"Getrieben von einem Traum" Biontech macht Tempo bei Krebsimpfung
02.12.2021, 11:36 Uhr
Gibt es bald auch eine mRNA-Impfung gegen Krebs?
(Foto: picture alliance/dpa)
Der erfolgreiche Corona-Impfstoff ebnet den schnellen Weg für möglicherweise weitere bahnbrechende mRNA-Therapien, zum Beispiel in der Krebsforschung. Die Biontech-Gründer bauen dafür jetzt eigens eine Produktionsstätte, die schon in zwei Jahren in Betrieb gehen soll.
Dass der Corona-Impfstoffhersteller Biontech an einer Vielzahl weiterer Impfstoffe und Medikamente tüftelt – vor allem gegen verschiedene Krebsarten – war bereits bekannt. Die beiden Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin haben sich schon vor längerer Zeit zuversichtlich gegeben, dass sich verschiedene Krebserkrankungen künftig nicht nur behandeln, sondern sogar heilen lassen. Jetzt wollen die beiden Forscher ihren Ankündigungen auch Taten folgen lassen.
Am Mittwoch feierte das Mainzer Pharmaunternehmen Richtfest für die "weltweit erste Anlage ihrer Art für die Herstellung individualisierter Produkte für die Krebs-Immuntherapie", wie Vorstandschef Sahin sagte. Sollten die laufenden Entwicklungen Erfolg haben, sollen dort jährlich mehr als 10.000 Chargen für die maßgeschneiderte Therapie krebskranker Menschen hergestellt werden. Basis ist wie beim Corona-Impfstoff das Botenmolekül mRNA.
Die medizinische Geschäftsführerin und Biontech-Mitgründerin Türeci erklärte, derzeit befänden sich zwei Immuntherapie-Ansätze des Unternehmens gegen Krebs in der klinischen Phase zwei. Sie zielen auf die Behandlung von Dickdarm- und schwarzem Hautkrebs.

Die Biontech-Firmengründer Özlem Türeci und Ugur Sahin (v.l.) und die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer beim Richtfest für die neue Biontech "iNeST"-Produktionsstätte. Auf 16.000 Quadratmeter sollen jährlich mehr als 10.000 Chargen für die individualisierte, RNA-basierte Krebstherapie hergestellt werden.
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Türeci erinnerte daran, dass Biontech vor 13 Jahren "getrieben vom Traum" gegründet wurde, patientenspezifische Medikamente zur Behandlung von Krebs zu entwickeln. Deswegen liege das künftige Werk Biontech auch sehr am Herzen.
Sahin: "Es gibt keine Garantie"
Sahin räumte ein, dass Biontech damit ein unternehmerisches Risiko eingehe. Es gebe "keine Garantie", dass die Forschungen am Ende Erfolg haben und ein Medikament zugelassen werde. Wenn aber alles gelinge, habe Biontech die Möglichkeit, schnell in die Produktion einzusteigen. Die künftige Produktionsstätte, die 2023 in Betrieb gehen soll, liegt in einem Gewerbegebiet, wenige Minuten von der Firmenzentrale entfernt. 500 Menschen sollen einmal dort arbeiten.
Für die Produktion seines Corona-Impfstoffs hatte Biontech im vergangenen Herbst das Marburger Werk des Schweizer Pharmariesen Novartis übernommen - noch bevor sich die Mainzer überhaupt sicher sein konnten, dass ihr Impfstoff, der damals noch in der klinischen Testphase war, einmal in der EU, den USA oder anderswo zugelassen wird. Diese Investition hat sich ausgezahlt. Falls dem Unternehmen bei der Krebsforschung ein ähnlicher Coup gelingen sollte, könnte durch den Bau des neuen Werks in Mainz die Produktion von Anfang an ins Rollen kommen.
Der operative Geschäftsführer Sierk Poetting wies darauf hin, dass Biontech im Projekt "Lightspeed" fast alle Kräfte auf die Entwicklung des Corona-Impfstoffs konzentriert habe. Dennoch habe ein "kleines, aber feines Team" parallel weiter an der Suche nach einem Krebsmedikament gearbeitet.
Ministerpräsidentin Malu Dreyer erklärte, die Anstrengungen von Biontech in der Krebsforschung seien ein Lichtblick für Krebskranke. Das Richtfest sei ein besonderer Tag für Mainz und Rheinland-Pfalz und sie sei stolz, dass Biontech in dem Bundesland seinen Hauptsitz habe. "Wir wollen alles dafür tun, dass Sie weiter gute Rahmenbedingungen haben", sagte die SPD-Politikerin bei der kleinen Feier in dem Rohbau zu den drei Biontech-Vorständen. Das Zukunftsfeld Biotechnologie und die Weiterentwicklung des Wissenschaftsstandortes Rheinland-Pfalz sei einer der Schwerpunkte der Ampel-Koalition.
Gelingt es Biontech, sich mit weiteren mRNA-Wirkstoffen auf dem Markt zu etablieren, wäre das ein großer Sprung für das immer noch junge Biotech-Startup. Beobachter kritisieren immer wieder den Hype um das Mainzer Unternehmen, das bislang nur ein einziges Produkt vorzuweisen hat.
Quelle: ntv.de, ddi/dpa