Dopingbericht-Autor kritisiert IOC 271 Russen dürfen bei Olympia antreten
04.08.2016, 20:58 Uhr
Alexander Schukow (2.v.l.) ist guter Dinge.
(Foto: dpa)
Russland geht bei den Olympischen Spielen in Rio mit 271 Athleten an den Start. Trotz massiver Dopingvorwürfe hat das IOC auf einen Ausschluss aller Russen verzichtet. Der Enthüller des Staatsdopings macht dem Komitee Vorwürfe - und kündigt neue Befunde an.
Die Smartphones standen nicht mehr still, in den Büros wälzten Richter, Kommissäre sowie Funktionäre unter Zeitdruck die Akten - und am Ende durfte Präsident Wladimir Putin aufatmen. Einen Tag vor dem Beginn der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro sorgte der Tauglichkeitscheck für russische Sportler beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) für hektische Betriebsamkeit. Nach der weltweiten Kritik über ein vermutliches Staatsdoping-System in Russland dürfte im fernen Moskau aber Zufriedenheit eingekehrt sein: Ein immer noch stattliches Team von 271 russischen Athleten wird in den kommenden 16 Tagen um olympische Medaillen kämpfen. Vor vier Jahren gingen für Russland 443 Sportler an den Start.
Athleten in den Disziplinen Boxen, Judo, Schießen, Tennis, Handball und Volleyball erhielten als erste die Starterlaubnis. Auch die beiden Wackelkandidaten im Schwimmen, Wladimir Morosow und Nikita Lobinzew, wurden von der unabhängigen IOC-Kommission um Athletensprecherin Claudia Bokel durchgewinkt.

Ursprünglich war eine Komplettsperre aller russischen Athleten im Gespräch - das IOC lehnte ab.
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Ex-Fechterin Bokel sowie ihre Mitstreiter Ugur Erdener (Türkei) als Chef der medizinischen Kommission und Juan Antonio Samaranch jr. (Spanien) hatten eine wahre Herkulesarbeit zu bewältigen, mussten sie doch vor Olympia bei allen russischen Athleten eine Einzelfallprüfung durchführen. Bei den kniffligen Fällen waren die CAS-Richter gefragt. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hatte dem russischen Olympia-Team den Ärger durch den hochbrisanten McLaren-Report eingebrockt und sogar einen Komplett-Ausschluss gefordert, was das IOC aber ablehnte.
McLaren kündigt weitere Beweise an
Der Autor des Reports, der Doping-Ermittler Richard McLaren, kritisierte das Vorgehen und warf dem IOC eine Verfälschung der Ergebnisse seines Berichts über organisierten Sportbetrug vor. "Die Leute haben missverstanden, was in dem Report war, besonders das IOC und die internationalen Verbände", sagte er der Zeitung "Guardian". Sein Bericht habe nicht zum Ziel gehabt, die Dopingvergehen einzelner Athleten nachzuweisen. Erst am Dienstag hatte das IOC den Verbänden plötzlich empfohlen, nur solche Athleten zu sperren, die explizit in dem Bericht genannt werden.
"Dafür hatte ich überhaupt keine Zeit. In dem Bericht ging es um staatlich unterstütztes Doping, die Manipulation von Resultaten, den Austausch von Proben und Pläne zur Vertuschung vor London 2012", sagte McLaren. Er habe keine Anschuldigen veröffentlicht, er habe Beweise: "Die habe ich gesichert, ich habe sie niemandem übergeben. Ich muss eine laufende Untersuchung abschließen." Seine ergänzenden Befunde wolle er bis Ende September offenlegen. Diese seien auch juristisch verwertbar.
Wladimir Putin hat beste Kontakte
Der wohl brisanteste Fall im Prüfmarathon war der der Schwimmerin Julia Jefimowa. Die Russin ist als frühere Dopingsünderin für Rio gesperrt. Diese Maßnahme hatte das IOC für alle vorbelasteten russischen Sportler beschlossen und damit entgegen des Reglements entschieden. Jefimowa hatte sich damit aber nicht abgefunden und den CAS angerufen. Schließlich hatte der Sportgerichtshof schon 2011 die Osaka-Regel gekippt, wonach Sportler nach einem Dopingvergehen an den folgenden Spielen nicht teilnehmen durften. Wie schwer sich die Juristen taten, zeigte, dass ein Urteil in dem Fall immer wieder verschoben wurde.
Einfacher war es da in anderen Sportarten. Dass alle elf russischen Judoka teilnehmen werden, dürfte Putin besonders freuen. Schon der Judo-Weltverband (IJF) hatte den Athleten grünes Licht gegeben, was nicht wirklich überraschte. IJF-Präsident Marius Vizer unterhält beste Kontakte zum russischen Staatschef, der früher selbst auf der Matte stand und Ehrenpräsident des Weltverbandes ist.
In weiser Voraussicht hatte die russische Mannschaft bereits vor den finalen Entscheidungen die russische Fahne im olympischen Dorf aufgezogen. "Die Stimmung ist gut. Wir hoffen, dass es nicht das letzte Mal war, dass die russische Fahne bei Olympia gehisst wird", scherzte Alexander Schukow, der Präsident des Russischen Olympischen Komitees (ROC).
Quelle: ntv.de, rpe/dpa/sid