Deutschland im Ungleichgewicht Berlin feiert Exportüberschuss
13.08.2012, 16:00 Uhr
Ist der Exportboom das "Ergebnis der hohen Qualität der deutschen Exporte und jener, die sie herstellen"?
(Foto: picture alliance / dpa)
Deutschlands Handelsungleichgewicht nimmt voraussichtlich kräftig zu. Selbst die chinesische Wirtschaft wächst einem Bericht zufolge ausgeglichener. Geht der deutsche Exportboom zu Lasten schwächerer Länder? Die Bundesregierung sieht keinen Grund zur Sorge.
Die Bundesregierung hat den von anderen Industrieländern regelmäßig kritisierten Handelsüberschuss Deutschlands verteidigt. Etwaigen Vorwürfen aus dem europäischen Ausland, Deutschland saniere sich mit seinem auf Kosten der Partner, sieht Berlin gelassen entgegen.
Nach einer Prognose des Ifo-Instituts wird die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr den weltweit größten Exportüberschuss erreichen. Die Leistungsbilanz werde voraussichtlich ein Plus von 210 Mrd. Dollar betragen, zeigen Berechnungen des Münchner Instituts. Weder Exportweltmeister noch Japan oder die Öl exportierenden Länder - die ebenfalls mehr Waren und Kapital ausführen als importieren - würden da herankommen, hieß es in einem Bericht der "Financial Times Deutschland".
"Die deutsche Exportwirtschaft ist äußerst leistungs- und wettbewerbsfähig. Und das ist sehr positiv", erklärte eine Sprecherin von Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler (FDP). "Wir begrüßen das." Sie verwies darauf, dass auch die im abgelaufenen Jahr kräftig zum Wachstum der deutschen Wirtschaft beigetragen habe. Tendenziell sei das deutsche Leistungsbilanzsaldo seit dem Spitzenwert 2007 zurückgegangen.
Der Hintergrund der Debatte: Deutschland und auch China stehen wegen ihrer enormen Exportüberschüsse seit langem in der Kritik. Viele Volkswirte sehen darin eines der großen Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft, die für die Finanzkrise mitverantwortlich seien. Den Ländern mit Exportüberschüssen stehen solche mit Defiziten gegenüber, die ihre Importe über Schulden finanzieren müssen. Deutschlands Exporte sind seit Jahren deutlich größer als die Importe.
Kritiker werfen Deutschland vor, seine Binnenkonjunktur zu wenig zu stützen, mit den Handelsüberschüssen die globalen Ungleichgewichte zu verstärken und damit die Weltwirtschaft anfälliger für Krisen zu machen. Wegen des Handelsungleichgewichts droht Deutschland laut "FTD" sogar eine Ermahnung der EU-Kommission. Die Bundesregierung geht von einem weiteren Erstarken der Binnennachfrage aus und verweist stets auf eine Handelsbilanz Europas und des Euro-Raums insgesamt.
Das Problem mit der Qualität
"Das grundlegende Problem hat sich nicht geändert: Die deutsche Binnennachfrage ist viel zu schwach", kommentierte der Wirtschaftsweise die Entwicklung. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht in dem hohen Überschuss dagegen keinen Beleg für eine schwächelnde Binnennachfrage.
"Er ist vielmehr das Ergebnis der hohen Qualität der deutschen Exporte und jener, die sie herstellen", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Der Überschuss erhöhe sich noch durch den schwächelnden Euro-Kurs und sinkende Rohstoffpreise. "Ein Beleg für eine chronisch schwache Binnennachfrage ist er nicht, denn die Konjunktur wird ja gerade von den und dem getragen", sagte Treier.
Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert geht es bei der Debatte um die globalen Ungleichgewichte eher um Länder mit starken Leistungsbilanzdefiziten und großen Wettbewerbsschwächen. Ein Überschuss allein sei zunächst einmal kein Grund für Europa zu handeln, erklärte er im Hinblick auf die angeblich drohende Mahnung aus Brüssel.
Auch in der Vergangenheit habe es keine Notwendigkeit für Europa gegeben, Deutschland einer vertieften Analyse zu unterziehen: "Wir haben im Moment keinen Anlass anzunehmen, dass sich das ändert."
Quelle: ntv.de, jga/dpa/rts