Wirtschaftsthesen für die Tonne Trumps Müll-Rede
29.06.2016, 15:28 Uhr
Donald Trump vor einer gigantischen Recyclinganlage in Monessen, Pennsylvania.
(Foto: REUTERS)
Es sollte die perfekte Inszenierung für den republikanischen Präsidentschaftsanwärter sein. Haare, Teleprompter - zu Donald Trumps Wahlkampfrede zur Wirtschaft saß alles am rechten Fleck. Nur die bizarre Kulisse passte nicht.
So hatte sich Donald Trump seinen Auftritt in Pennsylvania wohl nicht vorgestellt. Eigentlich wollten der Rechtsaußen-Präsidentschaftskandidat der Republikaner und sein Team mit starker Kulisse schwache Umfragewerte aufpolieren. Womit sie nicht gerechnet hatten: Die Bühne hat sich in der Wahrnehmung der Betrachter irgendwie verselbstständigt. Von Trumps Worten blieb kaum etwas hängen.
Wenig präsidialer Schauplatz für Trumps wichtiges Wahlkampfthema Wirtschaft war ein Fabrikgelände in Monessen, eine Stunde von Pittsburgh entfernt. Eigentlich ein passender Ort, um auf Stimmenfang zu gehen. Im Westen des US-Bundesstaates Pennsylvania liegt die traditionelle Montan-Region. Sie lebt von Kohle und Metallverarbeitung und leidet unter dem Strukturwandel. Seit 1990 seien hier über 40 Prozent der Jobs verschwunden, sagt Trump.
Schuld an der Strukturschwäche hat laut Trump die Handelspolitik der USA, wie er in Pittsburgh einmal mehr betonte: "Globalisierung hat die Mittelklasse vernichtet." Als möglicher nächster US-Präsident will er das Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta neu verhandeln. Oder gegebenenfalls auch kündigen, wenn Kanada und Mexiko nicht zu neuen Verhandlungen bereit seien.
"Unsere Politiker haben eine aggressive Globalisierungspolitik betrieben, die unsere Jobs, unseren Reichtum und unsere Fabriken nach Mexiko und Übersee verlagert haben", las Trump den vorformulierten Text vor ausgewähltem Publikum vom Teleprompter ab. Der Milliardär plädiert seit Beginn seines Wahlkampfes für eine schnelle Abkehr von dieser Politik, um Jobs zu schaffen.
"Globalisierung hat mich reich gemacht"
Auch mit Kritik an China und seinen angeblichen Währungsmanipulationen und unfairen Handelspraktiken sparte Trump bei seinem Auftritt in Monessen wieder nicht. Er will hohe Strafzölle einführen, sollte er zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden. "Globalisierung hat die Finanzelite sehr, sehr reich gemacht. Ich hasse es zu sagen, aber ich war einer von ihnen", so Trump weiter. Viel Neues hatte er jedoch nicht zu bieten. Rhetorisch hat er inzwischen viel Inspiration beim Brexit-Lager getankt. Die Botschaft lautet: Amerika muss wieder zuerst kommen.
Neu ist eher, dass er geläutert, arbeiternah, industriefreundlich und bodenständig zu wirken versucht - nicht wie ein abgehobener Immobilien-Magnat. Möglicherweise wählte das Wahlkampfteam deshalb auch einen Berg an zerquetschten Aluminiumdosen und anderem Recyclingmüll als Kulisse fürs Rednerpult. Trump versucht seinen Wahlkampf zunehmend zu professionalisieren. In den vergangenen Tagen verpflichtete er dafür mehrere neue Berater. Darunter auch Jason Miller, der noch vor einigen Wochen für Trumps einstigen Konkurrenten Ted Cruz arbeitete.
Während der Rede in Monessen gab es eine ganze Breitseite an Reizen für alle Sinne - am Ende zu viel, muss man feststellen. Geknirscht und gekracht haben soll es, während der Müllberg gepresst wurde, berichten Zeugen. Auch Rauchschwaden sollen hier und da durch die Kulisse gewabert sein. An Geruchseindrücken soll es ebenfalls nicht gemangelt haben, als das Metall unter Druck zerquetscht wurde.
Er wolle professionell, authentisch und glaubwürdig bei den Wählern rüberkommen, heißt es. Dazu passt zwar der neue Teleprompter, von dem Trump inzwischen abliest. Und auch, dass die Mitarbeiter seine Redemanuskripte an Medienvertreter verteilten. Angeblich enthalten sie 128 Fußnoten zu Quellen für seine Behauptungen. Aber die Kulisse wirkte am Ende auf die Betrachter doch eher wie Realsatire.
Hohn und Spott für Trumps "Müll-Rede"
In den sozialen Netzwerken ergießen sich Hohn und Spott über die Inszenierung. "Hält Trump seine Rede in einer gigantischen Müllpresse?", fragt einer. Ein anderer Beobachter nennt es nur "Müll-Rede". Ob er damit Inhalt oder Optik meint, lässt er offen. Mancher Beobachter interpretiert die Müll-Wand als Hinweis auf Trumps Pläne für den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko.
Alles in allem rangiert Trumps Auftritt eher in der Kategorie PR-Debakel. Das Nachrichten-Portal "Business Insider" sieht Parallelen zum Auftritt der Alaska-Gouverneurin Sarah Palin 2008. Bei einer Thanksgiving-Rede wurde hinter ihr ein Truthahn in einen Schlachtapparat geschoben. Ein klarer Fall von Über-Inszenierung – ein Schuss, der praktisch nach hinten losgehen muss.
Viele US-Medien kritisieren auch den Wahrheitsgehalt in Trumps Argumentation. Die "New York Times" schreibt, dass die Zahl der Arbeitsplätze im Raum Pittsburgh in den letzten knapp 30 Jahren zwar mehr als 40 Prozent gesunken sei, dass dieser Jobabbau aber nichts mit der Nafta zu tun habe, weil der Stellenabbau deutlich früher eingesetzt habe. 5100 verlorenen Jobs in der Stahlbranche stünden zudem 66.000 neue Arbeitsplätze in der dynamisch wachsenden Gesundheitswirtschaft gegenüber.
Die US-amerikanische Handelskammer warnte unmittelbar nach Trumps Rede, dass die Vorschläge des republikanischen Präsidentschaftsanwärters zur Handelspolitik und zu neuen Zöllen gegen China die USA mindestens 3,5 Millionen Jobs kosten würden. Trumps Rede in Pennsylvania war nur der Auftakt einer Reise durch für ihn wahlentscheidende Staaten. Von Pittsburgh fährt er weiter nach Ohio und West Virginia. Er will vor allem bei weißen Arbeiterhaushalten punkten. Dafür muss er jedoch die Kulissen für seine Auftritte und seine Worte wohl sorgsamer wählen.
Quelle: ntv.de