"Peak Oil" war gestern USA taumeln in den Öl-Boom
02.11.2012, 20:12 Uhr
Die Fortschritte in der Fördertechnologien nicht berücksichtigt: "Das Angebot wächst schneller als der Bedarf."
(Foto: REUTERS)
Der Höhenflug beim Ölpreis macht die Erschließung weniger einträglicher Lagerstätten zu einem Milliardengeschäft. Die Goldgräberstimmung bei Ölsanden und Schiefergas weitet die Fördermengen in den USA stark aus. Welche Folgen hat das für den Weltmarkt? Experten sind sich uneins. Ihre Preisprognose für das Barrel reichen von 70 bis knapp 190 Dollar.

Trennung des Gestänges einer Probebohrung: Spätestens jetzt zeigt sich, was genau im Boden steckt.
(Foto: REUTERS)
Die Ölreserven der Welt werden früher oder später zur Neige gehen. Die Ausbeutung sogenannter unkonventioneller Lagerstätten, in denen Rohöl in Schiefergestein oder Sand gebunden ist, könnte dies zwar hinauszögern. Experten streiten aber darüber, ob die neue Förderung ausreicht, um den wachsenden Bedarf zu decken und langfristig den Ölpreis zu drücken.
"Die ' '-Verfechter sind fast ausgestorben", sagt Rohstoff-Experte David Hufton vom Brokerhaus PVM. Viele Mahner, die den Höhepunkt des weltweiten Fördervolumens (Peak Oil) bereits als überschritten ansahen, hätten die Fortschritte der Fördertechnologien nicht berücksichtigt. Denn Schieferöl kann nur unter hohem Aufwand gewonnen werden.
Die hierzu notwendigen Verfahren wurden erst in den vergangenen Jahren bis zur Einsatzreife entwickelt. "Das Land mit dem höchsten Ölbedarf - sowohl absolut als auch pro Kopf - ist nun in einer Position, in der das heimische ." Alles deute darauf hin, dass es sich dabei um ein langfristiges Phänomen handele, fügt Hufton hinzu.
Während der Ölpreis-Rally 2007/2008, als ein Barrel - ein Fass von 159 Liter - der weltweit richtungsweisenden Nordsee-Sorte Brent zeitweise 147,50 Dollar kostete, sagten einige Experten, das weltweite Ölförder-Maximum sei bereits überschritten. Die bekannten Lagerstätten gingen zur Neige und neue könnten nur mit großem technischen Aufwand erschlossen und ausgebeutet werden können. Aktuell kostet ein Barrel rund 108 Dollar.
Preisverfall oder Preisrally?
"Wir gehen davon aus, dass die Welt 2020 angesichts eines großen Angebots und mauer Nachfrage mit Öl geflutet sein wird", sagt Volkswirt Julian Jessop von Capital Economics. Sein Research-Haus sieht Brent zum Ende des Jahrzehnts bei 70 Dollar je Barrel. Das ist der niedrigste Wert einer Reuters-Umfrage zur Preisentwicklung der kommenden Jahre.
Die gegenteilige Meinung vertreten die Analysten von Barclays Capital. Sie sagen einen Preisanstieg auf 184 Dollar voraus. Gleich dahinter rangieren die Experten von Berenberg mit ihrer Prognose von 158 Dollar.
"Schieferöl hat zwar die US-Ölproduktion wiederbelebt", schreiben sie in einer Studie. "Dieses neue Angebot ist - selbst wenn man die kanadischen Ölsande hinzuzählt - aber zu gering, um den Weltmarkt zu fluten." Rohstoff-Experte Michael Dei-Michei von der Beratungsfirma JBC Energy weist zudem darauf hin, dass die Fördermengen der Nicht-Opec-Staaten außerhalb Nordamerikas hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Goldgräberstimmung mit Folgen
Der Terminmarkt geht bislang von einer Entspannung des Ölpreises aus. Der bereit handelbare Brent-Kontrakt mit Verfallsdatum Dezember 2019 notiert derzeit bei knapp 91 Dollar. Ab diesem Preisniveau gilt eine Ausbeutung "unkonventioneller Lagerstätten" als profitabel.
Zur Förderung von oder werden Gesteinsschichten mit Horizontalbohrungen unter Einsatz von hohem Druck und Chemikalien aufgebrochen. Dieses sogenannte " " ist wegen möglicher Umweltrisiken allerdings umstritten. So enthalten die Abwässer gesundheitsschädliche Chemikalien, die das Grund- und Trinkwasser verunreinigen können. Außerdem können bei der Förderung entzündliche Gase wie Methan freigesetzt werden.
Kritiker weisen zudem darauf hin, dass die beim Abbau entstehenden Hohlräume Erdbeben auslösen könnten. Bei Ölsanden wird das Bitumen mit Hilfe von Wasserdampf und Lösungsmitteln herausgewaschen.
Quelle: ntv.de, Claire Milhench und Alice Baghdjian, rts