Fifa vor Blatter-Wiederwahl Tagesordnungspunkt 17 gilt als erledigt
29.05.2015, 07:36 Uhr
So heftig wie in den vergangenen Tagen war die Kritik an Blatter noch nie. Dennoch dürfte eine Mehrheit der Fifa-Delegierten ihn wiederwählen.
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Vor dem Fifa-Kongress lehnen sich viele Mitgliedsverbände offen gegen Verbandschef Blatter auf. In letzter Minute schwenken auch manche langjährigen Unterstützer um. Doch das dürfte kaum reichen, um Blatters Wiederwahl zu verhindern.
Trotz des größten Skandals in der Fifa-Geschichte darf Joseph Blatter mit der Wiederwahl als Präsident des Fußball-Weltverbands rechnen. Beim Kongress in Zürich wäre alles andere als die Kür des 79 Jahre alten Schweizers in der Abstimmung gegen seinen Herausforderer Ali bin al-Hussein aus Jordanien eine Sensation. Die Abstimmung über eine mögliche fünfte Amtszeit Blatters steht als 17. Punkt auf der Agenda des Treffens der 209 Fifa-Mitgliedsverbände und wird nicht vor 17 Uhr erwartet.
Die Europäische Fußball-Union Uefa hatte am Donnerstag kurz vor der Kongresseröffnung einen zuvor erwogenen Boykott verworfen. Die meisten der insgesamt 53 Uefa-Delegierten wollen ihre Stimme für Al-Hussein abgeben, darunter auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Da zuletzt allerdings die 54 Vertreter Afrikas sowie die asiatische Konföderation mit 46 Stimmberechtigten ihre Unterstützung für Blatter bekräftigt hatten und auch Ozeanien wohl ebenfalls zu dessen Lager gehört, dürfte der Schweizer mehr als die nötigen 105 Stimmen auf sich versammeln.
Daran ändern auch die jüngsten Ankündigungen aus Nordamerika, Australien und Neuseeland, gegen Blatter stimmen zu wollen, nichts. "Der US-Verband wird für Prinz Ali stimmen", twitterte Sunil Gulati, Präsident des amerikanischen Fußballverbandes USSF. Beobachtern zufolge könnten mit diesem Schritt die Chancen der USA auf die erhoffte Ausrichtung einer weiteren WM sinken. Auch der kanadische Verband CSA wandte sich von Blatter ab. "Wir haben uns nach einem Treffen für eine Wahl von Prinz Ali entschieden, da wir die derzeitige Führung der Fifa nicht unterstützen können", teilte CSA-Chef Victor Montagliani mit.
Noch überraschender kam das Umdenken aus Australien, wo sich der langjährige Blatter-Unterstützer Frank Lowy für einen Neuanfang aussprach. "Wir glauben, dass die Fifa so schnell wie möglich einen Wechsel braucht", wird der Verbandsboss in einer offiziellen Mitteilung zitiert.
Der Weltverband war am Mittwoch von einem neuen Skandal erschüttert worden. Im Auftrag der US-Justiz hatten Schweizer Sicherheitsbehörden sieben Fußball-Funktionäre festgenommen, unter ihnen zwei Stellvertreter Blatters.
Neuer Korruptionsbekämpfer gesucht
Dieser hatte bei der Eröffnung des Kongresses am Donnerstagabend einen Kampf gegen korrupte Einzelpersonen angekündigt. Die nächsten Monate würden nicht einfach für die Fifa. "Ich bin sicher, dass weitere schlechte Nachrichten folgen werden", sagte Blatter.
Ob und wie ernst der Verband es mit der Korruptionsbekämpfung meint, wird sich aber auch noch bei anderen Tagesordnungspunkten des Kongresses zeigen. Unter anderem müssen die Delegierten nach dem Rückzug von Michael Garcia einen neuen Chefermittler für die Fifa-Ethikkommission suchen. Bislang hatte der Schweizer Rechtsanwalt Cornel Borbély den Vorsitz der Untersuchungskammer übernommen.
Garcia hatte die Ermittlungen zu möglichen Korruptionsfällen bei der Vergabe der WM 2018 an Russland und 2022 an Katar geleitet. Gegen den Zwischenbericht seines 430 Seiten umfassenden Reports hatte er Einspruch eingelegt. Dieser war von der Fifa-Berufungskommission abgewiesen worden. Garcia war daraufhin von seinem Posten zurückgetreten.
Als höchstrangiger deutscher Vertreter könnte DFB-Chef Niersbach ein Zeichen gegen das Blatter-Regime setzten. Als Nachfolger von Theo Zwanziger zieht Niersbach in das Fifa-Exekutivkomitee ein. Der 64-Jährige war von den Delegierten der Europäischen Fußball-Union Uefa für das Amt bestimmt worden. Niersbach ließ sich seine Übernahme des Sitzes für den Fall einer Wiederwahl Blatters offen. Ein sofortiger Rückzug ist allerdings kaum erwartbar. Niersbachs erste wichtige Amtshandlung wird das Ringen um die Anzahl der europäischen Startplätze bei der WM 2018.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/sid