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Bis zum Ende des Jahrzehnts Thyssenkrupp-Stahl will 11.000 Stellen abbauen oder auslagern

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Die Stahlproduktion von Thyssenkrupp steckt in der Krise. Der Konzern zieht Konsequenzen und baut binnen sechs Jahren 5000 Stellen ab. Außerdem sollen 6000 Stellen an externe Unternehmen ausgelagert werden. Die IG Metall ist empört - und kündigt Widerstand an.

Deutschlands größte Stahlfirma Thyssenkrupp Steel Europe will in den kommenden Jahren mehrere tausend Stellen abbauen. Die Zahl der Arbeitsplätze soll innerhalb von sechs Jahren von aktuell rund 27.000 auf 16.000 schrumpfen, wie das Unternehmen mitteilte.

Demnach sollen etwa 5000 Stellen bis Ende 2030 durch "Anpassungen in Produktion und Verwaltung" abgebaut werden. 6000 weitere Stellen sollen durch Ausgliederungen auf externe Dienstleister oder Geschäftsverkäufe ausgelagert werden.

Thyssenkrupp
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Die Personalkosten sollen darüber hinaus in den kommenden Jahren im Schnitt um zehn Prozent gedrückt werden. Dies gehöre zu wesentlichen Eckpunkten für ein industrielles Zukunftskonzept. Die IG Metall bewertete das Vorhaben als "Kahlschlag", der für die Beschäftigten und den Industriestandort NRW "eine Katastrophe" sei.

Mit dem Konzept reagiert das Unternehmen, das mehrheitlich dem Industriekonzern Thyssenkrupp gehört, auf die Nachfrageschwäche. Die Produktionskapazitäten sollen von 11,5 Millionen Tonnen pro Jahr auf nur noch 8,7 bis 9,0 Tonnen gesenkt werden. Das entspreche der Versandmenge des vergangenen Geschäftsjahres. Im Rahmen der Neuaufstellung bleibe es erklärtes Ziel, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

Scharfe Kritik von der IG Metall

IG-Metall-Bezirksleiter Knut Giesler, der stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp Steel Europe ist, sagte: "Wer über 11.000 Beschäftigte abbauen und einen Standort schließen will, muss mit dem erbitterten Widerstand der IG Metall rechnen." Er monierte, dass es keinen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen gebe. "Genau das sind die roten Linien, die wir immer wieder kommuniziert haben." Zu den geplanten Kürzungen bei den Personalkosten sagte Giesler: "Wer in Zeiten des Fachkräftemangels auf solche Ideen kommt, hat nichts verstanden."

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach sich mit Blick auf den geplanten Stellenabbau für Entlastungen für die Stahlbranche aus. Der Grünen-Politiker erklärte in Berlin: "Die Entscheidung des Konzerns ist Ergebnis des großen Drucks, unter dem die Stahlindustrie seit vielen Jahren weltweit steht." Es gebe große globale Überkapazitäten, der internationale Wettbewerb sei entsprechend hart. Die tiefgreifenden Einschnitte bei Thyssenkrupp seien eine Folge davon. "Unsere Stahlindustrie muss vor nicht marktlichen Wettbewerbsverzerrungen geschützt werden."

Zum Schutz der Stahlindustrie habe er sich gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten erfolgreich für eine Verlängerung der aktuell geltenden EU-Schutzmaßnahmen gegen Stahlimporte bis zum 30. Juni 2026 eingesetzt. Eine erneute Verlängerung sei dann WTO-rechtlich nicht möglich, sagte Habeck mit Blick auf die Welthandelsorganisation. "Das sollten wir nicht so einfach hinnehmen. Wir setzen uns daher für eine Nachfolgeregelung ein, um den Stahlmarkt zu schützen."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst zeigte sich schockiert über die Pläne. "Die Ankündigungen von Thyssenkrupp sind ein Schock für Tausende Beschäftigte und ihre Familien. Sie sind leider eine abermals schlechte Nachricht für den Industriestandort Deutschland", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post". Thyssenkrupp müsse seiner sozialen Verantwortung gerecht werden, sagte Wüste und "eine Einigung auf Augenhöhe" sowie einen sozialverträglichen Stellenabbau. "Die Landesregierung hat die klare Erwartung an das Unternehmen, dass es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommt."

Festhalten an "Grünstahl"

Man wolle für möglichst viele Beschäftigte langfristige Perspektiven schaffen, sagt Thyssenkrupps Stahlchef Dennis Grimm. Deshalb werde man sich durch gezielte Kapazitätsanpassungen und Kostensenkungen an die veränderten Marktbedingungen anpassen. "Um uns zukunftsfest aufzustellen, ist eine umfassende Optimierung und Verschlankung unseres Produktionsnetzwerkes und unserer Prozesse notwendig."

Ein wesentliches Element zur notwendigen Kapazitätsreduzierung bleibe die Trennung von den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM), hieß es weiter. Das vorrangige Ziel sei, die Unternehmensanteile an der HKM zu verkaufen. Sollte ein Verkauf nicht möglich sein, werde Thyssenkrupp Steel mit den weiteren Gesellschaftern Gespräche über einvernehmliche Schließungsszenarien führen. Zudem soll den Angaben zufolge der Weiterverarbeitungsstandort in Kreuztal-Eichen geschlossen werden. Dort sind 500 Mitarbeiter beschäftigt.

Parallel zu dem Sparprogramm will die Konzernmutter Thyssenkrupp die Verselbstständigung des Stahlbereichs vorantreiben. Derzeit hält das tschechische Energieunternehmen EPCG des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky schon 20 Prozent, in einem nächsten Schritt soll dieser Anteil auf 50 Prozent steigen.

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Deutschlands größte Stahlfirma ist schon lange unter Druck, Billigimporte aus Asien, hohe Kosten und eine schwache Nachfrage haben zu verlustreichen Geschäften geführt. Im Sinne des Klimaschutzes sind zudem hohe Investitionen nötig, um die CO2-Bilanz der energieintensiven Stahlproduktion zu verbessern. In Duisburg soll in der Zukunft mit Wasserstoff "Grünstahl" produziert werden, der Bund und das Land NRW fördern eine teure neue Anlage mit insgesamt zwei Milliarden Euro.

Trotz der kräftigen Finanzspritze des Staates ist das Vorhaben für Thyssenkrupp Steel eine teure Sache. Medienberichten zufolge war intern über einen Ausstieg aus dem Vorhaben nachgedacht worden. Nun betont das Unternehmen, dass man an dem Plan festhalte, die bereits im Bau befindliche Direktreduktionsanlage fertigzustellen. Gleichzeitig führe man "konstruktive Gespräche", "um die Wirtschaftlichkeit dieses großen Investitionsprojekts unter den sich schnell verändernden Rahmenbedingungen sicherzustellen".

Quelle: ntv.de, mli/dpa

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