Es brodelt in der Bundesliga Warum Playoffs nicht die Probleme lösen
11.02.2022, 19:12 Uhr
Am Ende jubelt doch sowieso immer der FC Bayern - oder?
(Foto: picture alliance / GES/Markus Gilliar)
Seit fast zehn Jahren versinkt die Bundesliga in einer Meisterkampf-Langeweile. Was also tun? Die neue Liga-Chefin Donata Hopfen zeigt sich gegenüber Playoffs offen und selbst die Bayern lehnen das Gedankenspiel nicht ab. Allein: Die Einführung des Formats würde die Probleme nicht lösen.
Der deutsche Profifußball braucht keine Playoffs, es gibt sie ja in einer gewissen Art schon. Und heißen: DFB-Pokal. Wer auf Überraschungen und K.o.-Spiele steht, wird hier glücklich. Zwar dominieren auch im Pokal meist die bekannten Schwergewichte (Die Sieger der vergangenen zehn Jahre: fünfmal Bayern, dreimal Dortmund, je einmal Wolfsburg und Frankfurt), doch allein diese Pokalrunde mit vier Zweitligisten im Viertelfinale zeigt: Spannung und Überraschungen sind möglich. Und in dieser Saison kann es sogar einen völlig neuen Sieger geben. Ein wunderbarer Wettbewerb mit Aussicht auf Sensationen und Geschichten. Zumindest eher als in der Liga.
Denn dort herrscht an der Spitze Spannungsflaute. Seit Jahren. Der FC Bayern ist auf allerbestem Wege auch die zehnte Meisterschaft in Serie einzutüten. Der letzte Nicht-Bayern-Meister war Borussia Dortmund 2012. Lange ist's her. Überraschungsmeister wie Bremen (2004), Stuttgart (2007), Wolfsburg (2010)? Schier gar unmöglich. Dabei ist das Liga-Format eigentlich so einfach wie charmant: Der Deutsche Meister wird über die ganze Saison ausgespielt. Hinspiel, Rückspiel. Am Ende steht der Meister fest. Dieses Format ist etabliert, bei den Fans beliebt und krönt eben die auf Dauer beste Mannschaft der Saison. Der bewährte Weg seit Einführung der Bundesliga 1963 scheint derzeit aber in eine Sackgasse zu führen. Daher die Playoff-Rufe, die die Debatte nun beschleunigen.
"Wenn uns Playoffs helfen ..."
Denn auch in den oberen Etagen der Liga dämmert es immer mehr, dass es auf Dauer so nicht weitergehen kann. Die Bayern-Dominanz zermalmt das Geschäft, das zu großen Teilen von der Attraktivität, also auch Spannung des Produkts Bundesliga lebt. Das wurde jüngst im Interview der neuen DFL-Chefin Hopfen deutlich. "Die Liga wäre natürlich attraktiver, wenn sie mehr Wettbewerb an der Spitze hätte", sagte sie der "Bild am Sonntag". "Wenn uns Playoffs helfen, dann reden wir über Playoffs," so Hopfen weiter. Es gebe für sie keine "heiligen Kühe", auch einen Supercup in Saudi-Arabien (das ist nochmal ein ganz anderes Thema) wollte sie nicht ausschließen.
Überraschend war auf den ersten Blick vor allem die Reaktion der Bayern. Der Liga-Dominator wiegelt die Idee nicht wie in den Jahren zuvor ab, sondern gibt sich offen. "Ich finde es spannend, über neue Modelle wie Playoffs für die Bundesliga nachzudenken", sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn: "Ein Modus mit Halbfinals und Finale würde Spannung für die Fans bedeuten. Es macht also Sinn, so einen Gedanken durchzuspielen." Das klang nicht immer so. Bayern-Coach Julian Nagelsmann, der zwar schon öfter als Reform-Fan in Erscheinung getreten ist, hatte zuletzt auch Playoff-Bedenken geäußert.
Am Freitag reagierte er auf die aktuelle Debatte: Er sei grundsätzlich ein Freund davon, alles zu diskutieren. "Am Ende muss bei allen Dingen, die man verändert, ein Mehrwert herauskommen. Für die Bundesliga, für die Fans." Wenn irgendwann schlaue Köpfe "zusammenkommen und entscheiden, dass es ein Mehrwert wäre, dann bin ich der Letzte, der sich davor verschließt." Ein klares Jein. Eine Bereitschaft ist allerdings klar zu erhören.
Die Frage nach dem Format
Nicht falsch verstehen, Playoffs an sich sind ein interessanter Ansatz, der definitiv auch Spannung erzeugen kann. Er ist vor allem aus den USA bekannt, wo er im US-Sport eine lange Tradition hat. Dort spielen die je besten Teams am Ende in einem Playoff-Turnier den Meister aus. Oft in sogenannten "Best-Of"-Formaten. Also zum Beispiel kommt weiter, wer zuerst viermal im direkten Duell gewonnen hat. Im Fußball wären wohl eine Art Final Four mit nur einem Spiel oder Hin- und Rückspiel wie im Europapokal oder ein "Best-of-Three"-Format, naheliegende Ansätze. Welches Format die Liga favorisieren würde, steht in den Sternen.
Würde es dadurch in Deutschland eher mal einen anderen Meister geben? Vielleicht. Doch schon mit Hin- und Rückspiel steigen die Chancen der Branchenbesten wieder. Wie oft haben die Bayern in entscheidenden Hin- und Rückspielen in den vergangenen Jahren denn wirklich versagt? Beim Corona-bedingt verkürzten K.o.-Turnier der Champions League 2020 holte der FCB den Titel. Eine überraschende 0:5-Klatsche wie im DFB-Pokal gegen Gladbach im vergangenen Oktober ist die Ausnahme.
Und da wäre ja auch das Problem mit der Anzahl der Spiele. Man stelle sich vor, nach den 34 Hauptrunden-Spielen gebe es noch mehrere Runden mit möglicherweise bis zu drei (beim "Best-of- Three"-Format) Spiele. Im schlimmsten Fall (zum Beispiel wenn die ersten acht die Playoffs ausspielen) kämen also nochmal neun Spiele am Ende der Saison der Saison drauf. Das wird zeitlich als auch aus Belastungsgründen (EM/WM gibt es ja auch noch) ein triftiges Problem.
Hauptproblem lässt sich nicht aushebeln
Möglicherweise droht auch eine sportliche Verzerrung. Denn wenn klar sein sollte, dass man im März schon die Playoffs erreicht hat, könnten Spitzenteams wie die Bayern gegen Ende der Saison die Stars schonen und die B-Mannschaft aufs Feld schicken. Das Geschrei wäre wohl groß. Nun kann man die plötzliche Bayern-Sympathie für die Playoffs auch als Nebelkerze interpretieren. Denn das Hauptproblem der Liga - das finanzielle Ungleichgewicht zwischen den Teams - lässt sich auch durch Playoffs nicht aushebeln. Mit einer Einführung des neuen Formats betriebe man lediglich Augenwischerei. Das Problem ist nicht das Format, sondern es sind die gegenwärtigen Verhältnisse.
Die finanziellen Möglichkeiten sind eben seit Jahren derart unterschiedlich, dass die Bayern durchmarschieren, der Rest mit einem größeren oder kleineren Fernglas zuguckt. Wer die Liga wirklich spannender machen und nachhaltig etwas verändern will, muss zu anderen Maßnahmen als Playoffs greifen. Stichwort TV-Gelder und Umverteilung. Ein Thema, das schon lange und ermüdend debattiert wird, aber nicht an Relevanz verliert. Im Gegenteil. Die Unterschiede durch TV-Einnahmen bei den Bundesligisten liegen zwischen Spitze und Ende des Feldes bei rund 180 Millionen Euro - vor allem auch dank üppiger Einnahme aus den internationalen Spielen wie der Champions League.
Verwundert es da irgendjemanden, dass die Dominanz zementiert ist? Hinzu kommen noch die Gelder aus dem Sponsoring, Merchandising und Ticketeinnahmen. Ach ja: Ab 2024 greift in der Champions League ein neuer TV-Deal. Mehr Geld für die Big Player. Überhaupt der Europapokal. Der findet schon lange nicht mehr im K.o.-Format statt. Schon jetzt garantiert die Teilnahme an der Gruppenphase gigantische Summen. Die dann, in fast ganz Europa, die nationalen Ligen entwerten. Trotz höchstens solider Ergebnisse in Europa ist so auch in Deutschland Borussia Dortmund den anderen Teams finanziell längst enteilt.
Fans wollen "tatsächliche Probleme angehen"
Die Lücke ist zu groß. Statt über Playoffs müssten Hopfen und Kahn also über sinnvolle Umverteilung sprechen. Dass dies bei den Bayern nicht Prio1 hat, liegt auf der Hand. Für den Serienmeister ist es bequemer, die Idee Playoffs vorzuschieben, als finanzielle Einbußen hinzunehmen, die wirklich weh tun, die Liga aber spannender machen würden. Ansätze zur Lösung des Problems liegen auf dem Tisch. Radikalere Umverteilung, Zentralvermarktung von Sponsoring-Einnahmen, Kostenobergrenzen, Deckelung der Gehälter. Umgesetzt wurde sie bislang nicht. Und es werden wohl eher Playoffs eingeführt, als dass die Umverteilung kommt.
Bei den organisierten Fans stößt der erneute Playoff-Vorschlag indes auf Ablehnung. "Es ist bezeichnend, dass über ein neues Spielformat gesprochen wird, anstatt die tatsächlichen Probleme anzugehen, die zu einem fehlenden Wettbewerb an der Spitze führen", teilte die Fanvereinigung "Unsere Kurve" mit. "Wir brauchen keine neuen Formate und Wettbewerbe, die durch noch mehr Vermarktung mehr Geld in den Fußball spülen." Die Sorge bei vielen Fans vor einem "Bundesliga Bowl" sind offenbar groß. In ihrem Interview mit der "Bams" forderte Liga-Chefin Hopfen übrigens auch, "den Fan wieder mehr in den Mittelpunkt zu stellen." Das sei die wichtigste Aufgabe für die Zukunft. Man solle auf ihn zugehen und fragen, was er wolle. Vielleicht wäre nun der Zeitpunkt gekommen, die Worte in Taten umzusetzen.
Quelle: ntv.de