Konfrontation mit Washington Kanada erteilt Boeing eine Absage
13.12.2017, 15:48 Uhr
Überschallschneller Mehrzweck-Kampfjet: Die kanadischen Streitkräfte setzen die F-18 zur Luftverteidigung und zur Unterstützung von Bodentruppen ein.
(Foto: © RCAF, Master Corporal Louis Brunet)
Der von US-Präsident Trump angestoßene Subventionsstreit mit Kanada geht für die US-Wirtschaft nach hinten los. Die Kanadier wehren sich gegen die Vorwürfe aus Washington und lassen kurzerhand einen geplanten Auftrag an Boeing fallen.
Die kanadische Regierung holt im Handelsstreit um grenzüberschreitende Flugzeuglieferungen mit den USA zum Gegenschlag aus: Das kanadische Verteidigungsministerium lässt seine Pläne fallen, dem US-Rüstungs- und Luftfahrtkonzern Boeing 18 fabrikneue Kampfjets vom Typ F-18 "Super Hornet" abzukaufen. Der Stückpreis der modernisierten F-18-Version dürfte sich Branchenkennern zufolge bei rund 90 Millionen US-Dollar bewegen. Ein Gesamtauftrag über 18 Jets käme damit auf gut 1,6 Milliarden Dollar (rund 1,4 Milliarden Euro).

Gebrauchte Maschinen aus Australien: Mit der Technik von Boeing kennen sich kanadische Crews bereits aus.
(Foto: © RCAF, Master Corporal Louis Brunet)
Stattdessen werde die kanadische Luftwaffe 18 gebrauchte F-18-Kampfflugzeuge aus Australien übernehmen, teilte das Ministerium mit. Die gebrauchten Flieger sind den Angaben zufolge nahezu baugleich zu bereits vorhandenen Maschinen. Dadurch lassen sich Kosten bei der technischen Überarbeitung, der Ausbildung von Piloten und Bodenpersonal sowie bei der Instandhaltung sparen.
Der ursprüngliche Auftrag werde neu ausgeschrieben, erklärte Verteidigungsminister Harjit Sajjan. Er bestätigte damit entsprechende Spekulationen, die in Branchenkreisen seit Tagen kursierten.
Die Entscheidung der kanadischen Regierung werten Beobachter als Retourkutsche für eine Maßnahme der US-Regierung unter Donald Trump: Washington hatte die Importe von Passagierflugzeugen für die US-Fluggesellschaft Delta Airlines kürzlich mit erheblichen Strafzöllen belegt. Die Maschinen des kanadischen Herstellers Bombardier seien über Gebühr staatlich subventioniert, befand das US-Handelsministerium. Beobachter fürchten, dass sich der Streit zu einem Handelskrieg auswachsen könnte.
Airbus zwischen den Fronten?
Dabei könnte auch der europäische Flugzeugbau zwischen die Fronten geraten. Mitte Oktober übernahm Airbus eine Mehrheitsbeteiligung an der Bombardier-Tochter CSALP, die die neuen Hoffnungsträger für die Mittelstrecke, Jets der sogenannten C-Series, entwickelt. Airbus ist der wichtigste Konkurrent von Boeing. Im Wettbewerb der beiden Branchenriesen geht es allerdings vor allem um den lukrativen Markt der zivilen Passagiermaschinen.
Im Rüstungssektor spielt der Wettbewerb zwischen Boeing und Airbus - auch aufgrund der traditionellen Nähe zu den jeweiligen Regierungssitzen - eine eher untergeordnete Rolle. Die Entscheidung der Kanadier könnte europäischen Kampfjet-Herstellern dennoch in die Karten spielen. Da die kanadische Regierung den Auftrag zur Modernisierung der eigenen Luftwaffe komplett neu ausschreiben will, könnten theoretisch auch Flugzeugbauer wie Dassault aus Frankreich oder Airbus mit dem Eurofighter in Kanada zum Zuge kommen.
Wird Trump für Boeing zum Risiko?
Dass der Zuschlag am Ende dennoch an Boeing geht, ist unwahrscheinlich: Auftragnehmer, die sich schädlich für Kanada verhielten, seien in dem Bieterprozess benachteiligt, teilte das kanadische Verteidigungsministerium mit. Branchenkenner werteten dies als klaren Fingerzeig in Richtung Boeing. Der US-Hersteller bedauerte in einer Stellungnahme die Entwicklung.
Hintergrund des drohenden Handelsstreits ist die umstrittene Wirtschaftspolitik des US-Präsidenten. Die USA und Kanada verhandeln derzeit über die Neufassung ihres gemeinsamen nordamerikanischen Freihandelsabkommens mit Mexiko (Nafta). Die Chancen auf eine Einigung waren zuletzt dem Vernehmen nach wieder gesunken. Trump hatte das ursprüngliche Abkommen einseitig aufgekündigt und eine Neuverhandlung gefordert.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa