Fußball

Die Happy-Einzelkritik, aber ... Was ist nur los mit Gündoğan und Werner?

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Ach ja, im deutschen Fußball ist plötzlich alles wieder prima. Und das wirklich ganz ohne Ironie. War der Auftakt der neuen "Ära" unter dem Bundestrainer Hansi Flick gegen Liechtenstein (2:0) noch eher zäh, so knatterte der Motor gegen Armenien richtig los (6:0) und schnurrte auch gegen Island wie ein Kätzchen (4:0). Für die WM-Qualifikation bedeutet das die perfekte Ausbeute von neun Punkten. Der (umstrittene) Weg nach Katar ist nun bereitet. "Wenn man die drei Spiele nimmt, können wir sehr zufrieden sein. Wir wissen, dass wir noch das ein oder andere besser machen müssen, aber dafür sind wir da", befand der Bundestrainer. "Die Mannschaft hat die Idee, wie wir spielen wollen, hervorragend interpretiert und versucht, den Gegner immer wieder unter Druck zu setzen. Alle haben eine sehr gute Visitenkarte abgegeben - auch die, die nicht gespielt haben und enttäuscht sind. Wir sind sehr, sehr happy mit der Entwicklung, die wir genommen haben." Tja, dann schauen wir mal auf die wirklich glückliche Einzelkritik - und widersprechen Flick zumindest ein ganz kleines bisschen.

Island - Deutschland 0:4 (0:2)

Tore: 0:1 Gnabry (4., nach Videobeweis), 0:2 Rüdiger (24.), 0:3 Sane (56.), 0:4 Werner (89., nach Videobeweis)
Island: Halldorsson - Saevarsson, Brynjar Ingi Bjarnason, Fjoluson, Skulason - Birkir Bjarnason, Palsson (89. Baldursson), Johannesson (71. Sigurdsson)- Johann Gudmundsson, Albert Gudmundsson (80. Gudjohnsen), Helgason; Trainer: Vidarsson
Deutschland: Neuer - Hofmann (46. Klostermann), Süle (60. Gosens), Rüdiger, Kehrer - Kimmich, Goretzka (80. Wirtz) - Gnabry (46. Havertz), Gündogan, Sané (60. Musiala) - Werner; Trainer: Flick
Schiedsrichter: Andreas Ekberg (Schweden)
Zuschauer: 3600 (ausverkauft)

Manuel Neuer: Der Kapitän wurde in der ersten Halbzeit einmal hart geprüft, erledigte seine Sache nach 15 Minuten aber souverän, wenn auch etwas unkonventionell. Nach einem wirklich wunderbar herausgespielten Angriff der Isländer rettete er mit den Fäusten gegen den jungen Isak Johannesson. Beim Pfostenschuss von Johann Gudmundsson war er dann mal ein wenig im Glück (49.). Sonst aber war er gewohnt aufmerksam und immer auf dem Posten, gab ein paar Mal den Libero, es war allerdings selten brenzlig.

Jonas Hofmann: Sein „Debüt“ hinten rechts gegen Armenien war bemerkenswert gut. Hofmann war nach den 90 Minuten bereits zur rechten Alternative herbeigeredet worden. Gegen Island konnte er nicht an diese Top-Leistung anknüpfen, setzte dieses Mal offensiv keine Akzente und hatte defensiv ein paar Probleme. Vor allem beim tollen Angriff der Isländer nach 15 Minuten leistete er sich einen schweren Stellungsfehler, der das Feld auf der Seite öffnete. Aber es ist schon so, dass er die Rolle des Umschülers ehrgeizig annimmt. Was soll er auch tun? Ein Platz in der Stammelf ist „nur“ auf dieser Position denkbar. Im Mittelfeld ist die Konkurrenz zu groß. Ab der 46. Minute Lukas Klostermann: Der Leipziger kam nach der Pause als defensivere Variante für Hofmann (46.). Er spielte weitgehend unauffällig, dafür aber äußerst solide. Nach seinem tollen Vorstoß vergab Timo Werner ein sicheres Tor.

Niklas Süle: Der Hüne des FC Bayern agierte anfangs fast wie ein Spielmacher. Süle war sehr oft am Ball. In der ersten Halbzeit hatte er die meisten Kontakte. Seine langen Bälle erreichten meistens auch den Adressaten, das erinnerte an die großen „Kaiser“-Zeiten von Jérôme Boateng - so wie vor dem 1:0 durch Serge Gnabry. Defensiv in der Regel souverän, einzig beim wuchtigen Schuss von Johannesson kam er etwas zu spät. Musste allerdings zuvor auch gleich mehrere Stellungsfehler seiner Vorderleute ausbügeln. Der zuletzt nicht immer glückliche EM-Reservist macht im Kampf um einen Stammplatz allerdings absolut ernst! Ab der 60. Minute Robin Gosens: Die große EM-Entdeckung durfte nach überstandener Fußverletzung eine halbe Stunde für Süle ran. Stach nicht heraus. Weder positiv noch negativ.

Antonio Rüdiger: Der neue "Aggressive Leader" des DFB-Teams. Immer involviert, wenn es darum geht, Dinge zu klären. Sowohl in der Abwehr, als auch im Dialog mit dem Gegner. Als Spielmacher İlkay Gündoğan in der ersten Halbzeit hart gefoult wurde, machte Rüdiger den Isländern deutlich, dass es so nicht geht. Seine Kernaufgabe erledigte er auch prima. Er lief hinten immer wieder Bälle ab und gewann den Großteil seiner Zweikämpfe. Gerne auch auf die robuste Tour. Rüdiger erzielte mit dem 2:0 auch sein erstes Länderspieltor seit vier Jahren - wieder per Kopf, wieder nach einem Standard von Kimmich. Das sah absolut nach einer einstudierten Variante aus. Standard-Coach Mads Buttgereit wird das gefallen haben.

Thilo Kehrer: Der Aushilfs-Linksverteidiger machte auf der ungewohnten Position erneut ein ordentliches Spiel. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Ruhe am Ball er mittlerweile auch unter Stress, sprich Pressing des Gegners, agiert. Konzentrierte sich vornehmlich auf die Defensive, hatte mit Johann Gudmundsson den besten Isländer im Duell (und meist bestens unter Kontrolle). Kehrer hätte ruhig häufiger den Weg nach vorne wählen können, denn seine Aktionen wirken durchaus sehr durchdacht. Er ist der große Gewinner des ersten Lehrgangs unter Flick.

Joshua Kimmich: Tja, was soll man noch sagen: Kimmichs Chipbälle sind einfach großartig und mittlerweile ein absolut unverzichtbares Stilmittel. Sowohl beim Heimatverein FC Bayern als auch im DFB-Team. Mit einem perfekt getimten Freistoß bereitete er Rüdigers Tor zum 2:0 vor. Vor dem 1:0 durch Gnabry spielte Kimmich zudem einen prima Ball auf Leroy Sané. Der Antreiber war auch sonst immer um schnelle Spielverlagerung bemüht. Der 26-Jährige ist der Souverän im Mittelfeld. Immer noch unvorstellbar, dass er bei der EM den Rechtsverteidiger gab, geben musste.

Leon Goretzka: Er brauchte dieses Mal tatsächlich ein paar Minuten Anlaufzeit, war dann aber wieder stark. Der "Power Tower" spielte aufmerksam, war wie immer sehr laufstark und dazu noch extrem passsicher - der gebürtige Bochumer überzeugte einmal mehr im Mittelfeld. Herrscht an der Seite von Kimmich im Zentrum. Beide verstehen sich auf und neben dem Feld blind. Goretzka spielte einen Traumpass auf Sané vor dem 3:0. Auch dank ihm wird Toni Kroos nicht vermisst. Ab der 80. Minute Florian Wirtz: Gegen Armenien legte er Debütant Karim Adeyemi noch ein Tor herausragend auf. Eine solche Szene hatte er dieses Mal nicht. Er wird von Flick ganz langsam für größere Aufgaben vorbereitet.

Serge Gnabry: Was für ein Kontrast zur EM: Nach dem Doppelpack gegen Armenien war der Münchner mit seinem 1:0 erneut der Wegbereiter. Der Bayern-Star trifft und trifft und trifft. War aber nicht nur wegen seines 19. Länderspieltores im 28. Auftritt einer der besten im DFB-Trikot. Seine Auswechslung zur zweiten Halbzeit war einzig in der Belastungssteuerung begründet. Man ahnt, dass Flick eine Regel seines Vorgängers Joachim Löw in Zukunft adaptieren wird, und zwar: Gnabry spielt immer! Ab der 46. Minute Kai Havertz: Nach überstandenem grippalem Infekt kam er in der zweiten Hälfte zurück. Havertz vergab eine Großchance nach Pass von Werner, dem er spät das 4:0 auflegte, ziemlich läppisch. Vielmehr gibt es zum Auftritt des Top-Talents nicht zu erzählen.

İlkay Gündoğan: Es ist (leider) das immer gleiche Spiel: Gündoğan ist extrem bemüht, trieb das Spiel stets an, war aber nicht immer glücklich in den Aktionen. Zeigt am Ball immer wieder seine herausragenden Qualitäten, kann diese aber viel zu selten und nie konstant einbringen. So war seine Ballmitnahme kurz vor der Halbzeit an der Strafraumkante einfach überragend, die Isländer sahen das anders und flexten ihn um. Und so bleibt wieder die Erkenntnis, dass er erneut nicht beweisen konnte, dass er auf der Zehn besser ist als Thomas Müller, Marco Reus (beide verletzt) oder Kai Havertz.

Leroy Sané: Oha, was war denn da los? Sané kassierte in der ersten Halbzeit einen Rüffel von Flick ("Leroy, Leroy! Pass spielen!"), weil er zu lasch agierte. Spielte teilweise auch riskante Pässe in der eigenen Hälfte, diese blieben aber ohne Folge. Gegen stärkere Gegner hätte da durchaus Ungemach gedroht. Legte aber auch das 1:0 auf. Sané steigerte sich danach und belohnte sich dafür mit dem 3:0. War im Spiel gegen den Ball erneut umtriebig wie der Duracell-Hase. Wenn auch nicht ganz so effektiv wie zuletzt. Dennoch ist der Flügelstürmer einer der großen Gewinner des ersten Lehrgangs unter Flick. Die Länderspielwoche war für den Bayern-Profi der ideale Formaufbau. Ab der 60. Minute Jamal Musiala: Das Supertalent wurde für seinen Konkurrenten beim FC Bayern eingewechselt. Konnte dieses Mal nicht begeistern, so wie zuletzt eigentlich immer. Er versuchte sofort etwas Prägendes zu schaffen, gelang aber eher nicht. Sein scharfer Schuss wurde zur Ecke abgeblockt (75.). Musiala stand bei seiner auffälligsten Aktion auch im Weg, als Goretzka das vermeintliche 4:0 erzielte. Das Tor zählte deshalb nicht.

Timo Werner: Die Bilanz ist eigentlich prima, aber sie täuscht auch ein wenig über die Leistung hinweg: Werner erzielte im dritten Spiel unter Flick sein drittes Tor. Der Mann des FC Chelsea wurde wieder als Mittelstürmer aufgeboten. Doch das Toreschießen in dieser zentralen Rolle fällt ihm eher schwer. Werner wich oft aus dem Zentrum aus und vergab zwei Großchancen (55. und 61.) ziemlich kläglich. Bei seinem Treffer zum 4:0 war viel Glück dabei.

Quelle: ntv.de, tno

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