Was bleibt noch privat? Apple gibt sich als oberster Datenschützer
29.09.2014, 12:53 Uhr
Apple betont, nicht auf sensible Daten zuzugreifen.
(Foto: imago/Russian Look)
Der Technologiekonzern Apple erkennt mal wieder eine neue Marktlücke. Diesmal ist es die Privatsphäre seiner Kunden, die Apple nach eigenen Angaben schützen will. Doch ist das Unternehmen so vorbildlich, wie es tut?
Apple hat sich neuerdings ganz der Privatsphäre seiner Kunden verschrieben. Wenn das Unternehmen in diesen Tagen seine neuen iPhones und die noch nicht am Markt erhältliche Apple Watch anpreist, lässt es keine Gelegenheit ungenutzt, sich dabei zum obersten Datenschützer der Smartphone-Gemeinde aufzuschwingen.
Unverblümt und immer spitzzüngiger zielt Apple-Chef Tim Cook mit seinen Bemerkungen auf die Konkurrenz. Apple, so betont er jetzt, gehe mit den Informationen seiner Nutzer ganz anders um als etwa Google oder Facebook, die die Daten nutzten, um damit zielgerichtete Werbung verkaufen zu können. Google und Facebook wollten sich nicht zu Cooks Vorwürfen äußern.
"Wir erstellen kein Profil, das auf Ihren E-Mail-Inhalten oder Surfgewohnheiten basiert, um es für Werbezwecke zu verkaufen", schrieb Cook in einem offenen Brief, der in der vergangenen Woche auf der Website von Apple zu lesen war. "Wir machen die Informationen, die Sie auf Ihrem iPhone oder in der iCloud speichern, nicht zu Geld. Und wir lesen weder Ihre E-Mails noch Ihre Kurznachrichten, um an Informationen zu kommen, damit man Ihnen etwas verkaufen kann."
Aber ganz so unschuldig, wie Apple tut, ist das Unternehmen nicht. Denn die Firma verkauft durchaus gezielte Werbung. Mit Hilfe des Unternehmensbereichs iAd können Werbekunden Nutzer auf Mobilgeräten von Apple erreichen und zwar basierend auf deren Alter, Geschlecht, Anschrift, ihren iTunes-Einkäufen und ihren Downloads im App Store. Diese Informationen werden in Zusammenarbeit mit dem Marketing-Dienstleister Acxiom ergänzt und unterstützen die Werbekunden dabei, die Nutzer noch präziser ins Visier zu nehmen. Um die Aktivitäten der Nutzer auf den Geräten verfolgen zu können, installiert iAd außerdem eine "Werbe-Kennung" auf iPhones und iPads, die einem Browser-Cookie ähnelt.
iAd-Dienste lassen sich abschalten
Apple behauptet, dieses System sei nicht so aufdringlich wie andere, denn es räume den Nutzern eine größere Kontrolle über die Verwendung ihrer Daten ein und gewähre ihnen auch die Option, sich auszuklinken. Außerdem lasse es keine gezielte Werbung zu, die sich auf die Standorte der Nutzer bezieht, wenn sie mit ihren Geräten unterwegs sind.
Wer keine interessensbezogene Werbung von iA erhalten möchte, kann dies bei IOS-Geräten, Apple TV oder einem Computer in den Einstellungen deaktivieren. Apple selbst hat dazu Anleitungen veröffentlicht. Auf iPhones mit iOS 8 geht man dazu in den "Einstellungen" zum "Datenschutz", tippt ganz unten auf "Werbung" und schiebt den Regler bei "Kein Ad-Tracking" auf Grün. Außerdem ist es dort möglich, die Ad-ID zurückzusetzen. Unter "Datenschutz" findet man auch die "Ortungsdienste", wo man nicht nur einzelnen Apps das Recht auf Lokalisierung entziehen, sondern unter "Systemdienste" "Ortsabhängige iAds" deaktivieren kann.
Heikle Daten erfasst
Apple ist allerdings dabei, sich verstärkt Lebensbereiche zu erschließen, die wie etwa beim Zahlungsverkehr oder bei medizinischen Dienstleistungen sehr sensible Daten umfassen. Das Unternehmen beteuert daher, auf diese sensiblen Informationen, die beim neuen mobilen Zahlungsdienst Apple Pay oder bei HealthKit beim Speichern von medizinischen und fitnessbezogenen Daten anfallen werden, nicht zugreifen und daher mit ihnen auch kein Geld verdienen zu können. Apple hat seine Entwickler-Richtlinien entsprechend aktualisiert.
Die Abgrenzungen, die Apple für sich beanspruche, seien nicht ganz klar und eindeutig, wenden Experten ein, die sich mit digitaler Werbung und der Wahrung der Privatsphäre wissenschaftlich auseinandersetzen . "Es gibt Aspekte bei dem, was Apple tut, die sind in Sachen Datenschutz bewundernswert", sagt Joseph Turow, ein Professor an der University of Pennsylvania. "Gleichzeitig gibt es aber Bereiche , in denen Apple in dieselben Konflikte gerät wie andere Firmen bei der Monetisierung der Nutzerdaten."
Über das eigene Werbenetzwerk hinaus profitiert Apple auch von Werbeanzeigen, die Dritte auf den Geräten der Firma schalten. Im besonderen wenn es sich dabei um solche handelt, die die Nutzer zum Download von Apps bewegen sollen. Ein Apple-Nutzer, der auf eine solche Anzeige reagiert und etwa die "Candy Crush Saga" von King Digital Entertainment auf seinem Gerät installiert, kauft möglicherweise später Gegenstände, die zu dem Spiel gehören. Gemäß einer mit dem Entwickler vereinbarten Umsatzteilung heimst Apple bei diesen Einkäufen 30 Prozent des Geldes ein.
In einem Punkt allerdings hebe sich das Programm für gezielte Werbung von Apple sehr deutlich von der Konkurrenz ab, meinen Turow und andere: Apple gehe nicht so aggressiv dabei vor, beim Einsammeln von Daten die Grenzen immer weiter zu verschieben. Das müsse Apple allerdings auch nicht, betonen die Experten. Bei Google und Facebook macht die Werbung den Großteil ihrer Einnahmen aus. Bei Apple entfällt die überwiegende Mehrheit des Umsatzes auf den Verkauf von Hardware - iPhones, iPads und Mac-Rechner. Laut Prognosen soll der Umsatz von Apple im Geschäftsjahr, das am 27. September zu Ende geht, rund 180 Milliarden Dollar erreichen.
iAd-Bereich noch klein
Der iAd-Bereich von Apple ist ohnehin vergleichsweise klein. Nach Schätzungen der Marktanalysten von eMarketer entfielen auf Apple im Jahr 2013 weniger als drei Prozent der Einnahmen aus mobiler Werbung in den USA. Der Anteil von Google wird dagegen mit 41 Prozent und der von Facebook mit 15 Prozent veranschlagt.
"Apple hat die strategische Entscheidung getroffen", die Daten der Nutzer nicht noch stärker anzuzapfen, sagt Brian Sheehan, Lehrbeauftragter für Werbewesen an der Newhouse School of Public Communications der Syracuse University. "Wenn sie tiefer in die digitale Werbung vordringen und diese Daten nutzbringend einsetzen wollten, sehe ich keinen Grund, warum sie nicht in der Lage sein sollten, dies sehr erfolgreich umzusetzen."
Im Jahr 2010 hatte Apple die Firma Quattro Wireless gekauft und die Plattform iAd ins Leben gerufen. Der damalige Apple-Chef Steve Jobs hatte betont, er wolle App-Entwicklern die Möglichkeit geben, Geld mit dem Verkauf von Werbung auf kostenlosen Apps zu verdienen. Er hatte gehofft, der Unternehmensbereich werde im Bereich umfassender Werbung kreatives Neuland betreten. Doch die Werbekunden schreckten vor der Forderung von Apple zurück, für Kampagnen mindestens eine Million Dollar locker zu machen. Apple ruderte zurück und lancierte ein System, bei dem Werbende Kampagnen kreieren können, die bei 50 Dollar einsetzen. iAd wurde erweitert, um Werbung auf dem Musikdienst iTunes Radio zu ermöglichen, der auch auf Geräten, die nicht von Apple stammen, kostenlos empfangen werden kann.
Generell steht iAd bei Anzeigenkunden höher im Kurs, die über ein umfangreiches Budget verfügen und eine Markenpräsenz aufbauen wollen. Toyota Motor hat bei mehreren iAd-Kampagnen eng mit Apple zusammengearbeitet. Dabei wurden Medienkonsummuster, bevorzugte elektronische Geräte und die Lieblingsaktivitäten des Zielpublikums analysiert und Kampagnen gestaltet.
Doch was mobile Geräte angeht, so gehören Markenunternehmen nicht zu den größten Werbekunden. Spiele-Verlage platzieren dort mehr Anzeigen.
Und iAd ist nicht der einzige und auch nicht immer der kostengünstigste Weg, um Apple-Nutzer zu erreichen. Unter allen mobilen Geräten erreicht der Dienst zudem nur die Apple-Nutzer und nicht die 85 Prozent der Smartphones, die mit dem Google-Betriebssystem Android ausgestattet sind. "Man kann mit Sicherheit sagen, dass Apple dem Werbegeschäft gegenüber eine gewisse Gleichgültigkeit an den Tag gelegt hat", meint Paul Verna, ein leitender Analyst bei eMarketer. "Es ist für das,was sie tun, nicht von wesentlicher Bedeutung."
Quelle: ntv.de, Daisuke Wakabayashi, DJ