Kampferprobte Gewerkschafterin Benner rückt in die Spitze der Metaller
18.10.2015, 06:12 UhrEs ist ein Novum in der größten Einzelgewerkschaft der Welt: Nach dem Umbau der Chefetage wird mit Christiane Benner erstmals eine Frau in die Führungsspitze der IG Metall aufrücken. Die 47-Jährige liebt praktische Aufgaben - und hat jede Menge Pläne für die Zukunft.
Christiane Benner sprüht vor Energie. Die 47 Jahre alte Soziologin soll am 20. Oktober als Zweite Vorsitzende in die engste Führungsspitze der IG Metall aufrücken. So weit nach oben hat es in der größten Einzelgewerkschaft der Welt noch nie eine Frau geschafft und möglicherweise ist auch das Vize-Amt noch nicht die letzte Karrierestufe für Benner. Sie ist flotte zwölf Jahre jünger als der neue Vorsitzende Jörg Hofmann und könnten diesen nach den ungeschriebenen Gesetzen der IG Metall möglicherweise in einigen Jahren beerben.
Doch so weit mag Benner nicht in die eigene Zukunft schauen: "Bis dahin läuft noch viel Wasser den Main hinunter", sagt sie dazu knapp. In den nächsten vier Jahren will sie sich um wichtige Zukunftsfragen in der Arbeitswelt kümmern, die sie seit 2011 auch schon als Mitglied im geschäftsführenden Gewerkschaftsvorstand beackert hat. Dazu gehören die ungelösten Probleme rund um eine moderne Arbeitszeitordnung in der digitalisierten Arbeitswelt oder die Frage nach den Arbeitsbedingungen der wachsenden Schar (schein-)selbstständiger "Clickworker", die ihre meist schlecht bezahlten Arbeitsaufträge nur noch im Internet über Online-Plattformen erhalten.
"Es geht immer um die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben", sagt Benner, die sich auch stark für die Belange der Frauen einsetzt. Sie ist eine entschiedene Verfechterin der Quote und will zudem die strukturellen Nachteile abbauen, die dazu führen, dass Frauen nach der Babypause nicht mehr auf den Karrierezug gelassen werden. Viele Arbeitszeitprobleme lassen sich ihrer Meinung nach mit einer "verkürzten Vollzeit" von vielleicht 30 Wochenstunden lösen, die Beschäftigten in bestimmten Lebenssituationen wie Kindererziehung oder Pflege entlasten könnten.
Frau für praktische Aufgaben

Aktive Gewerkschafterin: Benner im Frühjahr 2013 auf einer Kundgebung neben IG Metall-Bezirksleiter Oliver Höbel in Berlin.
(Foto: picture alliance / dpa)
Trotz ihrer Vorliebe für komplexe Themen ist Benner keine abgehobene Intellektuelle, sucht in den Sachthemen häufig die Rückkoppelung mit den Mitgliedern. Eine wissenschaftliche Karriere habe sie nach ihrem Soziologie-Studium in Marburg, Frankfurt und Chicago nicht angestrebt, erzählt sie. "Das war mir zu theoretisch, ich arbeite lieber im Team. Mit anderen Menschen zusammen kann man Ziele besser erreichen."
Schon nach dem Abitur im südhessischen Bensheim stand Benner zunächst der Sinn nach einer praktischen Aufgabe, so dass sie beim Darmstädter Maschinenbauer Carl Schenck AG eine Ausbildung begann. Ein als ungerecht empfundenes Bewertungssystem für die Azubis brachte die junge Frau schon mit 18 Jahren in den Betriebsrat, schnell wurde die kampferprobte Handballerin zur Jugend- und Azubi-Vertreterin, eine Laufbahn als Gewerkschafterin stand ihr offen.
"Wir brauchen virtuelle Leitplanken"
Doch Benner entschied sich nach sechs Jahren im Arbeitsleben für einen Bruch: "Ich war jung, ich wollte raus in die Welt." Nur selten - etwa in den Anfangstagen in Chicago - sei ihr unheimlich geworden ob der eigenen Entschlossenheit, aber grundsätzlich schätzt sie sich als mutigen Menschen ein.
Nach den USA ging es aber doch wieder zurück zur IG Metall mit Funktionen in Frankfurt und in Niedersachsen, wo Benner auch einige Erfahrung mit der betrieblichen Umsetzung von Tarifverträgen sammelte. Einen wegweisenden Pilotabschluss hat sie aber nicht gezimmert - was noch zu Problemen führen könnte, falls sie in ein paar Jahren ganz an die Spitze der IG Metall wollte.
Benner ist verheiratet und sitzt bei den Schlüsselunternehmen BMW und Bosch im Aufsichtsrat. Hier war sie beteiligt an möglicherweise wegweisenden Betriebsvereinbarungen für die digitalisierte Arbeitswelt. "Wir brauchen auch in der virtuellen Welt Leitplanken. Es muss für die Beschäftigten auch ein Recht auf Unerreichbarkeit geben." Vieles im Umgang mit den neuen smarten Produktionsstrukturen müsse erst gelernt werden, wobei verantwortungsbewusste Vorgesetzte und eine gute Unternehmenskultur entscheidend seien. Sie selbst verschicke am Wochenende keine Mails an ihre Mitarbeiter.
Quelle: ntv.de, Christian Ebner, dpa