Deflation in Italien Preise im Euroraum ziehen deutlich an
04.01.2017, 14:15 Uhr
Vor allem an der Tankstelle macht sich die Inflation für die Verbraucher bemerkbar.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Zeit der Mini-Inflation im Euroraum ist überwunden. Das liegt teils an einem erwartbaren statistischen Effekt. Dennoch sind die Experten überrascht, wie stark die Preise steigen. In Italien hingegen herrscht erstmals seit 50 Jahren Deflation.
Höhere Kosten für Energie haben die Verbraucherpreise im Euroraum steigen lassen. Die Inflation im Währungsraum zog im Dezember deutlich an. Wie das Statistikamt Eurostat mitteilte, lagen die Verbraucherpreise 1,1 Prozent höher als vor einem Jahr. Das ist nicht nur mehr als die im November gemessene Inflationsrate von 0,6 Prozent. Es ist darüber hinaus die höchste Inflationsrate seit September 2013.
In Italien hingegen hat es zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren eine negative Inflationsrate gegeben. Die Verbraucherpreise fielen 2016 um 0,1 Prozent, wie die Statistikbehörde Istat nach vorläufigen Berechnungen bekanntgab. Zuletzt hatte das Land 1959 eine Deflation verzeichnet. 2015 waren die Preise so geringfügig gestiegen wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und zwar um 0,1 Prozent. Für das neue Jahr erwartet Istat eine Inflationsrate von 1,0 Prozent.
Unter Deflation versteht man den Rückgang der Preise für Waren und Dienstleistungen. Üblicherweise entsteht Deflation, wenn die Nachfrage in einer Volkswirtschaft kleiner ist als das Angebot.
Eigentlich wirken sich Preissenkungen positiv auf das Befinden einer Gesellschaft aus. Beruhen sie jedoch auf fehlender Nachfrage, führen sie langfristig zu Wirtschaftskrisen und wachsender Arbeitslosigkeit. Wenn niemand mehr die Produkte einer Firma kauft, wird diese weniger investieren und versuchen, Kosten zu sparen - zum Beispiel mit Entlassungen. Mit wachsender Arbeitslosigkeit wird jedoch noch weniger konsumiert und die Unternehmen müssen noch mehr sparen.
Das gängigste geldpolitische Mittel zur Bekämpfung von Deflation sind niedrige Zinsen seitens der Zentralbanken.
Der Anstieg der Inflation im Euroraum hatte sich bereits angedeutet. Inflationsdaten aus Deutschland und Spanien waren deutlich höher ausgefallen als erwartet. Experten erwarteten zudem seit längerem, dass die Teuerungsraten wieder anziehen. Denn der Verfall der Rohölpreise, der die Gesamtinflation bislang stark gedämpft hatte, fällt zunehmend aus dem Jahresvergleich heraus. Das sorgt quasi automatisch für steigende Inflationsraten, den sogenannten Basiseffekt. Im Dezember war Energie deutlich teurer als vor einem Jahr. Der Anstieg betrug 2,5 Prozent.
Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass Energie überhaupt teurer wurde. Zuvor waren die Ölpreise stark gefallen. Spätestens seit der Einigung des Ölkartells Opec und anderer wichtiger Produzenten auf Förderkürzungen sind die Preise allerdings wieder gestiegen.
Das sorgt für allgemeinen Preisauftrieb, weil Ölprodukte wie Benzin einen hohen Anteil im Warenkorb ausmachen, mit dem Statistiker die Inflation messen. Angehoben wurde die Inflation außerdem durch Preise für Lebensmittel und Dienstleistungen, die jeweils 1,2 Prozent höher lagen als ein Jahr zuvor. Industriell gefertigte Waren kosteten dagegen nur 0,3 Prozent mehr.
Mit dem jüngsten Preisanstieg nähert sich die Inflation der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) zumindest ein Stück weit an. Die EZB strebt für den Euroraum eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an, hat sie seit etwa drei Jahren aber nicht mehr erreicht. Dies ist ein Grund, warum die Notenbank ihre Geldpolitik in den vergangenen Jahren stark gelockert hat. Bislang macht die Notenbank keine Anstalten, wegen des etwas stärkeren Preisauftriebs eine Straffung ihrer Geldpolitik zu signalisieren.
"Der dämpfende Effekt des Ölpreisrückgangs kehrt sich allmählich um", sagte Analyst Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen. Die VP Bank erwartet, dass der preistreibende Effekt der Ölpreise "ein kurzes Intermezzo" bleiben dürfte. Der Geldhahn der EZB bleibe vorerst weit geöffnet, prognostizierte Chefvolkswirt Thomas Gitzel.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa