Spenden für die Steuer Die große Weihnachts-Heuchelei
17.12.2014, 16:05 Uhr
Wenn die Marines kommen, gibt's Spielzeug.
(Foto: REUTERS)
Weihnachten ist auch die Zeit, an diejenigen zu denken, denen es nicht gut geht. In den USA schnellen derzeit die milden Gaben in die Höhe. Damit soll aber nicht nur das eigene Gewissen, sondern auch das Portemonnaie entlastet werden.
In den USA ist es nicht leicht, vor Weihnachten in die richtige Festtagsstimmung zu kommen. Das Dezember-Desaster beginnt traditionell mit dem "Black Friday", bei dem sich die Schnäppchenjäger in der Mall tottrampeln. Dann schreien die konservativen Sittenwächter bei Fox News ständig vom "Krieg gegen Weihnachten", nur weil irgendein Städtchen den Weihnachtsbaum heuer "Tannenbaum" nennt. Oh, der moralische Verfall einer christlichen Nation ...
Doch rechtzeitig zum Fest gibt es Hoffnung: In den letzten Wochen sind nicht nur die milden Gaben der US-Amerikaner in die Höhe geschnellt, sondern auch die Berichterstattung in den Medien über alle möglichen wohltätigen Zwecke, die man zum Feste unterstützen könnte. Auf der Weihnachtsliste beim Wirtschaftsmagazin "Forbes" finden sich Krebsstationen von Krankenhäusern, Hundeheime, Hilfsgruppen für verwundete Soldaten - es gibt viele im Land, die Hilfe brauchen.
Interessanterweise kämen nicht einmal nur die offiziellen gemeinnützigen Verbände infrage. Denn trotz der jüngsten Erholung der US-amerikanischen Konjunktur liegt das durchschnittliche Haushaltseinkommen in den USA auf dem niedrigsten Stand seit 1995, immer mehr Bürger im Land der unbegrenzten Möglichkeiten leben unterhalb der Armutsgrenze.
Denen hilft freilich niemand. Denn wenngleich die Spenden in den USA gegen Jahresende immer merklich anziehen, dann gibt es dafür doch vor allem einen Grund: Spenden an anerkannte Organisationen sind steuerlich absetzbar. Nicht zuletzt an der Wall Street treten daher vor allem die Verbände auf, die den ersehnten steuerbefreiten Status haben und ihren Gönnern die entsprechende Abschreibung zusichern können.
"Toys For Tots" ist eines der beliebten US-amerikanischen Programme, die ständig unterstützt werden. Die US Marines – die Elitegruppe des US-amerikanischen Militärs – organisiert die jährliche Spielzeugsammlung, für die auch auf dem Parkett der New York Stock Exchange wieder große Container aufgestellt wurden. Sie füllen sich langsam und bald werden die schön verpackten Geschenke mit großem Tamtam und begleitet von Fernsehkameras an notleidende Kinder übergeben. Dann fühlen sich die USA besser.
Doch in Wahrheit ist die weihnachtliche Großzügigkeit der US-Amerikaner nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Um die vielen Armen im Lande nachhaltig zu unterstützen, bedarf es einer ganz neuen Sozialpolitik. Die ist in den USA nicht vorstellbar, denn sie ist teuer. Der wohlhabende Teil des Landes müsste höhere Steuern zahlen - doch spendabel ist man nur, wenn man Steuern sparen kann.
Quelle: ntv.de