Der "alte Weg" ist zu Ende China umwirbt die Deutschen
22.04.2014, 13:43 Uhr
Der "alte Weg" der grenzenlosen Energieverschwendung ist zu Ende: Sigmar Gabriel wirbt in Peking für Öko-Knowhow aus Deutschland.
(Foto: dpa)
Sigmar Gabriel ist in Peking hoch willkommen. An der Spitze einer Delegation an Unternehmern erläutert Merkels Wirtschaftsminister die Vorzüge heimischer Öko-Technologie. Peking will deutsche Innovationskraft mit chinesischem Tempo kombinieren.

Im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission Chinas (NDRC), Xu Shaoshi: Gabriel (r.) spricht mit den Chinesen über die geplanten Wirtschaftsreformen in dem Land.
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Klimawandel, Überbevölkerung, Umweltverschmutzung: Die Wirtschaftslenker in Peking sehen sich mit wachsenden Problemen des wirtschaftlichen Aufschwungs konfrontiert. Die Begleiterscheinungen des chinesischen Fortschritts - wie etwa eine anschwellende Mittelschicht, zunehmender Pkw-Verkehr und eine rasante Verstädterung - zwingen das Riesenreich zum Handeln. Die in Sachen Dynamik stärkste Volkswirtschaft der Erde sucht neue Verbündete im Kampf gegen die zum Teil dramatischen Entwicklungen und will dabei auch von Deutschlands Erfahrungen bei der Energiewende profitieren.
Bei der Energieeffizienz entstehe in China ein enormer Markt, auf dem deutsche Konzerne eine wichtige Rolle spielen könnten, sagte der Vorsitzende der Reformkommission NDRC, Xu Shaoshi, nach einem Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. "Deutschland hat weltweit führende Produkte und das effektivste System zur Einsparung von Energie."
Deutsches Knowhow und Chinas Tempo
Eine vertiefte Kooperation könne es zum Beispiel im Städtebau, in der Industrie und bei Elektroautos geben. Der "alte Weg" der grenzenlosen Energieverschwendung sei zu Ende, sagte Xu. China wolle seinen Beitrag zum weltweiten Klimaschutz leisten.
"Für uns geht es vor allem um Energiesparen und Energieeffizienz", sagte der Chef der Reformkommission. "Deutschland hat in diesem Bereich die weltweit führenden Technologien und auch führende Produkte sowie das modernste Konzept." Die Kombination deutscher Innovationskraft und chinesischen Tempos bei der Umsetzung von Maßnahmen sei geeignet, ein weltweites Beispiel für die Minderung der Schadstoffemissionen zu geben.
"Das beste Heilmittel"
Gabriel betonte, wenn Deutschland und China gemeinsam Erfolg hätten, würden andere Länder folgen: "Das beste Heilmittel gegen den Klimawandel ist die Verringerung des Energieverbrauchs." Allerdings müsse Peking etwas gegen die Benachteiligung deutscher Investoren im Land tun, forderte der deutsche Vizekanzler. Nur eine "Partnerschaft auf Augenhöhe" mache Sinn.
Von den Reformplänen in China könnten deutsche Unternehmen nach Ansicht der Bundesregierung besonders stark profitieren. Große Chancen sieht Gabriel vor allem für deutsche Firmen im Bereich der Umwelt- und Energietechnik. China wisse, dass es mit seinem extrem energieverbrauchenden Wachstumsmodell an Grenzen gestoßen sei, sagte Gabiel bei der Eröffnung eines deutsch-chinesischen Forums zur Energieeffizienz.
"Eine Überlebensfrage"
Angesichts vergifteter Gewässer in vielen Teilen des Landes und massiven Luftverschmutzung als Folge der forcierten Industrialisierung sei klar, dass in China Energiesparen und Emissionsminderungen nötig seien, sagte Gabriel. "Deswegen glaube ich, ist es eine Überlebensfrage der chinesischen Volkswirtschaft, in ein nachhaltiges und umweltschonendes Wachstum zu investieren." Und dafür bringe die deutsche Wirtschaft die geeigneten Technologien mit.
Vor einem Gespräch mit Ministerpräsident Li Keqiang erklärte Gabriel, die deutsche Wirtschaft verfolge den neuen Aufbruch in Richtung mehr wirtschaftliche Offenheit in China mit großem Interesse. Generell habe China trotz seines zuletzt etwas geringeren Wachstums weiterhin ein riesiges Potenzial. Der chinesische Regierungschef sprach vor dem Treffen von neuen Impulsen für die deutsch-chinesischen Beziehungen.
Gabriel erwähnte allerdings auch einen der wunden Punkte in den deutsch-chinesischen Beziehungen. Er beklagte, dass insbesondere deutsche Mittelständler im chinesischen Markt mit großen Hindernissen zu kämpfen hätten: "Der Hauptpunkt ist nach wie vor der Schutz von Patenten und des Urheberrechts." Daneben gehe es um eine faire Behandlung bei öffentlichen Ausschreibungen sowie um Rechts- und Planungssicherheit. Für dieses Anliegen gebe es große Offenheit in der chinesischen Regierung, sagte Gabriel nach einem Gespräch mit dem Chef der Reformkommission. Das bedeute aber nicht, dass schnell Abhilfe zu erwarten sei.
China-Erfolg nur mit Partner
Das gelte auch für das Problem, dass deutsche Firmen in China in wichtigen Bereichen - wie etwa der Auto- oder Pharmabranche - nur in Gemeinschaftsunternehmen mit lokalen Partnern am Markt tätig werden könnten, sagte der Minister. So wie chinesische Firmen in Deutschland ohne jede Beschränkung aktiv werden könnten, müssten auch deutsche Firmen in China ihre Geschäfte machen dürfen.
Gabriel war in der Nacht zum Dienstag in Peking eingetroffen. Begleitet wird der Wirtschaftsminister von einer starken Wirtschaftsdelegation mit Vertretern zahlreicher deutscher Unternehmen. Schon jetzt ist China Deutschlands größter Außenhandelspartner außerhalb der EU. Das jährliche Handelsvolumen belief sich 2013 auf gut 140 Milliarden Euro. Der SPD-Politiker wird seine Gespräche in der Volksrepublik am Mittwoch in Shanghai beenden. Im Juli reist auch Kanzlerin Angela Merkel in die Volksrepublik China.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts