
Griechenlands neuer Finanzminister Yanis Varoufakis.
(Foto: REUTERS)
Griechenlands neuer Finanzminister fordert die Eurozone heraus. Seine Strategie erinnert an Kim Jong-il und an Richard Nixon - und könnte durchaus erfolgreich sein. Denn seine Forderungen sind nachvollziehbar.
Griechenland hat ein neues Gesicht: Yanis Varoufakis. Er tritt selbstbewusst auf, fordernd, mit klaren Ansagen. In Deutschland reiben sich viele verwundert die Augen. Während ihn die einen als maßlos darstellen, erkennen andere seine Chuzpe an. Einig sind sie sich in einem: Für einen Finanzminister eines Landes, das nur wegen milliardenschwerer Hilfen nicht pleite ist, nimmt er den Mund ganz schön voll.
So ungewöhnlich das Verhalten von Varoufakis auch sein mag, es ist alles andere als irrational. Es wäre doch abwegig, wenn er als Bittsteller in Verhandlungen eintreten würde. Da macht es schon mehr Sinn, den Chef der Eurogruppe auf offener Bühne auflaufen zu lassen - und sich später kompromissbereit zu geben.
Varoufakis ist Ökonom und hat in akademischen Kreisen einen guten Ruf. Er lehrte bis zu seiner Ernennung zum Finanzminister als Professor an den Universitäten in Athen und im texanischen Austin. Sein Spezialgebiet: Spieltheorie, also das strategische Fällen von Entscheidungen. "Er wird mehr als einen Schritt vorausdenken", sagte James Galbraith der Nachrichtenagentur "Bloomberg". Der Ökonom lehrt ebenfalls in Austin. Er habe in seiner Generation keine Figur mit einer größeren intellektuellen Tiefe getroffen, so Galbraith über seinen Kollegen.
Bislang macht Varoufakis allerdings nicht den Eindruck, ruhig zu kalkulieren. Er brüskiert nicht nur Jeroen Dijsselbloem, sondern legt sich nebenbei während eines Interviews mit einer BBC-Journalistin an. In seinem Blog zieht er das Fazit: "Das hat Spaß gemacht."
Varoufakis setzt offenbar auf kontrollierte Eskalation. Das erinnert ein wenig an die überaus erfolgreiche Strategie der nordkoreanischen Führung. Erst wird die Lage verschärft, dann lässt man sich die Deeskalation teuer vergüten. Das ist alles andere als verrückt, das ist überaus rational.
Offenes Hemd, keine Krawatte
Die Strategie von Varoufakis hat auch etwas von der so genannten "Madman-Theory" des ehemaligen US-Präsidenten Richard Nixon. Während des Vietnam-Krieges wollte er das Bild eines unzurechnungsfähigen Staatschefs zeichnen, der möglicherweise Atomwaffen einsetzen könnte. Die Furcht davor sollte Nordvietnam und die Sowjetunion zum Einlenken bewegen - die Strategie ging allerdings nicht auf. Was nichts daran ändert, dass schon Machiavelli feststellte, dass es "sehr weise ist, zum richtigen Zeitpunkt Verrücktheit zu simulieren."
Und so tritt Varoufakis mit offenem Hemdkragen und ohne Krawatte auf. Seine Botschaft ist klar: "Ich spiele nicht nach euren Regeln." Er gibt sich dreist, unberechenbar - und erzielt damit durchaus erste Erfolge. Das liegt auch daran, dass seine Kernforderungen alles andere als Unsinn sind. Viele Ökonomen halten einen Schuldenschnitt für unausweichlich und den Sparkurs für überzogen. In Deutschland ist das nicht mehrheitsfähig, im europäischen Ausland und den USA schon.
Dennoch ist das alles nicht ohne Risiko: Übertreibt er, läuft Varoufakis Gefahr, dass die Eurozone Griechenland den Geldhahn zudreht. Selbst gute Spieler können sich verzocken.
Quelle: ntv.de