Unfassbare Goldlauf-Dominanz Bolt bremst seine Konkurrenten
15.08.2016, 15:55 Uhr
Usain Bolt rennt - die Konkurrenz erlahmt.
(Foto: imago/Belga)
Usain Bolt gewinnt olympisches Gold. Das klingt fürchterlich banal, in etwa so wie: der FC Bayern ist Deutscher Fußballmeister. Für die Konkurrenz ist das eine fatale Nachricht, denn egal was Bolt macht, sie findet keine Antwort auf den Jamaikaner.
In der Leichtathletik gibt es keinen Gary Lineker. Keinen Typen wie den ehemaligen englischen Fußball-Nationalspieler und aktuell gehypte Twitter-Koryphäe, der mit seiner simplen, aber intelligenten Logik Gesetze schafft. Eingeschliffene Realitäten zwischen Laufbahn und Wurfring bleiben deshalb unausgesprochen. Dabei wird es dringend Zeit, das Gesetz der Bolt'schen Serie in rhetorisches Blei zu gießen. Der Inhalt, ganz einfach, fürchterlich banal sozusagen, angelehnt eben an eine alte Lineker-Weisheit: "100 Meter ist ein ganz einfaches Rennen: Acht Läufer sprinten los und nach etwas mehr als neun Sekunden gewinnt Usain Bolt." Zumindest bei Olympischen Spielen ist das so. Wann immer der 29-Jährige antritt oder angetreten ist, um sich das wertvollste Edelmetall der Ringe-Wettkämpfe umhängen zu lassen, bekommt die Konkurrenz verdammt schwere Beine. Egal wie locker sie zuvor durch das Jahr getrabt war. Ganz anders als der Dominator von der Reggae-Insel.
Bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich, vor ein paar Wochen erst abgepfiffen, feierte die "Süddeutsche Zeitung" den deutschen Kapitän Bastian Schweinsteiger nach seinem Tor im Auftaktspiel gegen die Ukraine als Mann, der eine ganz besondere Spezialdisziplin herausgebildet habe: Spielentscheider auf der großen Bühne. Im Verlauf des Turniers hielt die Adelssprechung den Leistungen des 32-Jährigen zwar nicht mehr stand, dafür lässt sich die Herausbildung einer exklusiven Titeltriumph-Qualität nun prima an Usain Bolt weiterreichen. Wann immer der 29-Jährige im Fokus der Weltöffentlichkeit steht, läuft sein zunehmend anfälliger werdender und immer häufiger stotternder Motor auf Hochtouren. Es ist ein begeisternder Vorführeffekt gegen den körperlichen Verschleiß. Ein positiver, na klar, aber auch einer, der sehr kritisch begleitet wird.
Zwar ist bei Bolt ebenso offensichtlich, dass das fortschreitende Alter einher geht mit einem Leistungsverfall. Für die totale Dominanz reicht es dennoch locker aus. Wenn er sich trotz eines völlig verpennten Starts – kaum einer seiner Mitläufer im Rio-Showdown kam schlechter aus den Blöcken als der 1,95-Meter-Hüne – noch vor dem Goldschritt über die Ziellinie zur Feier der eigenen Klasse vehement auf die Brust schlagen kann, ist das nicht wenig beeindruckend. Wen interessiert da noch die Zeit? Nun, vielleicht all jene, die noch der Wunschvorstellung nachhängen, Bolt könnte irgendwann die 100 Meter unter neuneinhalb Sekunden laufen und damit eine als unerreichbar erscheinende Grenze durchbrechen. Sein eigener Weltrekord liegt bei 9,58 Sekunden, aufgestellt bei der WM 2009 in Berlin.
Die Konkurrenz erlahmt an Bolts Seite
Noch einmal in diese Sphären hineinsprinten, das wird Bolt auf seiner selbst erklärten "schwächsten Strecke" aber nicht mehr. Seit Berlin sind seine Titelzeiten immer langsamer geworden - ebenso wie die seiner Konkurrenz. Und das ist die eigentlich erstaunliche Nachricht. Es scheint, als könne der Jamaikaner machen, was er wolle, seinen Endlaufgenossen schlottern so oder so die Beine. Bestes Beispiel ist Bolts ewiger Rivale Justin Gatlin. In diesem Jahr ist der Amerikaner eine Zeit von 9,80 gelaufen, in einem Lauf ohne Bolt an seiner Seite. Damit ist er 2016 nach wie vor der schnellste Mann. Aber was bringt's? In der Rio-Entscheidung ist er mit 9,88 Sekunden von seiner eigenen Marke meilenweit entfernt (immer am Sprint-Maßstab gemessen); dass es für Silber reicht, verdeutlicht das ganze Dilemma der Bolt-Jäger. Noch fürchterlicher trabten der Franzose Jimmy Vicaut (10,04) und Trayvon Bronmell (USA, 10,06) über die Bahn. Beide waren vor Olympia deutlich schneller als der erneute Goldmedaillengewinner.
So sehr der Jamaikaner für seine herausragenden Leistungen bewundert wird, so kritisch werden sie hinterfragt. Weil sie ebenso außergewöhnlich sind, weil in den vergangenen 30 Jahren fast alle Olympiasieger irgendwann des Dopings überführt wurden: Carl Lewis, Linford Christie, Maurice Greene oder Justin Gatlin (sogar zweimal). Und weil Bolt aus einem Land kommt, dass den Kampf gegen das Doping, wie es die "Zeit" so schön beschreibt, in etwa so ernst nimmt, wie den Kampf gegen das Marihuana. Bislang aber hält der Superstar jeder Anschuldigung stand. Es gibt keinen positiven Test und keine verpasste Probe. Anscheinend ist alles sauber - jedenfalls muss das für ihn gelten.
Bolt arbeitet also ungehindert an seinem Unsterblichkeitsstatus. Danach strebt er. Er will eine Legende werden, wie Muhammed Ali. Zwei Finalauftritte auf der Fünf-Ringe-Bühne in Rio gibt er sich noch Zeit, dann soll sein goldenes Werk vollbracht sein: neun Rennen, neun Siege bei drei Olympia-Teilnahmen. Er wäre der Größte (Sprinter). Es wäre Zeit für neue Weisheiten. Gary Lineker hat immerhin schonmal nach Rio geschaut. Hat er jedenfalls getwittert.
Quelle: ntv.de