Wirtschaft

Amazon, Google & Co. Warum den Tech-Riesen Zerschlagung droht

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Konzerne wie Google stehen weltweit in der Kritik wegen Vorwürfen, die von Missbrauch der Marktmacht bis zu politischer Einflussnahme reichen.

(Foto: imago/UPI Photo)

Für die großen Technologiekonzerne wird es ernst: Das US-Justizministerium hat offiziell eine kartellrechtliche Untersuchung eingeleitet, die im äußersten Fall zu einer Zerschlagung einiger der wertvollsten und profitabelsten Unternehmen der Welt führen könnte.

Um welche Unternehmen geht es?

Das US-Justizministerium hat offiziell keine Namen genannt. In Anhörungen des US-Kongresses, die den Ermittlungen vorausgingen, standen jedoch der Suchmaschinen-Monopolist Google, die in der westlichen Welt dominierende Handelsplattform Amazon und das führende soziale Netzwerk Facebook im Fokus. In geringerem Maße steht auch iPhone-Hersteller Apple in der Kritik.

Was wird den Firmen vorgeworfen?

Die Konzerne bieten Dienste an, bei denen sie eine dominierende bis monopolartige Stellung erreicht haben. Ihnen wird vorgeworfen, diese zu missbrauchen, um Konkurrenten zu schaden, Wettbewerb zu unterdrücken oder gar politischen Einfluss zu nehmen. So betreibt Amazon einen Marktplatz für Drittanbieter, über den etwa in den USA inzwischen mehr als die Hälfte des gesamten Onlinehandels abgewickelt wird. Durch diese beherrschende Stellung kann der Konzern vor allem kleineren Händlern die Bedingungen weitgehend diktieren. Gleichzeitig tritt Amazon als Verkäufer aber auch in direkte Konkurrenz zu diesen von ihm abhängigen Anbietern. Außerdem drängt Amazon auch in andere Branchen, vor allem in den stationären Handel. Dazu hat der Konzern mehrere Einzelhandelsunternehmen aufgekauft. Eine enorme Macht hat Amazon inzwischen auch auf dem Arbeitsmarkt in den USA. Kritiker werfen dem Konzern vor, dies auszunutzen und Löhne zu drücken sowie miserable Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Google steht gleich in mehreren Geschäftsfeldern im Verdacht, seine Macht auszunutzen: So betreibt das Unternehmen die mit Abstand führende Suchmaschine, was ihm eine dominierende Stellung auf dem Werbemarkt verschafft. Zudem betreibt der Konzern die Handelsplattform Google Shopping, die von der eigenen Suchmaschine angeblich bevorzugt wird. Über das Betriebssystem Android kontrolliert Google außerdem den Zugang zu drei Vierteln aller Smartphones und Tablets weltweit. So kann Google App-Anbietern weitgehend die Bedingungen diktieren und ihnen eine gewaltige Provision von bis zu 30 Prozent ihres Umsatzes abknöpfen.

Bei Facebook drehen sich die Vorwürfe vor allem um den Umgang mit Nutzern. Mit dem Kauf von Whatsapp und Instagram hat sich Facebook eine marktbeherrschende Stellung im Bereich soziale Netzwerke gesichert. Das nutze der Konzern aus, um sich einen weitreichenden Zugriff auf die Daten der Nutzer zu sichern.

US-Präsident Trump und andere konservative Politiker werfen Google, Facebook und Amazon, dessen Chef unter anderem auch die einflussreiche "Washington Post" besitzt, vor, politisch voreingenommen zu sein. So missbrauchten sie angeblich ihre Plattformen, um "linke" Meinungen zu verbreiten und konservative Stimmen zu unterdrücken.

Apple kontrolliert mit seinem iPhone-Betriebssystem iOS zwar nur rund 20 Prozent des Smartphone-Markts. Diese Kontrolle ist aber umso strikter. Apple diktiert App-Anbietern nicht nur die Bedingungen und die Provision für den Zugang zu den iPhone-Nutzern, sondern tritt etwa als Anbieter von Apple Music auch in direkte Konkurrenz beispielsweise zum Streamingdienst Spotify.

Was antworten die Konzerne auf die Kritik?

Alle betroffene Unternehmen argumentieren, dass sie durchaus Konkurrenz hätten. Dazu definieren sie ihre Märkte viel weiter, als ihre Kritiker das tun. So weist Amazon darauf hin, dass immer noch 90 Prozent des Einzelhandels in den USA stationär abgewickelt werde, der Konzern also nur in einer Nische tätig sei. Facebook und Google zählten bei einer Anhörung im US-Kongress die vielen sozialen Medien beziehungsweise Suchmaschinen auf, die es ja noch gebe. Wobei sie deren großteils verschwindend kleinen Marktanteile nicht erwähnten. Zudem argumentieren die Unternehmen, dass ihre Plattformen Konkurrenten nicht benachteiligten, sondern im Gegenteil Chancen böten, die diese nirgendwo sonst fänden.

Was haben Politik und Kartellbehörden bislang unternommen?

In den vergangenen Jahren gab es bereits viele Fälle, in denen die Unternehmen wegen Marktmissbrauch zur Rechenschaft gezogen wurden. Die EU-Kommission verhängte gegen beispielsweise Google allein in den vergangenen zwei Jahren gleich dreimal Strafen in Milliardenhöhe: wegen der Verquickung des eigenen Shopping-Angebots mit der Suchmaschine, Wettbewerbseinschränkungen beim Betriebssystem Android und Behinderung von Konkurrenten seines Werbedienstes "AdSense". Gerade hat sich Facebook mit der US-Kartellbehörde auf eine Strafzahlung in Höhe von fünf Milliarden Dollar wegen des Missbrauchs von Benutzerdaten geeinigt.

Trotz der teils gigantischen Summen sind diese Strafen für die Unternehmen nicht so entscheidend wie die Änderungen ihrer lukrativen Geschäftsmodelle, die sie im Rahmen solcher Verfahren vornehmen mussten. So hat Facebook umfangreiche Einschränkungen in der Verwertung von Nutzerdaten angekündigt. Amazon hat gerade in einem Vergleich mit dem deutschen Kartellamt zugestimmt, die Rechte von Händlern auf seinem Marktplatz grundlegend auszuweiten.

Was ist neu an den US-Ermittlungen?

Neu ist, dass in den USA Parlament und Regierung erstmals systematisch alle großen Techkonzerne untersuchen. Zudem stehen Konsequenzen im Raum, die weit über Zugeständnisse auf dem einen oder anderen Geschäftsfeld hinausgehen. Gefährlich könnte den Unternehmen dabei werden, dass im ansonsten so stark polarisierten Washington sich Politiker beider Parteien in ihrer Sorge vor der Macht der Technologie-Giganten weitgehend einig sind. Mehrere Abgeordnete fordern ein Verbot, Plattformen zu betreiben und gleichzeitig als Anbieter dort aufzutreten. Zudem sollen auf der Grundlage des US-amerikanischen Kartellrechts Konzerne gezwungen werden, Tochterunternehmen wieder zu verkaufen: So soll sich etwa Facebook wieder von Whatsapp und Instagram trennen, Amazon von der Handelskette Whole Foods, Google unter anderem von der Navigationsapp Waze.

Wie wahrscheinlich ist eine Zerschlagung der Tech-Unternehmen?

Das US-Wettbewerbsrecht sieht eine solche erzwungene Aufspaltung ausdrücklich vor. Allerdings sind die Hürden dafür hoch. Die entsprechenden Gerichtsverfahren dürften sich über viele Jahre hinziehen. Erst zweimal (1911 der Ölkonzern Standard Oil und 1982 der Telekomriese AT&T) wurden in den USA tatsächlich Monopole zwangsweise aufgelöst. 1998 versuchte die Regierung, Microsoft wegen mutmaßlichen Missbrauchs seiner Marktmacht beim Betriebssystem Windows zu zerschlagen. In einem Berufungsverfahren konnte der Konzern das jedoch verhindern. Stattdessen stimmte Microsoft zu, anderen Softwareherstellern vor allem für deren Internetbrowser besseren Marktzugang zu gewähren. Ein solcher Kompromiss gilt auch im Streit um Amazon, Facebook & Co. als wahrscheinlichste Lösung.

Quelle: ntv.de

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