"Kultur des Wegduckens" BER-Ausschuss fällt vernichtendes Urteil
20.06.2016, 16:09 Uhr
Bleibt womöglich noch mindestens bis 2018 eine Baustelle: der Flughafen Berlin-Brandenburg (BER).
(Foto: dpa)
Vier Starttermine sind verstrichen - ein fünfter könnte bald folgen. Während im Abschlussbericht zum BER-Debakel ein desaströses Fazit gezogen wird, will sich der Berliner Flughafenchef nicht auf eine Inbetriebnahme im kommenden Jahr festnageln lassen.
Die Eröffnung des BER-Hauptstadtflughafens wird womöglich nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl ein weiteres Mal verschoben. "Wir brauchen uns erst Ende Oktober dieses Jahres festzulegen auf einen Termin, und vorher legen wir uns nicht fest", sagte Flughafenchef Karsten Mühlenfeld in Berlin. Zugleich stellte er zur geplanten Eröffnung Ende 2017 klar: "Noch sehen wir eine Chance, es hinzubekommen." Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hatte vor vier Wochen nicht mehr ausgeschlossen, dass es mit der Eröffnung erst 2018 klappen könnte. Berlin wählt im September ein neues Landesparlament.
Auf die Frage, ob es nicht mittlerweile egal sei, ob der drittgrößte deutsche Flughafen Ende 2017 oder Anfang 2018 in Betrieb geht, sagte Mühlenfeld: "Am Ende ist es eigentlich egal." Wichtig sei nur, den Fluggesellschaften ein Jahr vorher Klarheit über den Termin zu geben. Der BER sollte ursprünglich im Herbst 2011 in Betrieb gehen. Planungsfehler, Baumängel und Technikprobleme ließen jedoch seit Baubeginn vier Eröffnungstermine scheitern.
Einen Teil der Verantwortung sehen die Berliner Koalitionsfraktionen von SPD und CDU beim Aufsichtsrat, in dem Vertreter der Länder Berlin und Brandenburg sowie des Bundes als Flughafen-Eigentümer sitzen. "Wir hatten es mit einer Konzertaufführung zu tun, bei der zunächst einmal drei Dirigenten vorne standen", sagte der CDU-Abgeordnete Stefan Evers, als der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus vorgestellt wurde. Bei diesem Konzert seien permanent neue Noten aufgelegt worden.
SPD gibt Klaus Wowereit Mitschuld
Das Debakel um den neuen Hauptstadtflughafen hat aus Sicht der SPD aber auch Klaus Wowereit zu verantworten. Der langjährige Regierende Bürgermeister und Flughafen-Aufsichtsratschef trage natürlich - wie alle Mitglieder des Gremiums und der Gesellschafterversammlung - "eine herausgehobene Verantwortung", sagte der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Ole Kreins. Die Kontrolleure könnten sich nicht darauf zurückziehen, unzureichende Informationen von der Geschäftsführung erhalten zu haben.
"Es reicht nicht, wenn man sagt: Die Geschäftsführung hat schlecht informiert. Sie müssen sich die Informationen besorgen." Zudem habe es eine "Kultur des Wegduckens" gegeben, "wenn es um Kritik ging", so der SPD-Abgeordnete weiter. Für CDU-Mann Evers hat der Aufsichtsrat, in dem auch CDU-Landeschef Frank Henkel sitzt, überdurchschnittlich viel gearbeitet. "Nichtsdestotrotz: Der Aufsichtsrat hätte mehr leisten können." Im Ausschuss hatte Rot-Schwarz vor allem die früheren Geschäftsführer Rainer Schwarz und Manfred Körtgen in den Fokus gerückt.
BER soll ab 2020 Kredite zurückzahlen
Auf sie verwies auch der Ausschussvorsitzende Martin Delius. "Der Bericht in Gänze enthält an vielen Stellen Belege dafür, dass die Geschäftsführung den Aufsichtsrat nur unzureichend informiert hat", sagte Delius. In einem Sondervotum kritisiert die Piratenfraktion den Aufsichtsrat vor allem für den Rauswurf der Generalplaner nach der geplatzten Eröffnung 2012. Wowereit habe einen Schuldigen gesucht.
Die offiziell genannten Kosten für den Flughafen sind seit Baubeginn von 2 Milliarden Euro auf 5,4 Milliarden Euro gestiegen, was nur zum Teil auf Erweiterungen des Projekts zurückgeht. Mühlenfeld bekräftigte, der Flughafen werde sich ab 2020 oder 2021 selber finanzieren und seine Kredite zurückzahlen. "Deshalb ist die Aussage 'Der Steuerzahler zahlt den Flughafen' aus meiner Sicht nicht korrekt."
Quelle: ntv.de, jug/dpa