Das beste Spiel Deutschlands Gamer eilen zur Gala
29.04.2010, 18:00 UhrDas digitale Zeitalter beschert der deutschen Wirtschaft eine quicklebendige Wachstumsbranche: Die elektronische Unterhaltung weckt große Hoffnungen - bei Politikern, Investoren und Vermarktern. Zum Abschluss der Gamestage 2010 vergibt die Branche hochdotierte Preise, unter anderem für das beste Spiel des Jahres.

Anerkanntes Kulturgut: Games geben Medien, Arbeitsmarkt und Gesellschaft ein neues Gesicht.
(Foto: Games Academy)
Begeisterte Kunden, hoch emotionale Produkte, Umsätze in dreistelliger Millionenhöhe und weltumspannende Absatzmärkte: In der Spieleindustrie ist vieles selbstverständlich, wovon Investoren in anderen Branchen nur träumen können. Was früher in schummrigen Kinderzimmern über klobige Monitore flimmerte, ist mittlerweile ein Massenphänomen. Die Gamesbranche erobert mit Smartphone-Apps Straßen und Hosentaschen. Spiele für soziale Netzwerke elektrisieren die Vermarkter. Die aufkommende 3D-Technologie entzückt Kultur-Visionäre ebenso wie die Hersteller von Bildschirmen und anderer Hardware.
Unbeobachtet von der Öffentlichkeit hat sich in den vergangenen Jahren in unscheinbaren Hinterhofbüros ein spektakulärer Wandel vollzogen: Die Welt der Unterhaltung verändert sich rasant. Klassische Medien wie Kino, Musik, Printmedien oder Fernsehen verlieren immer mehr Marktanteile an die interaktive Unterhaltungssoftware. Weltweit setzt die Branche je nach Schätzung zwischen 30 und 57 Mrd. US-Dollar um. In Deutschland beziffern die Verbände den Umsatz im Jahr 2008 auf gut 1,7 Mrd. Euro. In jedem Fall bringen Games hierzulande mehr als das Doppelte von dem ein, was in der Kinokasse hängen bleibt.
Ihr neues Selbstbewusstsein feiert die Branche nun mit einer betont feierlichen Gala im Rahmen der Deutschen Gamestage 2010. Dort kürt eine hochkarätig besetzte Jury aus Wissenschaftlern, Unternehmern, Politikern, Journalisten und Jugendschützern die Highlights des Jahres. Juroren wie Stefan Aufenanger, Professor für Medienpädagogik und Erziehungswissenschaft an der Universität Mainz, oder Linda Breitlauch, Dramaturgin und Professorin für Gamedesign an der Mediadesign Hochschule, wählen mit ihren Kollegen in neun Kategorien unter 24 nominierten Spielen aus. Insgesamt verteilen sie Preisgelder in Höhe von einer halben Million Euro.
Das Spiel wird mobil
Kategorien wie "Bestes Kinderspiel", "Bestes Browsergame" oder "Bestes Mobiles Spiel" spiegeln dabei die Dynamik der Branche wieder: Denn die Kunden sitzen nicht mehr nur vor dem PC oder den Konsolen bekannter Hersteller wie Nintento, Sony oder Microsoft. Browsergames und Smartphone-Applikationen eröffnen für Entwickler neue, sich rasch ausdehnende Spielwiesen. Die neuen Tablet-Geräte wie zum Beispiel das iPad könnten für zusätzlichen Schwung sorgen.
Dazu kommen die online-basierten Spiele für soziale Netzwerke wie StudiVZ, Facebook und Co. "Social Gaming" lautete dann auch eines der heiß diskutierten Schlagworte auf der parallel stattfindenden Entwicklerkonferenz "Quo Vadis". Für Kulturwissenschaftler, Mediziner und Pädagogen standen dagegen die Serious Games und andere Edutainment-Anwendungen ganz oben auf dem Programm. Denn die Technik, die in Spielen nur der Unterhaltung dient, lässt sich hervorragend in der Wissensvermittlung, dem schulischen Lernen oder der Gesundheitsaufklärung einsetzen.
Ein Schüler mischt mit
Höhepunkt der diesjährigen Gamestage dürfte jedoch die Verleihung in der Kategorie "Bestes Deutsches Spiel" werden. Zur Wahl stehen die Gewinner der neun übrigen Kategorien - und damit auch Frederic Schimmelpfennig von der Nikolaus-August-Otto-Schule in Bad Schwalbach, der mit seinem Spiel Goosegogs in der Kategorie "Bestes Konzept aus einem Schülerwettbewerb" teilnimmt.
Nicht nur für ihn steht einiges auf dem Spiel: Immerhin gilt der Deutsche Computerspielpreis als die höchste Auszeichnung interaktiver Unterhaltungsmedien in Deutschland. Die Idee geht zurück auf eine gemeinsame Initiative aus Politik und Wirtschaft. Ausrichter des Deutschen Computerspielpreises sind die Branchenverbände G.A.M.E. (Bundesverband der Entwickler von Computerspielen e.V.), BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V.) und BIU (Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V.) gemeinsam mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Brodelnde Duz-Konferenz
Gut möglich, dass am Ende des Abends nach Kulturstaatsminister Bernd Neumann auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit einem 17-jährigen Schüler zum Spiel des Jahres gratulieren. Das wäre dann ein schönes Beispiel dafür, wie stark die Branche in Bewegung ist, welche Karrieren möglich sind und welcher Geist insgesamt über Gamestagen und Quo Vadis schwebt.
Alles scheint möglich, so lange es nur Spaß macht und sich vermarkten lässt. Am Veranstaltungsort, dem Berliner Congress Center (bcc) direkt neben dem Alexanderplatz, zeigt sich das deutlich an den Teilnehmern: Zwischen den Vorträgen sind Entwickler-Legenden, Oscar-Preisträger aus der Filmbranche, Spielefans, Technik-Freaks und Marketingprofis kaum voneinander zu unterscheiden. Alle duzen sich, kaum jemand trägt Krawatte. Die Redner wechseln übergangslos zwischen deutsch, englisch und fachchinesisch.
Ende der Goldgräberstimmung
Die entspannte Stimmung kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in der jungen Spielbranche die erste Euphoriewelle bereits vorbeigezogen ist. Nach den sensationellen Verkaufserfolgen aus dem Jahr 2008 kam die Wirtschaftskrise mit etwas Verspätung bei den Entwicklern an.

Reden über Spiele und die wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Folgen: Teilnehmer der Gamestage.
(Foto: Medienboard / Büschleb)
Und das mit allen bekannten Folgen: Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten, kalte Schultern bei den Geldgebern, Entlassungen, Pleiten. Im vergangenen Jahr kam die Unterhaltungssoftware in Deutschland dem Branchenverband BIU zufolge allerdings immer noch auf einen Umsatz in Höhe von 1,53 Mrd. Euro.
Dass in der Medienwirtschaft und den kreativen Industrie tausende neue Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, haben nicht nur Politiker in Deutschland längst erkannt. Als internationaler Vorreiter in Sachen Games-Förderung gilt Kanada.
Spielend neue Arbeitsplätze
Steuererleichterungen und -vergünstigungen haben in Vancouver und Montreal weltweit anerkannten Hochburgen der Spieleindustrie entstehen lassen: Hier sind einige der bekanntesten Unternehmen mit Niederlassungen vertreten wie beispielsweise Activision, Disney, Electronic Arts (EA), Eidos, Koei, Microsoft Games, THQ und Ubisoft. Vorbild der Förderung sind hier wie dort die kulturellen und wirtschaftspolitischen Überlegungen zur Bedeutung der Filmbranche.
Als wichtigster Vorteil gilt dabei eine enge Verzahnung zwischen Universitäten, Arbeitsmarkt und Entwicklerzentren in Ballungsräumen. Auf dem europäischen Kontinent hat die öffentlich-rechtliche IFA (Invest in France Agency) in Frankreich die Unterstützung der Games-Industrie zu einer Priorität der Regierung erhoben. Games-Hersteller können sich um Steuervorteile und die Unterstützung der Prototypenentwicklung durch einen Fonds F.A.E.M. ("Fond d’Aide à l’Édition Multimédia") bewerben. Die Briten denken angeblich über vergleichbare Maßnahmen nach.
In Deutschland bemühen sich die klassischen Medienstandorte München, Hamburg, Frankfurt und Berlin um die Ansiedlung von Unternehmen aus der elektronischen Werbund und Unterhaltung. Bildungseinrichtungen wie die Games Academy oder die Mediadesign Hochschule für Design und Informatik kommen mit der Ausbildung von Spezialisten kaum nach.
Den Computerspielpreis, der in diesem Jahr erst zum zweiten Mal verliehen wird, sehen die Veranstalter dann auch zusammen mit Gamestagen und Entwicklerkonferenz als Teil der Bemühungen, den "Gamesstandort Deutschland" zu fördern und die Diskussion um ökonomische, inhaltliche und kulturelle Aspekte der digitalen Unterhaltung anzuregen.
Quelle: ntv.de