Technik

"Historische Speicherknappheit"PC- und Smartphone-Preise könnten explodieren

08.12.2025, 17:34 Uhr Icke-im-WaldVon Klaus Wedekind
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Arbeitsspeicher für PCs und andere Geräte ist derzeit extrem knapp. (Foto: IMAGO/Zoonar)

PCs, Smartphones, Spielkonsolen und andere Geräte könnten in den kommenden Monaten deutlich teurer werden. Das liegt an einer zunehmenden Knappheit von Arbeitsspeicher-Modulen, die einen ganz speziellen Grund hat.

Am 3. Dezember hat Micron angekündigt, ab Februar 2026 keinen Arbeitsspeicher (RAM) der Marke Crucial mehr zu vertreiben, "einschließlich des Verkaufs von Verbrauchermarkenprodukten an wichtige Einzelhändler, Online-Händler und Distributoren weltweit." Das wird sich voraussichtlich schon bald in steigenden Preisen von Computern aller Art auswirken, einschließlich Smartphones. Denn Crucial war 2024 laut Statista mit knapp 26 Prozent Marktanteil der drittgrößte RAM-Hersteller weltweit.

Zwei Hersteller bestimmen Angebot

Damit teilen sich jetzt den Markt für Arbeitsspeicher für Laptops, Desktop-Computer, Smartphones, Spielkonsolen et cetera praktisch zwei Hersteller untereinander auf: SK Hynix und Samsung, die bisher jeweils einen Marktanteil von rund 33 Prozent haben. Sie alleine bestimmen jetzt das Angebot, das eine in den vergangenen Jahren enorm gestiegene Nachfrage befriedigen soll. Und die Hersteller konnten schon in den vergangenen Monaten nicht ausreichend liefern, weswegen die Preise für Arbeitsspeicher rasant nach oben geschossen sind.

Nachdem der Umsatz Anfang 2023 nach dem Pandemie-Boom vorübergehend unter 10 Milliarden US-Dollar gefallen war, stieg er bis heute auf über 41 Milliarden US-Dollar an. Dem Marktforschungsunternehmen TrendForce zufolge waren die Vertragspreise im dritten Quartal 2025 um knapp 172 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Im gleichen Zeitraum ist der Markt laut den Marktforschern von Counterpoint um 35 Prozent gewachsen.

"Historische Speicherknappheit"

Dem Branchenmagazin "Digitimes" zufolge herrschte durch die enorm gestiegene Nachfrage bereits im Oktober "eine historische Speicherknappheit". Hersteller, die Chips der großen Hersteller aufkaufen und weiterverkaufen, hatten praktisch keine Vorräte mehr, weswegen die Branche schon vor zwei Monaten mit weiter stark steigenden Preisen im kommenden Jahr gerechnet hatte.

Samsung Electronics und SK Hynix hatten "Digitimes" zufolge zu diesem Zeitpunkt ihre Kapazitäten bereits planmäßig um 15 bis 30 Prozent ausgebaut. Nach Informationen von Reuters hat Samsung kürzlich zwar schon den Bau einer neuen Produktionslinie angekündigt. Aber "selbst bei beschleunigtem Ausbau der Kapazitäten und der Inbetriebnahme neuer Anlagen dauert es mindestens zweieinhalb Jahre von der Bauphase bis zur Produktionsaufnahme, sodass die kurzfristige Angebotsknappheit anhalten wird", so "Digitimes".

Preise seit September nahezu verdoppelt

Ein Preisvergleich von "Computerbase" hat ergeben, dass sich von Mitte September bis Mitte November RAM um 91,15 Prozent verteuert hat. Man muss kein Branchenspezialist sein, um sich vorstellen zu können, welche Auswirkungen der Rückzug von Micron in dieser Situation haben wird. Counterpoint erwartete schon vor dessen Ausstieg für das vierte Quartal 2025 einen 30-prozentigen Preisanstieg "und möglicherweise Anfang nächsten Jahres um weitere 20".

Der Grund für diese Entwicklung liegt hauptsächlich im rasanten Aufstieg von Künstlicher Intelligenz, der einen geradezu aberwitzigen Auf- und Ausbau von Rechenzentren erfordert. Und die Cloud-Service-Provider (CSPs) sind bereit, fast jeden Preis zu bezahlen. "Viele der größten Serverhersteller und Rechenzentrumsbetreiber akzeptieren mittlerweile, dass sie bei Weitem nicht genügend Produkte erhalten werden", zitiert Reuters Tobey Gonnerman, Präsident des Halbleitervertriebs Fusion Worldwide. "Die gezahlten Preisaufschläge sind extrem."

KI hat oberste Priorität

Laut "Digitimes" genießen die CSPs deshalb bereits oberste Priorität bei den RAM-Herstellern. Es folgen Allzweckserver, PC-Hersteller und Smartphone-Produzenten. Der Rest muss sich um die RAM-Krumen schlagen.

Dabei gilt grundsätzlich, zwischen zwei Typen von Arbeitsspeicher zu unterscheiden. In herkömmlichen Computern kommt DRAM zum Einsatz. Er besteht aus flachen Chips und ist günstig, aber nicht extrem schnell. CSPs verwenden überwiegend HBM-Speicher. Bei ihm werden mehrere Chips übereinander gestapelt, wodurch Daten deutlich schneller übertragen werden. Allerdings ist diese Technik wesentlich teurer und aufwendiger herzustellen, weswegen KI-Rechenzentren ergänzend auch DRAM einsetzen.

Counterpoint zufolge wuchs der globale HBM-Markt im zweiten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahr um 178 Prozent. Und zusätzlich zur enormen Nachfrage sind auch die Gewinnmargen bei HBM wesentlich höher als bei DRAM. Micron hat sich deshalb entschieden, seine Produktion komplett umzustellen.

"Das KI-getriebene Wachstum in Rechenzentren hat zu einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach Speicherlösungen geführt. Micron hat daher die schwierige Entscheidung getroffen, das Endkundengeschäft von Crucial aufzugeben, um die Versorgung und den Support für unsere größeren, strategischen Kunden in wachstumsstärkeren Segmenten zu verbessern", sagt Sumit Sadana, EVP und Chief Business Officer des Unternehmens.

Weitere Preistreiber

Zusätzlich zur extrem hohen CSP-Nachfrage verschärft die Umstellung bei DRAM von DDR4 auf den moderneren Standard DDR5 die DRAM-Knappheit. "Digitimes erwartet einen dadurch ausgelösten Dominoeffekt. Denn durch die Umbauten kann vorübergehend weniger produziert werden, und die Herstellung von DDR5-Speicher ist anspruchsvoller, weswegen ebenfalls für eine Übergangszeit mit einer geringeren Menge gerechnet werden muss.

Möglicherweise führt zusätzlich das Support-Ende für Windows 10 zu einer noch etwas anhaltenden höheren Nachfrage der PC-Hersteller. Statista zufolge kletterte 2024 der weltweite Absatz im Jahresvergleich von rund 242 Millionen auf rund 245 Millionen Einheiten.

Die gestiegenen Preise werden Verbraucherinnen und Verbraucher über kurz oder länger beim Kauf von Geräten zu spüren bekommen. Wann es so weit ist, hängt vermutlich stark von den Lagerbeständen der Hersteller ab. Und dabei geht es nicht nur um DRAM, sondern ebenfalls um NAND-Flash-Speicher. Denn KI-Rechenzentren benötigen auch SSDs, unter anderem für das Betriebssystem der eingesetzten Geräte. Digitimes erwartet, dass die NAND-Flash-Engpässe bis in die erste Hälfte des Jahres 2026 anhalten werden.

Endkunden werden schließlich zur Kasse gebeten

Erste Geräte-Hersteller haben ihre Preise bereits angepasst oder angekündigt, dies zu tun. Xiaomi-Präsident Lu Weibing sagte laut "Republic World" kürzlich, der Kostendruck habe sich auf die Smartphones seines Unternehmens ausgewirkt. "Die steigenden Kosten für Speicherchips übertreffen unsere Erwartungen bei Weitem und könnten sich noch verschärfen."

CyberPowerPC, ein US-Hersteller von Gaming-PCs, teilte auf X mit, wegen der "um 500 Prozent" gestiegenen RAM-Preise und "100 Prozent" teureren SSDs seine Preise ab dem 7. Dezember anpassen zu müssen. "Ein System mit 1 TB SSD und 16 GB Arbeitsspeicher wird voraussichtlich 80 US-Dollar teurer, ein System mit 2 TB SSD und 32 GB Arbeitsspeicher 160 US-Dollar mehr", nannte CyberPowerPC einem Follower als Beispiele.

Nicht zu lange warten

Mächtige Hersteller mit längerfristigen Verträgen könnten ihre Preise noch ein paar Monate stabil halten, aber selbst ein Gigant wie Apple muss irgendwann neue Verträge aushandeln. Nutzerinnen und Nutzer, die sich mit dem Gedanken tragen, ein neues Gerät zu kaufen, tun daher wahrscheinlich gut daran, eher früher als später zuzuschlagen. Die Blase platzt vielleicht irgendwann, aber in den kommenden Monaten sorgt der KI-Boom höchstwahrscheinlich für steigende Preise bei nahezu allen Geräten, in denen Speicherchips stecken.

Quelle: ntv.de

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