Gomez trifft gegen Holland doppelt DFB-Elf siegt souverän - fast

Stürmerjob erledigt: Mario Gomez (l.).

Stürmerjob erledigt: Mario Gomez (l.).

(Foto: AP)

In Charkow agiert die deutsche Nationalelf zunächst abwartend, die Niederlande übernimmt die Initiative. Doch dann sorgt ein Bayern-Duo für den Doppelschlag: Zweimal passt Bastian Schweinsteiger auf Mario Gomez, der zweimal trifft. Als Holland in Durchgang zwei das Anschlusstor erzielt, geht die Souveränität der DFB-Elf ein wenig verloren - nicht aber ihre Führung.

Plötzlich stand die ganze deutsche Bank. Der feierliche Moment, als aus dem Siegtorschützen gegen Portugal der Traumtorschütze gegen die Niederlande wurde, durfte nicht im Sitzen begangen werden. Nach Pass von Sorgenkind Bastian Schweinsteiger hatte sich der von Mehmet Scholl zum Sorgenstürmer erklärte Mario Gomez im holländischen Strafraum aller Sorgen entledigt, mit Fußballballett: leichtfüßige Ballannahme, halbe Drehung, zwei Trippelschritte, virtuoser Abschluss, 1:0. Das war in der 24. Minute.

Als Gomez sich in der 38. Minute mit an die Spitze der EM-Torjägerliste setzte, stand auch Hollands Bank. Bondscoach Bert van Marwijk schickte seine Ersatzspieler zum Warmmachen, um im Glutofen von Charkow noch zu retten, was nicht mehr zu retten war. Der Anschlusstreffer gelang letztlich auch keinem Joker, sondern Robin van Persie, und das auch erst in der 73. Minute. Danach wackelte der Vize-Europameister gegen den Vize-Weltmeister zwar kurzzeitig mächtig, aber das DFB-Team brachte den knappen Vorsprung wie gegen Portugal erneut über die Zeit.

Phasenweise vorgeführt

Die deutsche Ausgangslage ist vor dem Gruppenfinale am Sonntag nun so komfortabel wie lange nicht mehr: Erzrivale und Mitfavorit Holland steht nach zwei Niederlagen vor dem EM-Aus, Deutschland nach einer phasenweise begeisternden Demonstration Löw'scher Spielstärke schon so gut wie im Viertelfinale. Für minimale Fragezeichen hatten zuvor Dänen und Portugiesen gesorgt, die sich in einem Duell mit eigenwilliger Dramaturgie 2:3 (1:2) trennten. Durch dieses Ergebnis stand schon vor dem EM-Klassiker fest, dass in den Finals noch jede Mannschaft in Gruppe B die Chance haben würde, das EM-Turnier am Sonntag zu beenden.

Die schlechtesten Chancen auf einen frühen K.o. hat ganz entgegen der jüngeren deutschen Turniertradition das DFB-Team. Zweimal hat Joachim Löw die Nationalelf vor der EM 2012 schon in großen Turnieren betreut, zweimal hat er das Eröffnungsspiel gewonnen, zweimal anschließend weiter auf seine Siegerelf vertraut – und verloren.

Wer die Tage seit Samstag nicht im Sommerschlaf verbracht hat, dem wird nicht entgangen sein, dass Deutschland auch in die aktuelle EM mit einem Sieg gestartet ist. Gegen die Niederländer beließ es Löw dennoch bei Aufstellungskoketterie, er verzichtete auf Umstellungen und schenkte den Portugal-Bezwingern das Vertrauen. Sie enttäuschten ihn nicht.

Der Ball muss laufen

Vor der erwarteten "Hitzeschlacht" war die "Süddeutsche Zeitung" noch einmal so freundlich gewesen, an eine Fußballweisheit von Roberto Baggio zu erinnern. "Lasst den Ball laufen, der schwitzt nicht", hatte die italienische Diva seinen Teamkollegen einst geraten. Es ist nicht bekannt, wie verbreitet die Zeitungslektüre im deutschen Team abseits der "Bild"-Zeitung ist. Aber der Ball lief im drückend heißen Metalist-Stadion, er lief richtig gut durch die deutschen Reihen.

Gegen die disziplinierten Portugiesen hatte sich Deutschland spielerisch noch viel Luft nach oben gelassen und an die Rumpelfußballer vergangener Zeiten erinnert. Gegen die Niederlande kehrte die Spielkultur ins deutsche Team zurück, obwohl der Gegner zunächst völlig unbeeindruckt von seiner prekären Ausgangslage agierte.

Frustriert: Die Holländer nach dem Spiel.

Frustriert: Die Holländer nach dem Spiel.

(Foto: dpa)

Die Niederländer spielten nicht wie paralysiert vom drohenden K.o., sondern ansehnlich Richtung DFB-Tor – und Deutschland spielte mit. Zwischendurch ging es dem Zuschauer wie beim Tennis, so rasant war der Ballvortrag beider Mannschaften.  Chance für Robin van Persie (7.), von Manuel Neuer souverän gehalten. Chance für Mesut Özil (8.), pariert von Pfosten und Keeper Maarten Stekelenburg. Wieder van Persie (11.), vorbei, wieder Özil (13.), aufgelaufen.

Deutschland führt, Oranje konsterniert

Erst nach dem Gomez-Traumtor verschoben sich die Spielanteile Richtung holländisches Tor. Jetzt wirkten die Niederländer zunehmend paralysiert, während sie auf dem Rasen phasenweise vorgeführt und von den Rängen verhöhnt wurden. Nach Gomez' zweitem Treffer drohte Oranje sogar ein Debakel wie beim 0:3 im November, doch Keeper Stekelenburg verhinderte mit dem Pausenpfiff ein Eigentor und damit die frühe Vorentscheidung.

Während Löw in der Pause erneut auf Wechsel verzichtete, stellte van Marwijk um. Im defensiven Mittelfeld musste Mark van Bommel für Rafael van der Vaart weichen, im Angriff Ibrahim Afellay für Klaas-Jan Huntelaar. Holland agierte nun mit zwei Spielmachern und zwei echten Stürmern, doch die besseren Chancen hatte weiter das deutsche Team. In der 52. Minute verpasste der erneut starke Mats Hummels nach einem Alleingang an die holländische Strafraumgrenze per Flachschuss nur knapp das 3:0, zwischendurch vergaß der erneut wirkungslose Lukas Podolski (56.) bei einer guten Schussgelegenheit zu schießen.

Van Persie sorgt für Spannung

Danach nahm die deutsche Mannschaft Tempo und Elan aus ihrem Angriffsspiel und in der 72. Minute auch Doppeltorschütze Gomez, für den Miroslav Klose kam. Prompt fiel der nächste Treffer, aber diesmal für die Niederländer. Van Persie setzte sich im Sprintduell gegen Hummels durch, tunnelte Holger Badstuber und bescherte Manuel Neuer sein erstes Turniergegentor.

Die Niederländer zogen nun kurzzeitig ein offensives Powerplay auf, das aber eher durch Wut und Wucht als Durchdachtheit bestach. Das DFB-Team beschränkte sich darauf, die Führung zu verwalten und tat das souveräner als noch gegen Portugal. Ein Schlag des Schalkers Klaas-Jan Huntelaar in den Nacken des deutlich formverbesserten Mittelfeldchefs Schweinsteiger blieb bis zum Schlusspfiff der einzige weitere Oranje-Treffer. Es könnte gut sein, dass von Hollands EM-Abenteuer vor allem diese Szene in Erinnerung bleibt.

Quelle: ntv.de

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