Redelings Nachspielzeit

Irre Idee als Bundestrainer Als Matthäus aus Ailton einen Deutschen machen wollte

Lothar Matthäus (ganz links) und Ailton (2. von links) bei einer Fernsehshow im Jahr 2018.

Lothar Matthäus (ganz links) und Ailton (2. von links) bei einer Fernsehshow im Jahr 2018.

(Foto: imago/Horst Galuschka)

Nach dem Ausscheiden in der Gruppenphase der EM 2004 in Portugal zog Teamchef Rudi Völler die Reißleine und kündigte seinen Job beim DFB. Deutschland war einen Monat lang auf der Suche nach einem neuen Bundestrainer. Und ein Kandidat zog dabei eine auf den ersten Blick ziemlich kuriose Idee in Betracht.

Im Sommer 2004 suchte Deutschland einen neuen Bundestrainer. Die EM in Portugal hatte die DFB-Elf unter Rudi Völler bereits nach den Gruppenspielen wieder verlassen müssen. Nach dem kurzfristigen Ausreißer bei der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea, als die Nationalmannschaft das Finale gegen Brasilien erreichte, war das vorzeitige Ausscheiden ein neuer, negativer Höhepunkt in der Historie des deutschen Fußballs. Nach dem Turnier hatte Rudi Völler folgerichtig seinen Rücktritt als Teamchef erklärt. Nun musste der Posten neu besetzt werden. Und einer der möglichen Kandidaten war damals Lothar Matthäus.

Zwar galt der damalige Trainer der ungarischen Nationalmannschaft nicht als Wunschkandidat der führenden Männer beim DFB - vor allem Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder ("Ein Herr hat seine Macht, die er immer noch hat, voll gegen mich ausgespielt", Matthäus) hatte andere Vorstellungen im Kopf - doch knapp einen Monat lang spielten die Medien den Namen des Rekordnationalspielers öffentlich durchaus aktiv in den Vordergrund.

Und das hatte insbesondere einen Grund: Lothar Matthäus konnte sich - anders als heute - den Job des Bundestrainers damals sehr gut vorstellen.

Auf den ersten Blick grotesk - und auf den zweiten?

Und da der zu diesem Zeitpunkt 43-Jährige in Franz Beckenbauer einen mächtigen Fürsprecher hinter sich wusste, entwickelte Matthäus in den Wochen, in denen er als potenzieller Kandidat gehandelt wurde, die eine oder andere Idee für die Zukunft der deutschen Nationalmannschaft.

Ein Vorteil damals für Matthäus: Da Ungarn die DFB-Elf direkt vor der EM in Kaiserslautern unter der Regie des Mannes aus Herzogenaurach nicht nur mit 2:0 geschlagen hatte, sondern dabei auch mit einem ideen- und temporeichen Spiel überzeugt hatte, hörte man dem Rekordnationalspieler interessiert zu. Bis er eines Tages der Presse eine Idee präsentierte, die auf den ersten Blick geradezu grotesk wirkte. Auf den zweiten allerdings gar nicht mehr so sehr. Denn der DFB-Sturm bereitete den Verantwortlichen damals tatsächlich die eine oder andere Sorge. Und so geriet ein Brasilianer in Matthäus' Blickfeld.

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Ailton hatte gerade mit dem SV Werder Bremen die deutsche Meisterschaft gewonnen und stand vor einem Wechsel zum FC Schalke 04. Für Werder hatte der Brasilianer in 169 Spielen respektable 88 Tore erzielt - und sich mit 28 Treffern soeben die Torjäger-Kanone der abgelaufenen Saison 2003/04 gesichert. Bester deutscher Torschütze war damals übrigens ein gewisser Martin Max mit 20 Treffern geworden, der aber in den Planungen für die deutsche Nationalmannschaft noch nie eine ernsthafte Rolle gespielt hatte. Und dann sagte Lothar Matthäus, mitten in den Bundestrainer-Auswahlprozess des DFB hinein, einen Satz, der für Schlagzeilen sorgen sollte: "Ich würde Ailton für Deutschland spielen lassen!"

Ailton hat Interesse, der DFB aber entscheidet anders

Anders als sein Vorgänger Rudi Völler, der stets gefordert hatte, dass ein deutscher Nationalspieler "schon ein bisschen deutsch" sein müsse, berief sich Matthäus auf geltendes FIFA-Recht für Fußball-Einbürgerungen (der Brasilianer spielte zu diesem Zeitpunkt bereits seit 1998 in Deutschland) und meinte: "Außerdem hat Ailton Angebote aus Spanien und Portugal abgelehnt. Das zeigt, dass er gerne in Deutschland ist." Übrigens eine Sache, die heute noch stimmt. Im Jahr 2021 kehrte der Brasilianer nach Bremen zurück und im März 2023 gab Ailton sogar sein Comeback beim TSV Bassum bekannt.

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Auch im Sommer 2004 machte der Torjäger aus seiner Liebe zu Deutschland keinen Hehl und war Feuer und Flamme für eine Berufung zur deutschen Nationalmannschaft: "Es wäre ein Traum für Deutschland bei der WM 2006 in Deutschland zu stürmen." Doch dazu sollte es bekanntermaßen nie kommen - denn Lothar Matthäus erhielt den Job des Bundestrainers nicht.

Nur wenige Tage nach dem Vorschlag des Rekordnationalspielers, Ailton zum Deutschen zu machen, wurde in Frankfurt der ewige Rivale von Matthäus, Jürgen Klinsmann, als neuer DFB-Coach vorgestellt. Und der hat diese irre Idee wohl nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Jedenfalls las man nie wieder etwas von einer Einbürgerung Ailtons als Deutscher. Das mag möglicherweise aber auch an dem weiteren, nicht mehr ganz so erfolgreichen, sportlichen Werdegang des Brasilianers gelegen haben.

Quelle: ntv.de

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