Wirtschaft

"Risiko für Preisschub steigt" Die Inflationsgefahr wächst

Das derzeitige Inflationsziel verfehlt die EZB seit Frühjahr 2013.

Das derzeitige Inflationsziel verfehlt die EZB seit Frühjahr 2013.

(Foto: REUTERS)

Das dürfte Wasser auf die Mühlen der Inflationsverängstigten sein: Die deutschen Produzenten heben die Preise kräftig an. Der Aufwärtstrend beschleunigt sich, die Marke von vier Prozent ist nicht mehr fern.

Ein wichtiger Inflationsvorbote ist im März stark nach oben ausgeschlagen: Die deutschen Produzenten hoben ihre Preise so stark an wie seit rund neuneinhalb Jahren nicht mehr. Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte stiegen um 3,7 Prozent zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Ein größeres Plus gab es zuletzt im November 2011 mit 4,6 Prozent. Im Vergleich zum Februar stiegen die Preise um 0,9 Prozent an- und damit kräftiger als von Ökonomen erwartet.

In der Statistik werden die Preise ab Fabrik geführt - also in der Regel, bevor die Produkte etwa in den Einzelhandel kommen. Sie geben damit einen frühen Hinweis auf die Entwicklung der Inflation.

"Damit dürfte das Risiko steigen, dass es am Ende der Pandemie einen Preisschub geben wird, weil dann womöglich der Überwälzungsspielraum schlagartig steigen wird", kommentierte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch den Anstieg. Unternehmen fiele es dann leichter, höhere Kosten auf die Kunden abzuwälzen. "Wir fragen uns, wann das auf die Verbraucherpreise durchschlägt und wann es die EZB zum Handeln zwingt", sagte ein Aktienhändler in Frankfurt. Den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts zufolge waren im März die Verbraucherpreise in Deutschland binnen Jahresfrist um 1,7 Prozent gestiegen.

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen in ihrem Gutachten für die Bundesregierung im laufenden Jahr mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 2,4 Prozent. 2020 lag sie noch bei 0,5 Prozent. Höhere Rohstoffpreise infolge der anziehenden Weltkonjunktur und Sondereffekte wie der Wegfall der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung sowie die Einführung der CO2-Bepreisung in den Bereichen Verkehr und Wärme gelten als Treiber. Die EZB sieht Preisstabilität bei einer Inflation von unter, aber nahe zwei Prozent erreicht.

Notfall-Anleihenkäufe im Fokus

Die heute veröffentlichten Zahlen dürften auch bei der EZB-Zinssitzung am kommenden Donnerstag für Gesprächsstoff sorgen - neben den Finanzierungskosten für Firmen und Staaten inmitten der dritten Corona-Welle. Im Mittelpunkt stehen dabei die Notfall-Anleihenkäufe des Kaufprogramms PEPP. Hintergrund ist der zeitweise aus den USA nach Europa drängende Anstieg der Kapitalmarktzinsen, der die Finanzierung von Unternehmen und Staatshaushalten verteuert und damit die wirtschaftliche Entwicklung zu belasten droht. Im April sind die richtungsweisenden Renditen von US-Anleihen aber wieder spürbar gefallen.

Einige der Zentralbanker haben deshalb jüngst erstmals öffentlich über ein Abschmelzen der PEPP-Käufe ab dem dritten Quartal sinniert, sollte mit Fortschritten in den Impfkampagnen und einer Wiedereröffnung der Wirtschaft eine robuste Erholung einsetzen.

"Aufkommende Debatten darüber, wie lange mit einem höheren Tempo gekauft werden soll und wie schnell das Abschmelzen sein soll, könnten für etwas Dramatik sorgen", schreiben die Volkswirte der Investmentbank Morgan Stanley zur Zinssitzung. Die Europäische Zentralbank hatte im März beschlossen, die Geschwindigkeit ihrer PEPP-Käufe im Vergleich zum Jahresanfang deutlich zu erhöhen. Damit will sie einer unerwünschten Verschärfung der Finanzierungsbedingungen im Euro-Raum entgegentreten. Das auf 1,85 Billionen Euro angelegte und noch bis mindestens Ende März 2022 laufende Programm ist zurzeit die wichtigste Waffe der EZB gegen die Pandemiefolgen. Die Anleihekäufe beliefen sich in der Woche bis zum 16. April auf 16,3 Milliarden Euro. In der vorausgegangenen Woche hatte das Volumen bei 17,1 Milliarden Euro gelegen.

Die Experten von Capital Economics gehen davon aus, dass die EZB in den nächsten ein oder zwei Monaten PEPP-Käufe pro Woche von 15 bis 20 Milliarden Euro tätigen wird. "Die Juni-Sitzung bleibt das nächste Schlüsselereignis für die EZB, dann wird sie entscheiden müssen, ob sie die PEPP-Käufe in der gegenwärtigen wöchentlichen Rate aufrechterhalten oder mit dem Abschmelzen der Käufe beginnen soll", meinen die Volkswirte Chiara Zangarelli und George Buckley vom japanischen Bankhaus Nomura. Zu dem Juni-Treffen werden den Zentralbankern neue Konjunktur-Prognosen der hauseigenen Ökonomen vorliegen.

EZB könnte Strategie ändern

Aus Sicht von Anatoli Annenkov, Volkswirt beim französischen Bankhaus Societe Generale, ist die Diskussion über die Zukunft der PEPP-Käufe auch mit der laufenden Strategieprüfung verknüpft. Ergebnisse dieses Strategiechecks, in deren Zentrum eine Überarbeitung des Inflationsziels von unter, aber nahe zwei Prozent steht, will die Notenbank im September vorlegen. "Viele bei der EZB werden hoffen, dass ein neues symmetrisches Inflationsziel, das einige Flexibilität nach oben hin signalisiert, Marktbefürchtungen beruhigen wird, dass ein Ausstieg schnell oder sogar verfrüht erfolgen könnte", meint der Ökonom.

Das derzeitige Inflationsziel verfehlt die Notenbank bereits seit Frühjahr 2013. Bislang hat EZB-Chefin Christine Lagarde noch keine Hinweise gegeben, wie das Inflationsziel künftig ausschauen wird.

Quelle: ntv.de, jga/rts

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