Wirtschaft

Flirt mit den Taliban Afghanistans Rohstoff-Schatz zieht China an

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Chinas Außenminister Wang Yi trifft Abdul Ghani Baradar, einen Anführer und Mitgründer der afghanischen Taliban.

(Foto: VIA REUTERS)

20 Jahre versuchen die USA und Europa vergeblich, in Afghanistan nach dem Sturz der Taliban eine Zivilgesellschaft aufzubauen. Nun sind die Islamisten zurück an der Macht. China sieht in dem Scheitern des Westens eine große Chance.

Während der Westen krachend in Afghanistan gescheitert ist, nähert sich China den neuen Machthabern an. Nachdem die Taliban Kabul erobert hatten, erklärte sich Peking zu "freundlichen und kooperativen Beziehungen" bereit. China respektiere das Recht des afghanischen Volkes, unabhängig sein eigenes Schicksal zu entscheiden.

Dass sich ein Großteil der Afghanen ganz sicher nicht die Taliban an der Macht wünscht, spielt für die chinesische Staatsführung keine Rolle. Wichtig sind ihr zwei Dinge. Zum einen sind es knallharte wirtschaftliche Interessen im Nachbarland, mit dem China eine 76 Kilometer lange Grenze teilt. Zum anderen will Peking verhindern, dass sich die muslimische Bevölkerung in der nordwestlichen Region Xinjiang radikalisiert und Separatisten von den Taliban kontrollierte Gebiete als Unterschlupf nutzen könnten - gute Beziehungen zu den neuen Machthabern in Afghanistan sind deshalb von großem Vorteil.

Ein Grund für die Annäherung dürfte auch sein, dass China seine milliardenschweren Investitionen in Rohstoffe in dem Nachbarland absichern will. Nicht ohne Grund sagten die Taliban nach dem Treffen mit Außenminister Wang, sie hofften, dass China eine größere wirtschaftliche Rolle spielen könne.

Genau das will China. Bisher ist das Land in Afghanistan vor allem in der Kupferförderung aktiv und hat dort mehrere Milliarden Dollar investiert. Auch die Öl- und Gasförderung spielt für Peking eine Rolle. Doch das sind nur Peanuts im Vergleich zum Potenzial, das in Afghanistans Böden liegt - und jetzt, wo die amerikanische Armee und europäische Firmen den Rückzug antreten, sieht China eine große Chance.

Riesige Rohstoff-Vorkommen

Afghanistan ist reich an Bodenschätzen - auch wenn das genaue Volumen nicht zu beziffern ist. Die US-Behörde United States Geological Survey (USGS) schätzte 2010 den Wert auf rund 900 Milliarden Dollar. Die damalige afghanische Regierung sprach sogar von drei Billionen Dollar.

Neben Kupfer, Kobalt und Kohle verfügt Afghanistan auch über Öl- und Gasvorkommen. Auf besonderes Interesse stoßen auch Seltene Erden - und vor allem Lithium, das weltweit zur Herstellung von E-Auto-Batterien benötigt wird. Aufgrund des USGS-Berichts bezeichnete das US-Verteidigungsministerium Afghanistan als das "Saudi-Arabien des Lithiums". Auf diesem Schatz sitzen die Taliban, und die Chinesen würden ihn gerne heben.

Bisher verhindern Kampfhandlungen, Korruption und fehlende Verwaltungsstrukturen, dass die Bodenschätze Afghanistans in großem Maßstab ausgebeutet werden. Mit der Machtübernahme im ganzen Land könnte den Taliban gelingen, was den Regierungen in den vergangenen 20 Jahren nach deren Vertreibung nicht gelungen ist: ein Umfeld zu schaffen, das ausländische Investitionen ermöglicht und schützt. Das gigantische Investitionsdebakel des Westens zeigt, wie wichtig das ist. Alleine die USA haben laut "Bloomberg" 840 Milliarden Dollar in den Aufbau des Landes gepumpt. Deutschland hat auch viel Geld versenkt - beispielsweise wurden fast 50 Millionen Euro in den Ausbau des Flughafens Masar-i-Scharif gesteckt, wo die Bundeswehr ihr Hauptquartier hatte.

"Sind da ganz pragmatisch"

China hilft, dass es im Gegensatz zum Westen nicht vorhat, in Afghanistan eine Zivilgesellschaft zu errichten und sich nicht in die inner-afghanischen Verhältnisse und Konflikte einmischen will. Oder wie es Chinas Außenminister Wang in einem Telefonat mit US-Außenminister Antony Blinken ausdrückte: Afghanistan zeige, dass es schwierig sei, ein ausländisches Modell in einem Land mit anderer Geschichte und Kultur anzuwenden. Staatliche Medien Chinas veröffentlichten in der vergangenen Woche mehrere Berichte, in denen hervorgehoben wurde, dass Afghanistan der "Friedhof der Imperien" sei. "Wir sind da ganz pragmatisch. Wie sie ihr Land regieren wollen, ist weitgehend ihre Sache", argumentiert etwa Lin Minwang, ein Südasienexperte der Fudan-Universität in Shanghai.

China nützt es auch, dass es im Gegensatz zu Russland oder den Vereinigten Staaten nie gegen die Taliban gekämpft hat. Und so kann Peking versuchen, auch in Afghanistan ein Geschäftsmodell anzuwenden, dass außerordentlich erfolgreich ist: Regierungen Geld leihen, die damit Infrastrukturprojekte finanzieren, die von chinesischen Firmen ausgeführt werden und von denen China langfristig profitiert.

Zu sehen ist das besonders gut an der "Neuen Seidenstraße". Im Nachbarland Pakistan investiert China im Rahmen des Seidenstraßen-Projekts 62 Milliarden Dollar in das Energie- und Verkehrswesen Pakistans. So will sich Peking über den kürzesten Land- und Seeweg Zugang zu Märkten im Nahen Osten, in Europa und Afrika sichern. Die durch regionale Instabilität bedingten Risiken für China sind allerdings auch nicht zu übersehen: Im Juli wurden bei einem Selbstmordanschlag auf einen Bus in Pakistan 13 Menschen getötet, darunter neun chinesische Arbeiter.

Der Bus sollte chinesische Ingenieure, Sachverständige und anderes Personal zur Baustelle des Dasu-Staudamms in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa bringen. Im April hatten sich die pakistanischen Taliban zu einem Selbstmordanschlag auf ein Luxushotel in der Provinz Baluchistan bekannt, in dem damals der chinesische Botschafter zu Gast war. Der Diplomat blieb unverletzt, es starben jedoch mindestens fünf Menschen.

China hat in den vergangenen Jahren Milliardensummen in Infrastrukturprojekte in Pakistan gesteckt. Von China finanzierte Projekte stoßen aber insbesondere bei Aufständischen auf Widerstand. Sie argumentieren, die heimische Bevölkerung profitiere nicht von den Großprojekten, die meisten Jobs und der Großteil der Einnahmen gingen an Ausländer.

China würde Stabilität in Afghanistan vor diesem Hintergrund einen weiteren Ausbau der geplanten "Neuen Seidenstraße" ermöglichen. Für die Taliban könnte China eine wichtige Quelle für ausländische Investitionen und wirtschaftliche Unterstützung werden. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller kündigte derweil an, dass Deutschland die Entwicklungszusammenarbeit aussetze. Das dürfte den Taliban nicht besonders wehtun.

Quelle: ntv.de, mit rts/dpa/AFP

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