Langsamer, aber wohl sicherer Ukraine erhält schwedische Starlink-Alternative Satcube


Satcube hat kein Problem mit dem militärischen Einsatz seiner Terminals.
(Foto: Satcube)
Die Ukraine versucht offenbar, unabhängiger von Elon Musks Starlink-System zu werden, denn das schwedische Unternehmen Satcube liefert jetzt tragbare Satelliten-Internetterminals an das Land. Sie können zivil eingesetzt werden, aber auch das Militär benötigt offenbar dringend Starlink-Ersatz.
Da die russischen Invasoren ukrainische Infrastruktur gezielt zerstört haben und sie weiter angreifen werden, ist die Ukraine unter anderem auf Satelliten-Internet angewiesen. Das gilt auch für das Militär des Landes, das die Technik nicht nur zur Kommunikation, sondern vor allem auch für die Kontrolle von Drohnen benötigt, die zur Aufklärung und Zielführung kriegsentscheidend sein können. Unter anderem retten sie Leben, indem sie Minenfelder aus der Luft identifizieren.
Aktuell nutzen die ukrainischen Streitkräfte praktisch ausschließlich das Satelliten-Internet von Elon Musks Unternehmen Starlink. Doch das System steht nicht nur wegen der Kapriolen des unberechenbaren Milliardärs auf wackeligen Füßen. Angeblich gelingt es den russischen Aggressoren zunehmend, die Starlink-Kommunikation zu stören. Dies könnte ein Grund sein, warum die Ukraine jetzt alternative Internetterminals der schwedischen Firma Satcube kauft.
Deutschland bezahlt
Die ersten Geräte habe man schon Anfang des Sommers geliefert, zitiert "Ukraine Today" Satcube-Chef Jakob Kallmer aus einem Interview mit "Dagens Nyheter". Die Terminals stünden auf einer Liste von Anforderungen der ukrainischen Regierung an die Unterstützer-Staaten, sagt er. Letztendlich sei es Deutschland, das die Satcube-Terminals bezahle und der Ukraine spendiere.
Es handelt sich nicht um die ersten schwedischen Satelliten-Terminals in der Ukraine. Sie werden dort bereits von mehreren internationalen Medien, dem Roten Kreuz und dem UNHCR eingesetzt. Laut Satcube nutzen auch die Regierungen der USA und Europas die Technik.
Militärischer Einsatz möglich und gebilligt
Insgesamt sollen in einem ersten Schritt rund 100 Terminals an die Ukraine geliefert werden. Laut "Ukraine Today" könnten sie in nicht besetzten Gebieten eingesetzt werden, in denen mobile und terrestrische Netze noch nicht wieder in Betrieb genommen wurden. Kallmer weist allerdings darauf hin, dass die Terminals auch militärische Verwendung finden können, was sein Unternehmen billige. "Das kann alles sein, von der Verbindung zu Feldlazaretten bis hin zur Aufrechterhaltung der Kommunikation vor Ort", erklärt er.
Satcube plant zwar auch, wie unter anderem Starlink und Amazon (Project Kuiper) Satelliten in erdnahen Umlaufbahnen einzusetzen. Aktuell nutzt das schwedische Unternehmen für seine Terminals aber geostationäre Satelliten des US-Unternehmens Intelsat.
Langsamer als Starlink
Da sich diese etwa in einer Höhe von 35.000 Kilometern befinden, hat das Satcube-System eine Signal-Verzögerung von bis zu einer Sekunde, während die Starlink-Satelliten weniger als 600 Kilometer entfernt die Erde umkreisen und eine entsprechend geringe Latenz aufweisen. Außerdem benötigen Verbindungen zu ihnen weniger Energie, wodurch Musks Terminals leichter und kompakter sein können.
Die Satcube-Terminals (Satcube Ku) sind trotzdem sehr mobil und unkompliziert einsetzbar. Ein Gerät wiegt rund 8 Kilogramm und wird wie ein Laptop zusammengeklappt. Der Deckel dient dabei als Antenne. In weniger als einer Minute soll die Internetverbindung stehen, die laut Satcube Übertragungsgeschwindigkeiten von rund 20 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) erlaubt. Starlink kommt auf über 100 Mbit/s.
Zusätzlich gibt es eine knapp 9,5 Kilogramm schwere Terminal-Variante (Satcube Ku 950 Secure), die für den Einsatz in Transec-Netzwerken geeignet ist. Transmission Security (Übertragungssicherheit) bedeutet unter anderem einen hohen Schutz gegen Abhörmaßnahmen, aber auch gegen Störsignale (Jamming). Genau das soll inzwischen ein wunder Punkt von Starlink sein.
Starlink ist im Orbit angreifbar, Satcube nicht
Das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) hat Mitte Mai dieses Jahres geschrieben, Starlink und andere Systeme mit LEO-Satelliten hätten ein Sicherheitsproblem. Durch die niedrige Umlaufbahn komme es in so einer Konstellation häufiger zu Übergaben, die "Verzögerungen mit sich bringen und mehr Angriffsfläche für Störungen schaffen", zitiert der Beitrag Mark Manulis. Er ist Professor für Datenschutz und angewandte Kryptografie am Cyber Defence Research Institute (CODE) der Universität der Bundeswehr in München.
Davor warnte laut "Obozrevatel" kürzlich auch der Kommandeur der 59. motorisierten Schützenbrigade der ukrainischen Streitkräfte, Robert Brovdi. Der Offizier mit dem Rufnamen "Magyar" ist unter anderem wegen bissiger Videos eine Art Volksheld, bekannt ist beispielsweise sein "Popcorn-Clip" zum Marsch der Wagner-Söldner auf Moskau. Das üblicherweise genutzte Ku-Band habe der Feind schon geknackt, schreibt er. Und das Militär sei der Meinung, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis er auch das alternative Ka-Band stören kann. Ohne Starlink seien sie an der Front quasi blind und zum Stillstand verdammt.
"Tobol" stört Übertragung
Bei der elektronischen Waffe der Russen soll es sich um ein System handeln, das wie ein russisch-kasachischer Fluss "Tobol" heißt. Bekannt ist das Programm zur elektronischen Kriegsführung laut einem Artikel von Bart Hendrickx in "The Space Review" auch als 14Ts227. Ursprünglich war es zum Schutz russischer Satelliten gedacht.
Moskau habe monatelang mit seinen Tobol-Systemen zur elektronischen Kriegsführung experimentiert, um die Übertragungen von Starlink in der Ukraine zu stören, zitierte die "Washington Post" Mitte April aus einem ihr vorliegenden US-Geheimdienstbericht.
Der aktuelle Global Counterspace Capabilities Report der Secure World Foundation bestätigt den Verdacht. Analysten hätten in Russland sieben Tobol-Komplexe identifiziert, die sich alle neben Einrichtungen zur Satellitenverfolgung befänden. Einige davon sollen Hauptquartiere mobiler Störsender sein. Der durchgesickerte US-Geheimdienstbericht vermutet das Zentrum der Tobol-Experimente zur Störung von Starlink in der Nähe von Bakhmut.
Musk widerspricht, Pentagon schweigt
Das Pentagon reagierte auf Anfragen nicht, Elon Musk twitterte, Starlink habe seine Widerstandfähigkeit gegen Jamming und Hackerangriffe bewiesen. Das ukrainische Verteidigungsministerium teilte der Post mit, man sei sich der russischen Bemühungen bewusst und habe Gegenmaßnahmen ergriffen.
Bei den Angriffen handelt es sich vermutlich um sogenanntes Uplink-Jamming, bei dem die Verbindung zwischen Terminal und Satelliten gestört wird. Bart Hendrickx geht laut "Washington Post" davon aus, dass die Umlaufbahnen der Starlink-Satelliten niedrig genug seien, um von Tobol-Störsignalen erreicht zu werden. Allerdings gäbe es so viele von ihnen, dass es schwierig sei, auch nur eine große Zahl von ihnen zu erwischen.
Quelle: ntv.de