Förderung großteils gestrichen Batterieforschung in Deutschland droht das Aus
08.02.2024, 11:00 Uhr Artikel anhören
Ohne die Förderung der universitären Forschung drohe sich auch der Fachkräftemangel in der Batterieproduktion und Entwicklung der Unternehmen zu verschärfen, warnen die Wissenschaftler.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Bundesregierung kürzt ihre Förderung für die Batterieforschung massiv. Experten warnen vor schwerwiegenden Folgen für den Industriestandort Deutschland. Die Forscher vermuten hinter der Entscheidung auch politisches Kalkül.
Experten warnen vor den drastischen Folgen der Kürzung der Mittel für die Batterieforschung durch die Bundesregierung. Sie bezeichnen die Entscheidung als "Kahlschlag", der die Arbeit von mehr als einem Jahrzehnt zunichtemachen, den Fachkräftemangel verschärfen und die Entwicklung dieser immer wichtiger werdenden Branche in Deutschland stoppen könnte.
"Die Batterietechnologie ist eine der wichtigsten Zukunftstechnologien des 21. Jahrhunderts. Ohne Batterien ist die Transformation unserer Wirtschaft nicht denkbar", erklärt Axel Thielmann vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe. Er betont, dass Deutschland in den vergangenen Jahren eine große Rolle in der Batterieforschung gespielt hat und warnt vor den Folgen der Kürzung: "In den letzten 15 Jahren haben wir in Deutschland eine Aufholjagd hingelegt. Diese könnte nun abrupt enden."
Die Bundesregierung hat die Mittel für die Batterieforschung um 75 Prozent gekürzt. Diese Entscheidung erfolgte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, das der Regierung die Umwidmung der Corona-Gelder in den Klimatransformationsfonds (KTF) untersagte. Die Regierung sah sich daraufhin gezwungen, quer durch die zu fördernden Klimaschutzprojekte zu streichen. Bei der Batterieforschung schlug sie besonders hart zu.
Arbeit von 15 Jahren zerstört
Martin Winter, der seit mehr als 20 Jahren im Bereich der elektrochemischen Energiespeicherung forscht, bezeichnet die Kürzung der Mittel als "Kahlschlag". Auf einer Podiumsdiskussion äußerte er seine Besorgnis: "Das ist zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig." In den vergangenen 15 Jahren habe Deutschland rund eine Milliarde Euro in die Batterieforschung investiert und eine Struktur aufgebaut, die es in keinem anderen Land gebe, so Winter. Diese Institutionen drohten, Investitionsruinen zu werden.
Das Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien (KLIB), in dem Forschungsinstitutionen und Unternehmen der Branche zusammengeschlossen sind, warnt in einem offenen Brief an die Politik vor den dramatischen Konsequenzen der Entscheidung für den Hightech-Standort Deutschland. "Mit einem Handstreich wird die gesamte Arbeit der vergangenen 15 Jahre zerstört", so das KLIB. Es befürchtet, dass die Kürzung den Fachkräftemangel verschärfen und die deutsche Wettbewerbsfähigkeit einschränken könnte.
Der Kahlschlag bei der Batterieforschung beschleunige Deindustrialisierung, heißt es weiter in dem Schreiben. "Wir dürfen den internationalen Anschluss nicht verlieren, müssen den Standort Deutschland für Investitionen attraktiv halten und die Basis für die nachhaltige technologische Souveränität sichern."
"Riesiges" Nachwuchsproblem
Dirk Uwe Sauer, Professor für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen, sieht durch die Kürzung der Mittel auch die Ausbildung von Fachkräften in Gefahr. "Die Absolventen der Universitäten sind ja auch dafür da, um in der Industrie den Technologietransfer zu realisieren", sagt er. Ohne die Gelder würden junge Studierende weniger Chancen in diesem Bereich sehen und sich anderen Bereichen zuwenden. "Wir haben jetzt schon ein riesiges Problem, ausreichend Nachwuchs an die Hochschulen zu bekommen", klagt Sauer.
Winter verweist auf die Bedeutung der Branche, insbesondere für die Autoindustrie. Dass gerade ein Land mit einer der größten Autobranchen, die dringend auf moderne Batterien angewiesen sei, die Forschung in diesem Bereich drastisch zurückfahre, während der Rest der Welt seine Anstrengungen verstärke, sei "verrückt", so Winter.
Die Experten vermuten hinter der Kürzung auch politisches Kalkül. Beim Wasserstoff, einem Lieblingsprojekt der FDP, wurden keine Kürzungen vorgenommen. "Es gibt eine Gruppe Politiker in Berlin, die ja immer wieder meinen, dass die Zukunft nicht in der Elektromobilität liegt, sondern dass man lieber auf Wasserstoff setzen sollte", mutmaßt Sauer. Auch Winter kann sich vorstellen, dass da "ein Plan dahintersteckt, das Rad der Zeit ein bisschen aufzuhalten und zurückzudrehen".
Quelle: ntv.de