Eiszeit im Olympia-Becken King verhindert Gold für umstrittene Jefimowa
09.08.2016, 09:37 Uhr
Lilly King verhinderte den Sieg der in Rio so umstrittenen Julia Jefimowa.
(Foto: AP)
Julia Jefimowa schwimmt knapp am Olympiasieg vorbei. Dennoch ist die Russin überglücklich. Ganz anders als ihre Konkurrentinnen und die Fans im Aquatics Centre. Das liegt an der unsauberen Vergangenheit der 24-Jährigen.
Um kurz vor Mitternacht brasilianischer Zeit wurde es noch einmal laut im schon weitgehend leeren Aquatics Centre. Geschwommen wurde nicht mehr, gejubelt trotzdem. Als letzte Amtshandlung des dritten Wettkampftages stand die Siegerehrung für die 100 Meter Brust der Frauen an und weil zu den zu Ehrenden neben den US-Amerikanerinnen Lilly King und Katie Mellie auch Julia Jefimowa gehörte, hieß das: Gepfiffen wurde auch.
Die 24-jährige Jefimowa zählt zu den umstrittensten Teilnehmerinnen der Spiele in Rio, an den ersten Wettkampftagen war sie die Unperson schlechthin im Olympiabecken. Ihre Auftritte begleiteten Pfiffe und Buhrufe, schon bevor ihr am Montagabend die Silbermedaille überreicht wurde. Viele Fans und Experten sind der Meinung, dass sie als Russin in Rio gar nicht starten sollte. Alle Russen wurden im 15.000 Zuschauer fassenden Aquatics Centre unfreundlich empfangen.
Doch bei Jefimowa war es noch viel mehr, es war bisweilen offene Feindseligkeit – von den Zuschauern, aber auch von ihren Konkurrentinnen. Nach den Halbfinals hatte Shootingstar King die Russin als "Doperin" bezeichnet und erklärt: "Ich bin kein Fan." Nach ihrem Finalsieg über ihre russische Rivalin sagte King, sie stehe zu ihren Worten: "Ich habe im Grund gesagt, was alle denken. Sie waren froh, dass ich den Mumm hatte, es auszusprechen und ich weiß die Unterstützung zu schätzen."
Gleich zweimal überführt
Dass Jefimowa besonders große Zweifel begleiten, hat Gründe. Sie ist nicht nur mit der Last des Generalverdachts gegen Russland nach Rio gereist. Sie hat auch ihre ganz persönliche Dopinggeschichte im Gepäck und die steht auch exemplarisch für all das, was abseits von systematischem Staatsdoping schiefläuft im Welt-Schwimmverband Fina.
Der drückt in Dopingfragen bei Stars gern mal ein Auge zu. Bei Jefimowa waren es im Oktober 2013 sogar anderthalb. Damals wurde die Russin positiv auf Dehydroepiandrosteron (DHEA) getestet, ein anaboles Steroid. Positiver Dopingtest gleich Zweijahressperre, so sieht es das Regelwerk der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) vor. Die Fina sperrte Jefimowa nur 16 Monate - mildernde Umstände wegen unabsichtlichen Dopings. Bei der Schwimm-WM im Juni 2015 durfte Jefimowa schon wieder starten. Die Titelkämpfe fanden, der Zufall wollte es so, im russischen Kasan statt. Jefimowa holte vor ihren begeisterten Landsleuten den Titel über 100 Meter Brust und Silber über die halbe Distanz. Es war ein russisches Märchen.
Über ihre Dopingsperre sagte Jefimowa während der WM einem TV-Sender, sie vergleiche das immer mit Autofahren. "Wenn Sie einen Führerschein haben, fahren Sie irgendwann auch mal zu schnell, dann bekommen Sie einen Strafzettel." Im März 2016 stand Jefimowa, um im Bild zu bleiben, vor einem lebenslangen Fahrverbot. Sie war mehrfach positiv auf das seit Jahresbeginn verbotene Meldonium getestet worden, die Fina suspendierte sie – und hob die Sperre später wieder auf, weil unklar ist, wie schnell Meldonium vom Körper abgebaut wird.
Nach dem Hickhack um die IOC-Entscheidung zu Russland erhielt sie erst am Samstag die Starterlaubnis für Rio, zwei Tage später gewann sie dort nun Silber hinter King. Nach dem Rennen weinte Jefimowa in der Mixed Zone in den Armen ihres Managers. Später, auf der Pressekonferenz sagte sie: "Im Moment bin ich sehr glücklich nach allem, was passiert ist." Zu ihren beiden positiven Dopingtests erklärte sie: Der erste sei ein Versehen gewesen, im zweiten Fall sei sie unschuldig, sie habe Meldonium 2015 abgesetzt.
Phelps hat kein Verständnis
US-Superstar Michael Phelps sieht das offenbar anders. Er erklärte nach seinem Halbfinale über 200 Meter Schmetterling in Rio, es sei traurig, dass Leute mit zwei positiven Dopingtests bei den Spielen mitschwimmen dürften: "Es bricht mir das Herz und ich wünschte, jemand würde etwas dagegen tun." Es war eine klare Spitze gegen Jefimowa, die auf das Pfeifkonzert bei ihrem Einmarsch zum Finale mit einem kurzen Winken und einem süffisanten Lächeln reagiert hatte. Bei der Siegerehrung wurden Pfiffe und Buhs rasch von der Musik übertönt.
Im Finale war Jefimowa auf Bahn fünf geschwommen, direkt neben King. Lange lagen die Favoritinnen gleichauf, auch ein Sieg von Jefimowa schien möglich, in die Anfeuerungsrufe mischten sich bereits Pfiffe. Am Ende gewann King deutlich und feierte ihren Sieg im Becken demonstrativ mit Landsfrau Katie Melli, die hinter Jefimowa Dritte wurde. Die Eiszeit setzte sich auch bei der Siegerehrung und auf der folgenden, äußerst langen Ehrenrunde im Aquatics Centre fest, die die drei Athletinnen gemeinsam bestreiten musste.
Allerdings galt in Rio: Eiszeit ja, kalter Krieg, von dem einige Medien bereits schrieben, nein. Denn King begrenzte ihre deutliche Dopingkritik in Rio nicht auf ihre russische Rivalin. Auf die Frage, ob US-Sprintstar Justin Gatlin angesichts eines früheren positiven Dopingtests zum US-amerikanischen Olympiateam gehören sollte, antwortete die 19-Jährige: "Denke ich, dass jemand der des Dopings überführt wurde, im Team sein sollte? Nein, das denke ich nicht."
Quelle: ntv.de