Insolvenzverschleppung bei Prokon? Staatsanwältin ermittelt gegen Rodbertus
15.07.2014, 16:53 Uhr
Der eine soll die Insolvenz verwalten, gegen den anderen wird ermittelt: Carsten Rodbertus (r.) und Dietmar Penzlin (l.) Ende Januar bei einer Pressekonferenz in einer Prokon-Werkshalle in Itzehoe.
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Die Prokon-Pleite geht in die nächste Runde. Am 22. Juli sollen die Gläubiger über einen Insolvenzplan abstimmen. Gegen Prokon-Gründer Rodbertus ermittelt die Staatsanwaltschaft. Anlegerschützer warnen vor Strohmännern.
Gegen den langjährigen Chef und Gründer der zahlungsunfähigen Windenergie-Firma Prokon Regenerative Energien, Carsten Rodbertus, ermittelt die Staatsanwaltschaft Lübeck wegen Insolvenzverschleppung. Nach einem ersten Anfangsverdacht sei nun ein offizielles Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen des Unternehmens eingeleitet worden, sagte Oberstaatsanwältin Wenke Haker-Alm.
Neben dem Verdacht auf Insolvenzverschleppung werde auch wegen weiterer Wirtschaftsdelikte ermittelt, erklärte Haker-Alm. Details dazu wollte sie zunächst nicht nennen. Die Behörde hatte nach mehreren Strafanzeigen geprüft, ob ein Anfangsverdacht wegen Betruges bestand. In der nächsten Woche sollen Prokon-Gläubiger bei einer Versammlung in den Hamburger Messehallen dem Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin den Auftrag für einen Insolvenzplan erteilen. Das Treffen der Gläubiger ist für den 22. Juli angesetzt.
75.000 Anleger hatten dem Unternehmen - in der Erwartung ungewöhnlich hoher Renditen - rund 1,4 Milliarden Euro als Genussrechtskapital zur Verfügung gestellt. Anfang des Jahres waren die wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei Prokon nicht mehr zu übersehen. Ein Insolvenzantrag wurde am 22. Januar 2014 beim Amtsgericht Itzehoe (Schleswig-Holstein) gestellt.
Anfang Mai wurde schließlich das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Prokon Regenerative Energien GmbH eröffnet, da das Unternehmen nach Gerichtsangaben überschuldet und zahlungsunfähig ist. Die Anleger werden nach bisherigen Angaben des Insolvenzverwalters rund 40 bis 70 Prozent (Insolvenzquote: 30 bis 60 Prozent) ihres Kapitals verlieren. Das Landgericht Itzehoe hielt zuletzt nochmals ausdrücklich fest: Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig im Sinne der Insolvenzordnung (§ 17 Absatz 2 Satz 1 InsO).

Prokon "zerschlagen oder als Ganzes retten? Penzlin und Rodbertus sind alles andere als einer Meinung (Archivbild).
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Wegen der "Unmenge von Datenmaterial" rechnet die Oberstaatsanwältin mit Blick auf die anlaufenden Ermittlungsverfahren gegen die Prokon-Spitze nun damit, dass die Untersuchungen mindestens ein Jahr in Anspruch nehmen werden. Es seien sehr viele Bewertungsfragen zu klären, ergänzte Haker-Alm. Die Staatsanwaltschaft muss unter anderem herausfinden, wann genau der Zeitpunkt einer Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist.
Für die anstehende Gläubigerversammlung sammeln derzeit Anlegervertreter Vollmachten ein, um die Kapitalgeber bei der Versammlung zu vertreten. Auch Ex-Geschäftsführer Rodbertus ist diesbezüglich aktiv. Anfang April hatte Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin Rodbertus entlassen. "Die Tätigkeiten von Herrn Rodbertus (...) sowie ihre jüngsten Äußerungen über Prokon haben leider keinen Raum mehr für eine konstruktive Zusammenarbeit gelassen", hatte der Insolvenzverwalter erklärt. Penzlin ist überzeugt, dass im Insolvenzverfahren das Kerngeschäft - Planung und Betrieb von Windparks - erhalten bleiben kann.
Streit um die "Zerschlagung"
Das ist nicht unumstritten. Penzlin wehrte sich zuletzt gegen seiner Ansicht nach "bewusst irreführende" Darstellungen und "Unwahrheiten" des Gründers. Zu diesem Zweck veröffentlichte der Insolvenzverwalter sogar "Richtigstellungen", die sich an Anleger richten. Rodbertus hält Penzlin vor, das Unternehmen zerschlagen zu wollen und strebt selbst an, es zu sanieren und als Ganzes zu erhalten.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) warnen vor dem Vorgehen des Ex-Chefs. Auch der Verein "Freunde von Prokon" (FvP), dem 8500 Anleger beigetreten sind, lehnt mittlerweile eine weitere Zusammenarbeit mit Rodbertus ab. Der Verein will sich dafür einsetzen, dass Penzlin am 22. Juli als Insolvenzverwalter bestätigt wird.
Aktionärsschützer warnen
Prokon hat mehr als 50 Windparks im Portfolio. Die Firma ist auch an verschiedenen anderen Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien beteiligt. In dem Unternehmen sollen rund 300 Arbeitsplätze der einst 480 erhalten bleiben.
Der Insolvenzverwalter hat sich mit den drei großen Gläubigergruppen - DSW, SdK und FvP - auf die Weiterführung des Unternehmens verständigt. Nach den Eckpunkten dieses Insolvenzplans gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Anleger. Danach könnten sie letztlich entweder Gesellschafter bleiben oder aus dem Unternehmen aussteigen.
Über die verschiedenen Optionen werden die Kapitalgeber am kommenden Dienstag entscheiden. Noch ist offen, wie viele Stimmen die jeweiligen Gruppierungen vertreten werden.
Totalverlust mit Rodbertus?
Die DSW hält die Stimmrechte-Sammler, die der Ex-Prokon-Chef empfiehlt, aller "Wahrscheinlichkeit nach" für dessen Strohmänner. Dadurch ergebe sich ein Interessenskonflikt, da der Geschäftsführer der Schuldnerin (also Rodbertus) als Gläubigervertreter in einem Insolvenzverfahren ausgeschlossen wäre, teilte die DSW mit. Nach ihrer Auffassung hat der Gründer ein "überragendes eigenes finanzielles Interesse daran, dass Insolvenzverfahren selbst zu beherrschen."
Auch die SdK lehnt die Pläne von Rodbertus ab. Sie brächten den Anlegern letztlich den Totalverlust, sagte SdK-Vorstandsmitglied Daniel Bauer. Und schließlich sei Rodberuts einer der Hauptverantwortlichen für die vom Insolvenzverwalter bestätigte schlechte wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Bei der DSW sind mittlerweile rund 4000 Prokon-Anleger registriert. Von der Sdk lassen sich rund 1000 vertreten.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa