Fußball-WM 2018

Der WM-Check, Gruppe H Belgien ist das neue Portugal

Belgiens Trainer Marc Wilmots mit seinem Superstar Eden Hazard.

Belgiens Trainer Marc Wilmots mit seinem Superstar Eden Hazard.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seit 2002 konnten sie sich nicht mehr für eine Fußball-WM qualifizieren. In Brasilien gelten die Belgier mit ihrer "Goldenen Generation" um Chelseas Eden Hazard sogar als Geheimfavorit. Die Ausgangssituation in der Vorrunde ist günstig.

Heute geht es los, die Fußball-WM in Brasilien beginnt. Wer kann was? Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen der jeweiligen Mannschaften? Wir nehmen die WM-Teilnehmer unter die Lupe. Heute: die Gruppe H mit Belgien, Russland, Algerien und Südkorea.

Belgien

Schon im Achtelfinale könnte Belgien auf die DFB-Elf treffen.

Schon im Achtelfinale könnte Belgien auf die DFB-Elf treffen.

(Foto: REUTERS)

Nachdem Belgien 2000 bei der EM im eigenen Land sang- und klanglos in der Vorrunde gescheitert war, investierten die "Roten Teufel" eine Menge Geld in die Förderung heimischer Talente. Speziell die Jugend-Akademie von Standard Lüttich leistete Nachwuchsarbeit, die für viele europäische Top-Clubs zum Vorbild wurde. Das Ergebnis ist eine "Goldene Generation" von hochtalentierten Spielern, die bei den größten Vereinen Europas unter Vertrag stehen. Der ehemalige Schalker Marc Wilmots hat als Nationaltrainer aus den vielen starken Einzelspielern ein schlagkräftiges Kollektiv geformt, das nicht nur in Gruppe H der Favorit ist, sondern sogar um den WM-Titel mitspielen kann.

Dreh- und Angelpunkt im Spiel der Belgier ist Chelseas Eden Hazard. Der 23-Jährige schaffte in dieser Saison bei den "Blues" endgültig den Sprung vom Riesen-Talent zum Superstar. Mit Marouane Fellaini (Manchester United) und Axel Witsel (Zenit St. Petersburg) unterstützen Hazard zwei defensive Mittelfeldspieler, die enorm zweikampfstark sind. Auf den offensiven Flügeln wirbeln die flinken Dribbelkünstler Kevin de Bruyne (VfL Wolfburg), Kevin Mirallas (FC Everton) und Dries Mertens (SSC Neapel). Und im Sturm glänzt Romelu Lukaku als Vollstrecker und Vorbereiter. Der 21-Jährige hat in den vergangenen beiden Premier-League-Spielzeiten 32 Treffer erzielt und 16 weitere vorbereitet.

Die Achillesferse der Belgier sind die beiden Außenverteidiger-Positionen. Während es in der Abwehrzentrale mit Vincent Kompany (Manchester City), Thomas Vermaelen (FC Arsenal), Jan Vertonghen (Tottenham Hotspur), Toby Alderweireld (Atletico Madrid), Nicolas Lomaerts (Zenit St. Petersburg) und Daniel van Buyten (FC Bayern) nur so vor Stars wimmelt, wird die Luft auf dem defensiven Flügel recht dünn. Anderlechts Anthony Vanden Borre ist der einzig gelernte Außenverteidiger und daher auf der rechten Abwehrseite gesetzt. Links probierte es Coach Wilmots zuletzt mit den eigentlichen Innenverteidigern Vertonghen und Lombaerts, die mit ihrer Größe von knapp 1,90 Meter für diesen Job alles andere als geeignet sind.

Auch vor rund zehn Jahren gab es bereits eine kleine Nation, die wegen seiner jungen, hochtalentierten Spieler stets als Geheimfavorit bei großen Turnieren galt. Angeführt von Luis Figo und bestückt mit Stars wie Nuno Gomes oder Rui Costa hielten Experten die portugiesische Elf stets für einen potenziellen Weltmeister. Für den ganz großen Wurf reichte es jedoch nie, weil den jungen Burschen gegen die großen abgezockten Fußballnationen stets die Cleverness fehlte. Ähnliches dürfte Belgien in Brasilien bevorstehen.

Russland

Trainer Fabio Capello nominierte mit Pavel Pogrebnyak vom FC Reading nur einen Spieler, der sein Geld nicht in der russischen Liga verdient. Dem russischen Fan mag es durchaus gefallen, dass seine Nationalmannschafts-Idole allesamt ihrer Heimat treu bleiben. Doch für die Kader-Qualität ist es nicht unbedingt von Vorteil, wenn die Spieler im Alltag in einer Liga auf mäßigem Niveau gefordert werden. Daher wird es bei dieser WM für die russische Mannschaft nach der Vorrunde wohl sehr schwierig.

Das Prunkstück des russischen Kaders bilden die beiden "magischen Dreiecke" in der Offensive des 4-3-3-Systems von Capello. In der Mittelfeld-Zentrale machen Denis Glushakov (Spartak Moskau), Igor Denisov (Dynamo Moskau) und Viktor Faizulin (Zenit St. Petersburg) das Spiel. Die drei Herren sind klassische Zehner vom alten Schlag: technisch stark, gute Übersicht, feines Passspiel, aber läuferisch nicht angsteinflößend. Auf der linken offensiven Außenbahn geht Yuri Zhirkov (Dynamo Moskau) seine Wege, und rechts ackert Aleksandr Samedov (Lokomotive Moskau). Beide sind pfeilschnell und schlagen präzise Flanken. Als falsche Neun fungiert im Sturm-Zentrum Aleksandr Kokorin (Dynamo Moskau), der als Star der russischen Elf gilt und dem viele Experten einen baldigen Wechsel zu einem Spitzenverein prophezeien.

AC Mailand, Real Madrid, AS Rom, Juventus Turin, englische Nationalmannschaft: Fabio Capello hat viel Erfahrung.

AC Mailand, Real Madrid, AS Rom, Juventus Turin, englische Nationalmannschaft: Fabio Capello hat viel Erfahrung.

(Foto: REUTERS)

Die Abwehr ist hingegen das Sorgenkind von Mütterchen Russland. Die beiden Stamm-Innenverteidiger Vasili Berezutski (31 Jahre) und Sergey Ignashevich (34) kommen langsam in die Jahre. Zumindest kann man ihnen zugutehalten, dass sie beide bei ZSKA Moskau unter Vertrag stehen und somit eingespielt sind. Während Aleksey Kozlov (Dynamo Moskau) auf der rechten Abwehrseite eine gute Figur abgibt, treibt der linke defensive Flügel Capello an den Rand des Wahnsinns. Zuletzt versuchte es der Italiener mit Dmitri Kombarov (Spartak Moskau), der jedoch eigentlich auf der Linksaußen-Position zu Hause ist.

Die russischen Mannschaften sind seit jeher taktisch bestens geschult, was Capello noch mal auf die Spitze trieb. Daher sollten die Russen die mäßige Gruppe H überstehen. Um in der K.o.-Phase gegen die ganz Großen zu bestehen, fehlen den Russen allerdings ein paar ganz Große.

Südkorea

Der Fußball-Boom, den die WM 2002 in Südkorea auslöste, wird allmählich spürbar. Während es vor zehn Jahren noch eine Seltenheit war, einen Südkoreaner bei europäischen Vereinen zu sehen, verdienen heute 10 der 23 WM-Spieler Südkoreas ihr Geld in England oder Deutschland. Südkorea ist nicht mehr der Fußball-Exot, der zu Weltmeisterschaften reist, um sich in der Vorrunde dreimal vom Platz fegen zu lassen.

Südkoreanischer Hoffnungsträger: Heung-Min Son von Bayer Leverkusen.

Südkoreanischer Hoffnungsträger: Heung-Min Son von Bayer Leverkusen.

(Foto: REUTERS)

Bei Südkorea liegt die Stärke im Mittelfeld. Der große Fußball-Held in Südkorea ist Leverkusens Heung-Min Son, der in der Nationalmannschaft meist auf Linksaußen spielt. Die rechte Seite beackert Chung-Yong Lee von den Bolton Wanderers, der wie Son sehr dribbelstark ist. Im offensiven Mittelfeld zieht Ja-Cheol Koo vom FSV Mainz die Fäden. Und im defensiven Mittelfeld ist der technisch versierte und zweikampfstarke Sung-Yong Ki vom AFC Sunderland die Schaltzentrale zwischen Defensive und Offensive. Problematisch wird es für Südkorea in der Abwehr, wo Nationaltrainer Myung-Bo Hang hauptsächlich auf Spieler aus den schwächeren asiatischen Ligen zurückgreifen muss. Zudem fehlt den kleingewachsenen Südkoreanern speziell in der Innenverteidigung das Gardemaß. Einzig Augsburgs Jeong-Ho Hong überschreitet die 1,80-Meter-Marke mit seinen 1,86 deutlich.

Die wuseligen Südkoreaner mögen ein unangenehmer Gegner sein. Aber neben Leverkusens Son fehlen den Südkoreanern wirkliche Top-Spieler. Daher wäre alles andere als Platz 4 in der Gruppe ein Erfolg.

Algerien

Mittelfeld-Talent Saphir Taider spielt für Inter Mailand.

Mittelfeld-Talent Saphir Taider spielt für Inter Mailand.

(Foto: REUTERS)

Für die meisten Experten ist die Situation in Gruppe H klar: Belgien und Russland sind die großen Favoriten. Die einzige Frage, die sich stellt: Welches der beiden Teams wird Gruppenerster und wer kommt als Zweiter weiter? An Algerien denkt kein Mensch - warum eigentlich?

Die algerischen Nationalspieler verdienen ihr Geld bei europäischen Top-Clubs. Der große Star ist das 22-jährige Mittelfeld-Juwel Saphir Taider von Inter Mailand. Taider ist der Regisseur des algerischen Spiels. Der ebenfalls hochtalentierte Nabil Bentaleb (19 Jahre/Tottenham Hotspur) hält Taider im defensiven Mittelfeld den Rücken frei. Auf den Flügeln machen Sofiane Feghoulli (FC Valencia) und El Arbi Soudani (Dinamo Zagreb) mächtig Betrieb. Im Sturm-Zentrum wird's "portugiesisch", wenn entweder Islam Slimani (Sporting Lissabon) oder Nabil Ghilas (FC Porto) auflaufen. Die beiden Mittelstürmer sind typische Knipser, die im Strafraum auf ihre Chance lauern und dann eiskalt zuschlagen.

Auch die Abwehr kann sich sehen lassen. Kapitän Madjib Bougherra ist ein eisenharter Innenverteidiger, der seine Härte in den vergangenen Jahren bei den Glasgow Rangers auch in der Champions League unter Beweis stellte. An seiner Seite verteidigt Liassine Cadamuro vom RCD Mallorca. Links hinten spielt Faouzi Ghoulam, der Senkrechtstarter vom SSC Neapel. Und auf der rechten Abwehrseite läuft mit Aissa Mandi ein großes Talent von Stade Reims auf. Schwachstelle ist die Torhüter-Position, auf der mit Mohamed Zemmamouche ein Keeper aus der algerischen Liga spielt, der nicht immer den sichersten Eindruck hinterlässt.

Hinter Belgien und Russland geht Algerien als Außenseiter ins Rennen der Gruppe H. Doch dem Team von Trainerfuchs Vahid Halilhodzic wäre die Überraschung des Achtelfinal-Einzugs zuzutrauen. In der K.o.-Phase sollte für Algerien aber dann spätestens Schluss sein.

Quelle: ntv.de

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