Redelings Nachspielzeit

Entlarvende Sätze des Trainers Was ist eigentlich mit Thomas Tuchel los?

Sieht sich in der falschen "Schublade": Thomas Tuchel.

Sieht sich in der falschen "Schublade": Thomas Tuchel.

(Foto: IMAGO/Sven Simon)

Die Niederlage des FC Bayern München am Wochenende gegen den SV Werder Bremen lässt nicht nur die Fußballfans im Land irritiert zurück. Auch Trainer Thomas Tuchel war sichtlich genervt. Doch nicht nur das lustlose Auftreten der Mannschaft verwundert - sondern Tuchel selbst zunehmend auch.

"Das war so gewollt, dass wir ins Aus schießen." Thomas Tuchel rollte genervt mit den Augen. Ein Journalist hatte nach der Niederlage der Bayern gegen den SV Werder Bremen am Sonntag etwas ungalant und ungeschickt nach den eher suboptimal ausgeführten Ecken des Rekordmeisters in der ersten Halbzeit gefragt. Doch anstatt einfach diesen tapsig verstolperten Ansatz des offensichtlich nervös-konfusen Pressevertreters gelassen ins Leere laufen zu lassen ("Ihre Mannschaft hat in der ersten Halbzeit die Ecke immer in derselben Form ausgeführt. Einmal landete der Ball dann aber im anderen Seitenaus. War das nur eine schlechte Ausführung oder was ist da passiert?"), konterte der Coach des FC Bayern die Frage des Journalisten auf eine Art und Weise, die mittlerweile so typisch ist für die eigene Präsentation des Trainers und Menschen Thomas Tuchel in München - und immer mehr für Befremden bei den Fußballfans im Land sorgt.

Spätestens seit dem vorzeitigen Verlassen des Sky-Interviews Anfang November des vergangenen Jahres nach dem Sieg der Bayern in Dortmund ("Wenn ich durch bin, möchte ich gehen") stellen sich immer mehr Anhänger der Bundesliga irritiert die Frage: Was ist eigentlich mit Thomas Tuchel los? Der Trainer des Rekordmeisters wirkt seit Wochen und Monaten auf eine fast schon befremdliche Art und Weise seltsam entrückt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich Thomas Tuchel, der mit so viel Enthusiasmus und Freude bei den Bayern startete, innerlich fast schon wieder von seinem Engagement beim FC Bayern München verabschiedet hat.

Auch seine erneut betont locker-nüchternen Statements ("Ich habe keine Lust mehr zu sagen, dass wir gut trainieren. Das glaubt mir ja keiner mehr") nach der völlig verdienten Niederlage gegen deutlich leidenschaftlicher agierende Bremer am gestrigen Sonntag lassen einen Trainer in der öffentlichen Wahrnehmung zurück, der auf eine Art und Weise polarisiert, die zumindest verwundert. Die Frage, die sich an dieser Stelle fast schon aufdrängt: Sehen wir aktuell den wahren Thomas Tuchel oder ist es nur (noch) die resignierte Version des Menschen und Erfolgscoachs Tuchel, der sich mit seinem eigenen Schicksal - und damit ist noch nicht einmal das Ende als Trainer beim Rekordmeister gemeint - bereits abgefunden hat?

Ein vielsagender Satz

Denn wie der Coach des FC Bayern München unlängst in einem Interview mit dem Sender ESPN preisgab, fühlt sich Thomas Tuchel mit seinem momentanen Image und Bild in Deutschland alles andere als wohl - und würde gerne jemand anderes in der öffentlichen Wahrnehmung sein, doch das scheint ihm aktuell nicht möglich: "Es ist sehr schwer, aus einer bestimmten Schublade rauszukommen, wenn du einmal drin bist."

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Wie genau Thomas Tuchel sich selbst in dieser "Schublade" sieht, ist natürlich nicht bekannt. Aber was ihn besonders stört an dieser vermeintlichen Unart in unserem Land, hat er den Journalisten von ESPN verraten: "Ich glaube, dass wir in Deutschland sehr kritisch miteinander umgehen. Besonders mit Spielern und Trainern." Und dann hat er noch einen Satz gesagt, der viel tiefer blicken lässt, als es im ersten Moment womöglich erscheinen mag. Denn Tuchel hat auf die Frage, ob er während seiner Zeit beim FC Chelsea eine höhere Wertschätzung erfahren habe, ehrlich geantwortet: "Ich habe mehr Anerkennung in England gespürt, ja."

Nun ist es allerdings so, dass sich der Trainer des FC Bayern München aktuell in einem Teufelskreis befindet. Denn genau diese "Anerkennung", die er - aller Voraussicht nach nicht nur von den Fans und Medien, sondern auch von den Offiziellen des FC Bayern - einfordert, wird er natürlich erst dann bekommen, wenn die Siege und Erfolge beim Rekordmeister wieder in gewohnter und häufig auch souveräner Art und Weise erfolgen werden. Doch danach sieht es momentan eher nicht aus. Die Probleme des FC Bayern liegen in der aktuellen Konstellation und Verfassung der Münchener offensichtlich immer noch tiefer, als sich das die Verantwortlichen nach den wilden Rochaden der jüngsten Zeit erhofft und erwünscht haben.

Kann er die "Schublade" wechseln?

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Und das bedeutet wiederum nichts anderes, als dass der "kritische Umgang" miteinander, der Tuchel ebenfalls solche Sorgen bereitet, erst einmal nicht weniger werden wird. Oder anders und härter formuliert: Wenn denn die Kritik, die man als Bayern-Coach tagtäglich über sich ergehen lassen muss, überhaupt einmal endet! Im besten Fall wird sie wohl nur für die Stunden und Tage unterbrochen, in denen man in München gemeinsam einen großen Triumph feiert.

Ob die Verbindung des FC Bayern mit seinem Trainer Thomas Tuchel am Ende noch eine unvergessliche Erfolgsgeschichte werden wird, erscheint aktuell eher unwahrscheinlich - aber nicht unmöglich. Es wird wohl viel davon abhängen, ob Thomas Tuchel auch in schwierigen und nervigen Momenten eine echte (und weniger aufgesetzt wirkende) Gelassenheit entwickelt. Und ob es ihm gelingt, seine "Schublade" noch einmal neu zu öffnen. Er kann sich sicher sein, dass die Fußballfans im Land schon sehr gespannt darauf sind, welche Version Thomas Tuchel ihnen dabei dann offenbaren würde.

Quelle: ntv.de

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