Langzeit-Anleihe mit Negativrendite Schweiz verdient mit Schuldenmachen
09.04.2015, 13:48 Uhr
(Foto: REUTERS)
Als erster Staat der Welt schlägt die Schweiz eine zehnjährige Anleihe mit negativer Rendite los. Die Zeiten für Sparer werden immer härter. Die ersten legen ihr Geld lieber in den Tresor.
Davon kann Griechenland nur träumen: Reiche Länder wie die Schweiz oder Deutschland leihen sich Geld am Finanzmarkt und verdienen auch noch daran. Anleger sind so scharf darauf, ihnen Geld zu leihen, dass sie bereit sind, drauf zu zahlen. Sie werden ihr investiertes Vermögen nie ganz wiedersehen. Aber in Ermangelung von Alternativen nehmen sie das in Kauf. So ist Schuldenmachen das reine Vergnügen.
Am Mittwoch hat die Schweiz noch einmal neue Maßstäbe gesetzt. Die Eidgenossen sind die ersten, die über eine Auktion zehnjährige Anleihen - sogenannte Benchmark-Bonds - mit negativer Rendite platzierten. Sie gaben Schuldtitel im Umfang von 377,9 Millionen Franken aus, die 2025 und 2049 fällig werden. Beim Ausgabekurs von 116 Prozent belief sich die Rendite der zehnjährigen Laufzeit auf minus 0,055 Prozent. Bei einem vergleichbaren Langläufer zwei Monate zuvor waren wenigstens noch 0,011 Prozent Rendite für Anleger abgefallen.
Mehrere europäische Staaten haben in jüngster Zeit zwar ebenfalls Staatsanleihen mit Renditen unter null emittiert, doch dabei handelte es sich ausnahmslos um Schuldpapiere mit bis zu siebenjährigen Laufzeiten. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verdient derzeit beim Schuldenmachen so gut wie nie. Bei der Emission von Anleihen mit zweijähriger Laufzeit am Mittwoch sank die durchschnittliche Rendite auf das Rekordtief von minus 0,28 Prozent. Im Klartext bedeutet dies: Wer Schäuble 100 Euro leiht, bekommt in zwei Jahren weniger als 99,50 Euro zurück - und zwar nominal. Bankgebühren und Geldentwertung sind da noch gar nicht mit eingerechnet.
Die Emission in der Schweiz zeigt, dass bei null Prozent nicht Stopp ist. Die Entwicklung wird sich fortsetzten, das Universum der Niedrigzinsen dehnt sich aus. Ein Grund dafür ist die Debatte an den Finanzmärkten, ob Griechenland seine Schuldenprobleme nun endlich in den Griff bekommt oder aus der Eurozone ausscheidet. Weitere Ursachen sind die derzeit nicht vorhandene Inflation und das noch immer sehr schwache Wirtschaftswachstum in Euroland. Dies treibt viele Anleger in vermeintlich "sichere Häfen", wie deutsche oder Schweizer Staatsanleihen.
EZB lässt Renditen einbrechen
Selbst Spanien hat bei der Versteigerung von kurzlaufenden Staatspapieren zuletzt erstmals Geld verdient. Hier sorgt vor allem die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank mit ihrem garantierten Kaufprogramm von Staatsanleihen dafür, dass sich der Staat günstig refinanzieren kann. Kritiker bemängeln, dass es gar nicht genug Papiere im Rentenmarkt gibt, die für die EZB in Frage kommen. Das drücke die Renditen.
Die Notenbanken weltweit versuchen, mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Damit soll Wachstum generiert werden. Aber der Kreislauf stockt. In der Schweiz agiert die Notenbank deshalb seit Januar mit negativen Einlagensätzen. Das heißt, Kreditinstitute müssen für bei der Schweizer Nationalbank "geparktes" Geld Strafgebühren zahlen. Der Strafzins liegt aktuell bei 0,75 Prozent. Auch das treibt Anleger in den Anleihemarkt. Denn es ist günstiger, eine zehnjährige Anleihe mit einer Negativ-Rendite von 0,055 Prozent zu zeichnen, als 0,75 Prozent Strafgebühren der Notenbank zu zahlen.
"Die Kombination aus Deflationsängsten und aggressivem Vorgehen der Notenbankren lässt Anleger die Realität negativer Anleiherenditen akzeptieren", sagt Marktstratege Jeffrey Sica von Circle Squared Alternative Investments. Es könne als Zeichen verstanden werden, dass Investoren kurzfristig nicht an ein Wachstum der Wirtschaft glauben.
Harte Zeiten für Sparer
Die Leidtragenden sind die Sparer, die wegen der rekordtiefen Zinsen nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld. Kritiker warnen seit langem: Das Geldvermögen der Sparer wird immer weiter entwertet. Geldanlage ist zur Geldvernichtung geworden, Wörter wie "Sparbuch" oder "Sparkonto" sind nur noch Augenwischerei. Heute ist das Sparbuch ein "Entsparbuch". Diese Entwicklung birgt insbesondere hinsichtlich des Aufbaus einer adäquaten Altersvorsorge große Gefahren. Kritiker der EZB-Politik warnen vor schleichendem Wohlstandsverlust und Verarmung durch sinkende Renditen.
Um ihr Geld in Sicherheit zu bringen, sollen Privatanleger in der Schweiz bereits tütenweise Geld aus den Banken tragen. Institutionelle haben es nicht ganz so leicht. Sie sind durch Regulierungsvorgaben gezwungen, 70 Prozent am Anleihenmarkt zu investieren. Aktien dürfen sie nur begrenzt kaufen, sie gelten als zu risikoreich. Aber Berichten zufolge überlegen sich auch einige Pensionskassen in der Schweiz, einen Teil ihres Rentengeldes in einem externen Tresor zu lagern.
Eine nicht genannte Pensionskasse soll berechnet haben, dass sie bei zehn Millionen Franken 25.000 Franken Rentengeld sparen würde - jedes Jahr. Kosten für Tresormiete, Geldtransport und weitere Ausgaben wurden hier bereits abgezogen. Eine Bank soll sich geweigert haben, eine so hohe Summe auszuhändigen.
Die Frage ist, wie lange das gutgehen kann. Wann entscheiden sich mehr Menschen, ihr Geld abzuheben statt dafür zu zahlen, dass Staaten Schulden machen? Kritiker warnen vor einem Platzen der Renten-Blase.
Quelle: ntv.de