoch. Und das macht sich nicht so gut als Weltmeister.

"Es war ein unterhaltsames Spielchen"

Mario Götze erzielte nach zwölf Minuten das 1:0, Patrick Herrmann, der Debütant, hatte ihm zugearbeitet. Den Ausgleich schoss Mix Diskerud (41.). Und weil Bobby Wood drei Minuten vor dem Ende das zweite Tor für die USA gelang, sahen sich Götze und Bastian Schweinsteiger genötigt, Sachen zu sagen wie: "Gegen Gibraltar müssen wir unsere Torchancen nutzen." Und: "Ich gehe davon aus, dass wir gegen Gibraltar ein gutes Spiel zeigen."

"Es war ein unterhaltsames Spielchen mit einen schönen Ende für uns", so Jürgen Klinsmann.

"Es war ein unterhaltsames Spielchen mit einen schönen Ende für uns", so Jürgen Klinsmann.

(Foto: REUTERS)

Entspannter zeigte sich der Bundestrainer, lächelte und sagte: "Das Ergebnis ist vielleicht ärgerlich - aber auch gut zu verschmerzen." Im Grunde war es so, wie es sein Freund, Vorgänger, Ex-Chef und Trainer der US-Amerikaner, wie es Jürgen Klinsmann sagte: "Es war ein unterhaltsames Spielchen mit einen schönen Ende für uns." Die deutschen Spieler in der Einzelkritik:

Ron-Robert Zieler: Der Torhüter spielte, weil Manuel Neuer sich ausruhen durfte und der Bundestrainer Roman Weidenfeller auf die Bank setzte - aber das kennt der ja aus Dortmund. Die deutsche Nummer 12 wiederum war beim ersten Gegentor machtlos - aber das dürfte er ja aus Hannover kennen. In diesem Fall stand der US-Amerikaner mit dem klingenden Namen Diskerud einfach zu frei und zu nah vor dem Tor, als dass der 26 Jahre alte Zieler in seinem sechsten Länderspiel das 1:1 hätte verhindern können. Ärgerlich war, dass es der erste und einzige Schuss war, der in der ersten Hälfte auf sein Tor kam. Nach der Pause änderte sich das und er zeigte, dass er ein Guter ist - zum Beispiel, als er in der 82. Minute einen Schuss von Michael Bradley, dem besten Spieler auf dem Platz, prima mit dem Fuß abwehrte. Beim 1:2 aber war er wieder ohne Chance. Dementsprechend ernüchtert fiel sein Fazit aus: "Das ist verdammt ärgerlich, wenn man so kurz vor Schluss noch ein Tor kassiert. Wir hätten nachlegen müssen. Ich glaube, dass wir in der ersten Halbzeit eine gute Partie abgeliefert haben - in der zweiten Halbzeit nicht mehr. Wir haben uns das ganz anders vorgestellt."

Sebastian Rudy: Der 25 Jahre alte Hoffenheimer verteidigte in seinem achten Länderspiel als Außendienstmitarbeiter am rechten Ende der Viererkette - und wäre der letzte gewesen, der die Möglichkeit gehabt hätte, den Ausgleich zu verhindern. Zu viele Konjunktive? Er hat's halt nicht gemacht, sondern ließ Diskerud gewähren, indem er zu weit in der Mitte stand - und eben nicht außen. Vielleicht fühlt er sich doch im Mittelfeld wohler, also dort, wo er bei der TSG meist spielt. Allerdings: Wenn er darum ging, das Spiel nach vorne anzutreiben, war Rudy der Abwehrspieler, technisch bestens ausgerüstet, dem das am besten gelang. Wer weiß: Vielleicht hat er eine Zukunft auf dieser Position.

Antonio Rüdiger: Er war ja lange verletzt, der 22 Jahre alte Innenverteidiger des Fast-Absteigers VfB Stuttgart. Und dennoch gilt er als begehrt, Wolfsburg und Mönchengladbach sollen interessiert sein, angeblich auch der FC Chelsea. Das mag so sein und hat bestimmt auch seine Gründe. Aber in seinem sechsten Länderspiel ließ er allenfalls erahnen, was in ihm steckt. Er ist noch nicht wieder in Topform, agierte zu hektisch, bisweilen gar ungestüm und ließ seinen Gegenspielern oft zu viel Platz. Beim Ausgleich durch, genau, Diskerud war er nicht zur Stelle. Aber Löw wird nicht nur ihn gemeint haben, als er hinterher sagte: "Es war zu spüren, dass wir nicht immer Herr der Lage waren." Allerdings: Zweikämpfe kann Rüdiger, ob auf dem Rasen oder in der Luft. Es war nicht alles schlecht.

Shkodran Mustafi: Der 23 Jahre alte Nordhesse hat mit dem FC Valencia just die Saison in der Primera Division auf Platz vier beendet und die Qualifikation für die Champions League geschafft. "Job erledigt!", teilt er via Facebook mit. Und verkündete: "Jetzt ist mein Ziel, erstmal die Seele baumeln zu lassen, weil ich ein paar Jahre keinen Urlaub mehr gemacht habe. Jeden Sommer war irgendwas los bei mir." Tja, wohl nicht an die Länderspiele gedacht. Oder doch? "Ich bin immer froh, wenn ich eingeladen bin und versuche mich da zu empfehlen." Brav! Nach seinem achten Einsatz drängt sich allerdings das Fazit auf, dass es so schlimm auch nicht gewesen wäre, wenn er seinen Urlaub früher begonnen hätte. Mit dem Kollegen Rüdiger harmonierte er nicht sonderlich gut, und vier Minuten vor Toresschluss ließ er sich von Bobby Wood austanzen - einem Mann, der in diesem Jahr mit dem FC Erzgebirge Aue aus der zweiten Liga abgestiegen ist.

Jonas Hector: Der 25 Jahre alte Linksverteidiger des 1. FC Köln hatte schon vor seinem vierten auffallend gute Laune: "Die Anreise war kurz, das war schon mal super." Und er ist ganz stolz, mit dem Herzens-Kölner Lukas Podolski in einer Mannschaft spielen zu dürfen. "Ich habe ihm noch als Fan vor dem Fernseher zugeguckt. Es ist schon beeindruckend, dass er jetzt elf Jahre dabei ist. Eine Eintagsfliege sieht anders aus." Derart beflügelt begann Hector auch die Partie, mutig und oft offensiv - bis er sich nach neun Minuten von Aron Johannsson tunneln ließ. Am Ende war es so, dass er nur ein gutes Drittel seiner Zweikämpfe gewann. Er war, um den Bundestrainer zu zitieren, nicht immer Herr der Lage.

"Das Spiel heute war wichtig, um wieder in den Rhythmus zu kommen", sagte Bastian Schweinsteiger.

"Das Spiel heute war wichtig, um wieder in den Rhythmus zu kommen", sagte Bastian Schweinsteiger.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bastian Schweinsteiger: Die Sensation des Spiels war nicht, dass Amerika gewonnen hat, sondern dass der 30 Jahre alte Tennisfan sich die Ehre gab, wenn auch nur eine Halbzeit als eine Hälfte der Doppelsechs mit dem Kollegen Gündogan. Von den 21 Testpartien vor dem Kick in Köln war der Mittelfeldstratege des FC Bayern gerade zweimal dabei. Das bis gestern letzte Mal war das 6:1 gegen Armenien im Juni 2014 - das war einen Tag vor dem Abflug zur WM nach Brasilien. Davor war er am 5. März vergangenen Jahres in Stuttgart beim 1:0 gegen Chile dabei; und davor am 10. August 2011 beim 3:2 gegen Brasilien, ebenfalls in Stuttgart. Schweinsteiger gab sich vor seinem 110. Länderspiel ganz als Profi: "Die Termine sind so gelegt, damit müssen wir umgehen. Es gibt idealere Konstellationen, aber es ist nun mal so wie es ist." Und: "Bei solchen Spielen ist es wichtig, dass man diszipliniert auftritt, gute Spiele zeigt und auch im Hinblick auf die Zuschauer volle Konzentration gibt." Hinterher sagte er: "Das Spiel heute war wichtig, um wieder in den Rhythmus zu kommen. Klar wollten wir gewinnen. Aber man muss auch sehen, woher die Amerikaner kommen und woher wir kommen vom Fitness-Level." Dazwischen, also während seiner 45 Minuten auf dem Feld, gab er sich eher bedächtig, wirkte ein wenig müde, widmete sich aber in aller Ruhe und Souveränität dem Spielaufbau. Für ihn kam der zwei Jahre jüngere Sami Khedira ins Spiel, der demnächst Real Madrid verlässt und sich Juventus Turin anschließt. In seinem 55. Länderspiel hatte er nach 66 Minuten seinen ersten großen Auftritt, als erst energisch wie man es von ihm kennt einen Angriff einleitete, dann allerdings per Kopfball den Führungstreffer verpasste. In der vierten Minute der Nachspielzeit köpfte er den Ball immerhin an die Latte, verpasste aber wieder seinen sechsten Treffer im DFB-Trikot.

Ilkay Gündogan: Barcelona? Oder doch Manchester? Wir wissen es auch nicht. Jedenfalls gehen alle davon aus, dass der 24 Jahre alte Mittelfeldspieler den BVB in diesem Sommer verlässt, seit bekannt ist, dass er seinen bis 2016 laufenden Vertrag nicht verlängert hat. In seinem zehnten Länderspiel war er derjenige, der bis zu seiner Auswechslung die mit Abstand meisten Ballkontakte hatte; 97 nämlich. Die nutze er allerdings eher, um das Spiel langsam zu machen. Empfohlen hat er sich mit seiner Leistung weder für den einen, noch für den anderen Verein. Nach einer Stunde war Schluss und es kam der 24 Jahre alte Mönchengladbacher Christoph Kramer, der in der nächsten Saison für Bayer Leverkusen spielt. In seinem zehnten Länderspiel lief er viel wie stets, warf sich in die Zweikämpfe, war also in der Defensive stark, bewirkte aber offensiv wenig bis nichts.

Patrick Herrmann: Der 24 Jahre alte Flügelflitzer von Borussia Mönchengladbach gab ein gutes Debüt in der deutschen Nationalmannschaft, die immer noch die Nationalmannschaft ist, auch wenn sie auf Geheiß ihres Managers Oliver Bierhoff nur noch "Die Mannschaft" genannt werden will. Der 75. Neuling in der - nach dem WM-Titel darf man davon sprechen -Ära Joachim Löw feierte eine starke Premiere, was an seinen spielerischen Fähigkeiten und seiner Schnelligkeit liegt, aber auch mit dem Spielort zusammenhängen könnte: In Köln trumpfen die Gladbacher immer stark auf. Herrmann jedenfalls sorgte über die rechte Seite für ordentlichen Schwung und ließ gleich drei Gegenspieler stehen, bevor der dem Kollegen Götze dem Ball zum 1:0 servierte. Kurzum: Ein Mann mit glänzender Perspektive. "Ich bin überglücklich, dass ich heute mein erstes Spiel machen konnte. An Erfahrung nimmt man immer was mit, vor allem natürlich im ersten Spiel. In der zweiten Halbzeit ist es nicht so gelaufen, wie wir es uns vorgestellt haben." Eine gute Viertelstunde vor dem Schlusspfiff nahm der Bundestrainer ihn raus und schicke den 25 Jahre alten Karim Bellarabi von Bayer 04 Leverkusen auf den Rasen, der zwar auch ein Mann mit glänzender Perspektive ist, dass aber in seinem sechsten Länderspiel verbarg.

Feine Pässe, aber torungefährlich: Mesut Özil (hier am Arsenal-Trikot).

Feine Pässe, aber torungefährlich: Mesut Özil (hier am Arsenal-Trikot).

(Foto: REUTERS)

Mesut Özil: Durfte die gesamten 94 Minuten mitspielen - und das aus gutem Grund. Der 26 Jahre alte Mittelfeldspieler des FC Arsenal zeigte in seinem 55. Länderspiel das, was in der Sprache der Fußballer Spielfreude heißt. Fast jeder seiner meist feinen Pässe kam dort an, wo er hin sollte, auch wenn er, bis auf seine gar nicht so schlechte Chance in der siebten Minute, aus der Schaltzentrale heraus nicht wirklich torgefährlich war. Baute wie seine Mitspieler in der zweiten Halbzeit stark ab - scheint ein gruppendynamisches Phänomen zu sein. Vielleicht muss da mal der Trainer ran. Am Ende aber dominierte die Lethargie, die ihm oft zu Unrecht nachgesagt wird. Da ist dann selbst Joachim Löw machtlos.

André Schürrle: Wer sich gefragt hat, warum der 24 Jahre alte Flügelspieler beim VfL Wolfsburg meist nur auf der Bank sitzt, der ist seit seinem 45. Länderspiel ein wenig schlauer. Und für wen das nie ein Rätsel war, der darf sich jetzt bestätigt sehen. Auch wenn niemand Schürrle nachsagen kann, er habe sich da auf seiner linken Seite nicht bemüht. Er lief viel, aber oft falsch oder sich fest. Sorgte für Stimmung im Kölner Stadion, als er nach der Pause draußen blieb und statt seiner der 30 Jahre alte Lukas Podolski in die Partie kam. Als Kompensation dafür, dass er in seiner Heimatstadt nicht in der Startelf stand, durfte er sich zudem die Kapitänsbinde schnappen. Und sonst? War der Offensivspieler von Inter Mailand, der fürchtet, demnächst zurück zum FC Arsenal nach London zu müssen, in seinem 124. Länderspiel eher nicht so gut. Defensiv ließ er den Kollegen Hector, der ihn doch so mag, einige Male im Stich. Und offensiv ackerte er zwar, was aber auch nicht viel brachte. Sagen wir es so: Das mit der Perspektive ist bei Podolski so eine Sache.

Mario Götze: Er stand als einziger Spieler seiner Mannschaft im achten Länderspiel in Folge in der Startelf, schoss ein Tor, sein 14. in der Nationalmannschaft - was will er mehr? "In der ersten Halbzeit haben wir sehr gut gespielt, aber in der zweiten den Faden verloren. Wenn wir frühzeitig die Tore machen, dann sieht das anders aus hier." Stimmt genau. Er zum Beispiel hatte die Chance dazu. Nur kam’s halt anders. So ist das halt im Fußball. Wer selber nur ein Tor schießt, während der Gegner zweimal trifft, der verliert das Spiel. Es sei denn, die Fifa schaltet sich ein - aber das ist eine andere Geschichte. Also noch einmal zurück zum Anfang: Der Offensivspieler des FC Bayern, seit Neustem 23 Jahre alt, machte bei seinem 44. Einsatz im Trikot des DFB seine Sache vorne im Angriff zu Beginn prima, agierte sehr flexibel und wich bisweilen auf die Flügel aus. Und der Bundestrainer mag den Supertechniker sowieso: "Für mich ist er ein Spieler, der Dinge kann, die andere nicht beherrschen." Nach 73 Minuten kam für ihn der 27 Jahre alte Max Kruse zu seinem zwölften Länderspiel. Und blieb an diesem Abend nicht der einzige Gladbacher, der in Köln nicht auftrumpfte.

Quelle: ntv.de

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