"Die Situation ist verheerend" Bahn unterbricht Verbindungen von Berlin
11.06.2014, 14:30 Uhr
Chaos im NRW-Zugverkehr: Am Düsseldorfer Hauptbahnhof organisiert ein "Kundenservicemanager" per Megaphon die Weiterfahrt im Taxi.
(Foto: dpa)
Die heftigen Unwetter beeinträchtigen massiv den deutschen Schienenverkehr. Inzwischen ist auch der Norden betroffen. Derweil ringt die Bahn damit, das ganze Ausmaß der Schäden zu erfassen - vor allem in Nordrhein-Westfalen.
Die weiter nach Osten ziehende Unwetterfront beeinträchtigt nun auch in den neuen Bundesländern den Bahnverkehr. Am Mittag mussten die Fernverkehrsverbindungen zwischen Hannover-Berlin und Hamburg-Berlin wegen umgestürzter Bäume unterbrochen werden, wie die Bahn mitteilte. Die Zügen werden umgeleitet. Fahrgäste müssten mit längeren Fahrzeiten rechnen.
Derweil sind die Sturmschäden am Schienennetz in Nordrhein-Westfalen nach Angaben der Deutschen Bahn schlimmer als zunächst befürchtet. "Die Situation etwa um Essen und Dortmund ist verheerend", sagte eine Bahnsprecherin. Die Schäden seien größer als beim Orkan "Kyrill" 2007, der zu den heftigsten Unwettern der vergangenen Jahre zählte.
Um das Ausmaß abzuschätzen, lässt die Bahn die Strecken inzwischen mit Hubschraubern der Bundespolizei abfliegen. Anders sei es nicht möglich, sich einen Überblick zu verschaffen, hieß es. Am Mittwoch steckten noch immer 16 Züge auf offener Strecke fest.
Etliche Strecken weiter nicht befahrbar
Bahnreisende müssen daher weiterhin mit teils erheblichen Verspätungen und Verbindungsausfällen rechnen. Unmittelbar betroffen ist vor allem das Schienennetz im Nordwesten Deutschlands. Dort waren in der Nacht auf Dienstag heftige Gewitterfronten über Nordrhein-Westfalen hinweggezogen.
"Die Auswirkungen des Unwetters in Nordrhein-Westfalen lassen weiterhin nur einen eingeschränkten Bahnverkehr in dem Bundesland zu", teilte die Bahn mit. "Nach wie vor sind viele Strecken wegen umgestürzter Bäume und zerstörter Oberleitungen nicht befahrbar. Die Aufräumarbeiten laufen auf Hochtouren." Neue Unwetter erschweren die Situation zusätzlich."Aktuell leider nicht möglich"
"Die Unwetterauswirkungen in NRW beeinträchtigen den Bahnverkehr bundesweit", heißt es bei der Bahn. "Zahlreiche ICE- und IC-Linien werden derzeit umgeleitet oder enden vorzeitig." Eine Einschätzung, wann sich der Bahnverkehr wieder vollkommen normalisiert, sei "aktuell leider nicht möglich".
Nahverkehr kommt stellenweise zum Erliegen
Vor allem im Nahverkehr sorgen beschädigte Oberleitungen weiter für zahlreiche Streckensperrungen und Verspätungen - insgesamt fielen allein rund um die Großstädte der Region acht S-Bahnlinien aus, auf deren Strecken teilweise Busse eingesetzt werden. Wann die Verbindungen zur Gänze wieder befahrbar sind, ist noch nicht absehbar.
In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf, die mit am stärksten betroffen war, wird die Straßenbahn wohl noch mehrere Tage nicht planmäßig fahren können. "Ich kann noch keine genaue Prognose abgeben", sagte Rheinbahn-Sprecher Georg Schumacher. In den kommenden Tagen müssten zunächst ganze Oberleitungen nachgespannt werden. Landesweit sind 14.000 Helfer der Feuerwehr, der Hilfsorganisationen und des Technischen Hilfswerks im Einsatz.
Sechs Menschen waren bei den Hitzegewittern in der Nacht auf Dienstag ums Leben gekommen, 67 Menschen wurden verletzt. In mehreren Städten warnen die Behörden weiterhin vor herunterstürzenden Ästen. Vor allem das Betreten von Wäldern sei gefährlich. In Mönchengladbach und Neuss bleiben die Friedhöfe zunächst geschlossen. An zahlreichen Schulen fällt der Unterricht aus. Betroffen ist vor allem das Ruhrgebiet.
Bahnstreik in Frankreich
Die Streikmaßnahmen in Frankreich scheinen dagegen am deutschen Reiseverkehr ohne größere Beeinträchtigungen vorüberzuziehen. Am Morgen hatte es noch geheißen, die Folgen des landesweiten Streiks bei der französischen Bahngesellschaft SNCF könnten sich über den Fernverkehr bis nach Deutschland auswirken.
In Frankreich legten die ganztägigen Arbeitsniederlegungen allerdings weite Teile des öffentlichen Verkehrs lahm. Im ganzen Land fallen im Tagesverlauf zahlreiche Nah- und Fernverkehrszüge aus. Die Bahngesellschaft SNCF musste nach eigenen Angaben auf manchen Strecken zwei Drittel ihres normalen Angebots streichen. Überwiegend normal laufe nur der internationale Verkehr, heißt es aus Paris.
Die Verbindungen von und nach Deutschland konnten entgegen früheren Ankündigungen vorerst aufrechterhalten werden. Die zunächst bis Donnerstagnacht geplante Protestaktion richtete sich gegen eine von der Regierung geplante Bahnreform. Diese geht den Gewerkschaften nicht weit genug und konzentriert sich ihrer Meinung nach zu sehr auf Spareffekte.
Zu den Zielen des SNCF-Streiks zählt daher unter anderem, den 1997 ausgegliederten Netzbetreiber Réseau Ferré de France (RFF) wieder mit dem Bahnkonzern SNCF zusammenzuschließen. Die Debatte um die Ausrichtung des französischen Bahnverkehrs könnte der Debatte in Deutschland neuen Schwung verleihen.
Taxifahrer blockieren Pariser Flughäfen
Nach den gescheiterten Börsenplänen des größten deutschen Schienenverkehrsdienstleisters - der im Zuge der bundesdeutschen Bahnreform ab 1994 aus der Bundesbahn hervorgegangenen Deutschen Bahn - waren Fragen zur Zukunft des Verkehrsträgers Schiene zuletzt aus dem Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit geraten.
Verschärft werden die Auswirkungen des Bahnstreiks in Frankreich durch die internationale Protestaktion der Taxifahrer. Hunderte von ihnen blockierten am Mittwochmorgen kurzzeitig den Verkehr an den Pariser Flughäfen Charles de Gaulle und Orly und rollten anschließend im Schneckentempo in Richtung Innenstadt. Die Taxifahrer wollten mit der Aktion wie europäische Kollegen gegen die Konkurrenz durch alternative Fahrdienste demonstrieren.
Hinweis für Reisende: Die Deutsche Bahn hat eine "kostenlose Sonderhotline" unter der Rufnummer 08000 99 66 33 eingerichtet, um Kunden über Umleitungen, Zugausfälle und Verspätungen zu informieren.
Quelle: ntv.de, mmo/jve/dpa