Wirtschaft

Streit um europäische Bankenaufsicht Barnier lenkt ein

Bei seiner Werbetour für die europäische Bankenaufsicht geht EU-Kommissar Barnier auf Deutschland zu: Auch künftig soll die deutsche Bafin die Kontrolle über Deutschlands Geldhäuser haben. Die Sparkassen beruhigt das kaum: Sie wollen Brüssel "den Schlüssel zu den Tresoren" nicht kampflos überlassen.

Im Streit mit der Bundesregierung und den deutschen Sparkassen über die Bankenaufsicht in der Euro-Zone zeigt sich EU-Kommissar Michel Barnier einigungsbereit. "Selbstverständlich werde ich einen Kompromiss mit Berlin und anderen europäischen Hauptstädten erarbeiten", sagte Barnier. Grundsätzlich hält er zwar an seinen Plänen fest, alle rund 6000 Banken im Währungsraum der Kontrolle der Europäischen Zentralbank (EZB) zu unterstellen. Das tägliche Aufsichtsgeschäft sollten aber weiter die nationalen Behörden erledigen.

Mit seinem Modell zur Verlagerung der Aufsicht auf die EZB beißt Barnier bisher in der Bundesregierung, in den Koalitions-Fraktionen sowie bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken auf Granit. Der Binnenmarktkommissar will der EZB schrittweise ab Januar 2013 die Kontrolle übertragen, zunächst nur über alle Banken, die mit Finanzhilfen gestützt werden, dann über große Institute, deren Fortbestand zentral für das Funktionieren des Finanzsystems ist, ab 2014 über alle Geldhäuser. Aus Sicht der Kritiker lässt sich der Zeitplan schon aus technischen Gründen nicht realisieren. Außerdem will die Koalition die Zuständigkeit der EZB auf wenige systemrelevante Institute beschränken.

Barnier sagte, eine integrierte Bankenaufsicht in Europa sei eine notwendige Bedingung dafür, dass der Euro-Rettungsschirm ESM, wie von den EU-Staats- und Regierungschefs im Juni vereinbart, wackelige Banken künftig direkt retten könne. Zugleich betonte Barnier, dass ihm nicht der Aufbau einer neuen Super-Behörde bei der EZB vorschwebe. "Die Aufsicht wird funktional durch die nationalen Behörden durchgeführt", sagte er: "Die BaFin wird ihre Rolle behalten." Allerdings werde es unter Ägide der EZB eine Art Leitfaden für alle nationalen Bankenaufsichten geben.

Sparkassen wettern gegen Einlagensicherung

Unterstützung bekam Barnier vom Bankenverband (BdB). Eine europäische Aufsicht unter dem Schirm der EZB müsse für alle Banken und Sparkassen im Euroraum zuständig sein, sagte Hauptgeschäftsführer Michel Kemmer. Eine entscheidende Lehre aus der Finanzkrise sei, das für gleiches Geschäft, gleiche Risiken und für alle Marktteilnehmer die gleichen Aufsichtsregeln gelten müssten: "Die Aufsicht muss von nationalen Interessen entkoppelt werden."

Die Sparkassen widersetzen sich den Plänen dagegen – sie sperren sich vor allem gegen die geplante gemeinsame Einlagensicherung. Denn in dem System müssten auch rein regional oder national orientierte Banken wie die Sparkassen mit den Einlagen ihrer Kunden für riskante Geschäfte internationaler Großbanken in anderen Euro-Ländern haften. Barnier versicherte, Einlagen deutscher Sparer würden nicht mit Einlagen anderer Länder vermischt: "Wir haben nicht vor, die Mittel der Einlagen und der Abwicklung zu vergemeinschaften." Er wolle keinen neuen EU-weiten Einlagensicherungsfonds schaffen, sondern ein System etablieren, in dem alle EU-Staaten eigene Einlagensicherungen aufbauten, die sich dann bei Bedarf Geld leihen könnten.

"Wir sehen die zentrale Bankenaufsicht als ersten Schritt an, den Schlüssel zu den Tresoren unserer Einlagensicherung in die europäische Hand zu bekommen, um damit europäische Banken in Schieflage zu stabilisieren", sagte dagegen Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon im Interview mit dem "Handelsblatt". "Das ist mit uns nicht zu machen." In Deutschland haben Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaften jeweils eigene Systeme zum Schutz ihrer Kundengelder errichtet. Barniers Aufsichts-Modell sei in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" entworfen worden, weil Spanien nicht unter den ESM-Schirm wolle. Bisher kann der ESM nur über den Umweg des Staates Banken stützen. Damit erhöht sich aber der Schuldenstand des Landes.

Auch der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) signalisierte, er sei gegen eine Beaufsichtigung rein national tätiger Banken durch die EZB. Das gelte auch, wenn letztendlich die EZB die eigentliche Kontrolle an die nationalen Behörden delegieren sollte. Commerzbank -Chef Martin Blessing sagte, er sei für eine einheitliche Bankenaufsicht in Europa, er verstehe aber die Sorgen wegen der Einlagensicherung: "Warum sollen wir das für uns angesparte Geld jetzt auf den europäischen Hof stellen?"

Quelle: ntv.de, hvg/dpa/rts

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