Wirtschaft

Brexit bringt Sorgen um Finanzplatz Was wird aus der "City of London"?

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Die britische Hauptstadt ist stolz auf ihre "City of London". Doch was geschieht nun mit dem mächtigen Finanzplatz? Der Brexit könnte für das Machtzentrum eine große Wende markieren. Eine Herabstufung des Standortes ist möglich. Die Folgen könnten drastisch sein.

Mit dem Brexit gehört auch die "City of London" nicht mehr zur Europäischen Union. Welche Auswirkungen wird das haben? Noch können auch die Experten nur Vermutungen anstellen. Nicht wenige glauben, dass Jobs in London abgezogen werden.

Bis dato hatte der Londoner Finanzmarkt weltweit eine enorme Bedeutung. Laut des Global Financial Centres Index des Statistischen Bundesamtes war die britische Hauptstadt 2015 der bedeutendste Finanzplatz der Welt, vor New York, Hongkong, Singapur und Tokio. Weit dahinter landet im weltweiten Vergleich Frankfurt auf Platz 14.

Londoner Finanzprodukte bislang EU-weit verkauft

Dass Großbritannien in der Europäischen Union war, hatte für die Geschäfte der Londoner Börse vor allem einen Vorteil: Sie konnten Finanzprodukte in der britischen Hauptstadt emittieren, die dann auch für anderen EU-Länder galten. Jetzt, nach dem Brexit, dürfte die Erlaubnis, Finanzprodukte in allen EU-Ländern zu vertreiben, wegfallen. Vor allem amerikanischen Banken, die in London große Standorte hatten, können nach dem EU-Austritt umdenken. Der Finanzhauptstadt London, die bisher stark von der engen Anbindung an die Märkte im Euro-Raum profitierte, droht ein Bedeutungsverlust.

Bislang war die "City" einer der wichtigsten Orte in der Finanzwelt.

Bislang war die "City" einer der wichtigsten Orte in der Finanzwelt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Teile von Banken, die etwa mit der Entwicklung von Produkten oder mit der Abwicklung von Derivaten zu tun hätten, könnten nach Frankfurt ziehen. Der Brexit könnte auch auf die geplante Fusion der beiden Börsen in Frankfurt und London gefährden - auch wenn die beiden Unternehmen nichts davon wissen wollen. Die Deutsche Börse und London Stock Exchange, LSE, wollen ihren Fusionsplan nicht vom Nein der Briten zur EU durchkreuzen lassen. Die Konzerne stünden "unverändert zu den einvernehmlich beschlossenen und bindenden Bestimmungen des Zusammenschlusses", so die Erklärung der beiden Unternehmen. Ob dieses Versprechen auch in den kommenden Monaten Bestand hat, ist allerdings fraglich, schließlich haben auch die Aktionäre noch ein Wörtchen mitzureden. 

London und Frankfurt, diese beiden Standorte werden seit dem Brexit immer öfter mit einander verglichen und gegeneinander gestellt. In der Londoner City arbeiten derzeit 360.000 Menschen im Finanzsektor, in Frankfurt dagegen nur 66.000. Vertreter der City sehen die möglichen Entwicklungen allerdings nicht so negativ, wie viele Finanzexperten sie derzeit vorhersehen.

"Wird keine massenhaften Firmen-Abwanderungen geben"

"Egal was kommt, die City bleibt ein internationales Finanzzentrum, aber in welcher Form und Größe hängt davon ab, was wir verhandeln werden", erklärte Mark Boleat, ein Vertreter der "City of London" in einem Interview am Morgen nach Referendum. "Es wird keine massenhafte Abwanderung von Banken aus London geben - die Frage ist nur, sind es 15.000 oder 5000 Personen", so Boleat weiter.

Doch so selbstsicher wie er sind nicht alle im Londoner Finanzviertel, wie eine Straßenumfrage des britischen "Telegraph" aus der Zeit vor dem Referendum zeigt. In einem Video sagt ein Banker der Societe General, dass ein Brexit die Wettbewerbsfähigkeit der City schmälern würde. Andere sagen: "Ich bin unsicher, denn niemand weiß, was kommt". Ein weiterer meint, der Brexit wäre aus seiner Sicht ein Disaster für den Standort London.

Vor dem Referendum hatten die Banker der Londoner City sich für den "Remain", den Verbleib in der EU, ausgesprochen. Sie mahnten: Briten, bleibt in der EU, alles andere kommt euch teuer zu stehen. Allerdings wurden in der City während des EU-Referendums gerade mal rund 4400 Stimmen abgegeben, knapp 6000 Menschen hätten dort wählen dürfen. Immerhin stimmten die wenigen Wähler zu gut 75 Prozent für den Verbleib in der EU.

Nicht mehr europäisches Passport

Sandra Navidi von BeyondGlobal sieht im Brexit eine Schwächung des Londoner Finanzmarkts: "Viele haben London als Zentrale genutzt, als europäisches Passport, wie es da weiter geht, ist völlig unsicher. Auch große Banken haben schon gesagt, sie müssen wahrscheinlich Arbeitsplätze und Aktivitäten aufs Festland verlegen."

Nicht wenige glauben das - und die Banken geben diesen Gerüchten Nahrung. Die Deutsche Bank überlegt Finanzkreisen zufolge, Bereiche wie den Devisenhandel von London nach Frankfurt zu verlagern. Der Chef von J.P. Morgen Chase, James Dimon, warnte schon vor einiger Zeit, dass die Wall Street Bank im Falle eines Brexit Jobs aus Großbritannien in andere europäische Länder verlagern würde, berichtet das "Wall Street Journal". Die Bank hat 16.000 Stellen in Großbritannien. Am Freitag gab Dimon dann bekannt, dass das Unternehmen in der nächsten Zeit einige rechtliche Strukturen und auch die Standorte verändern müsse.

Die Abwanderung von Firmen oder Teilen steht nach dem Brexit zur Debatte und könnte London Tausende Jobs kosten, die wiederum in Frankfurt, in der anderen großen europäischen Finanzmetropole, aufgebaut werden könnten. Auch die irische Hauptstadt Dublin macht sich Hoffnung auf Firmenansiedlungen. Entsprechende Gespräche liefen bereits seit Monaten, sagte der Chef der staatlichen Investitionsagentur IDA, Martin Shannahan.

Andere sehen im Brexit eine Chance für die City: So schreibt Neil Mohindra in der "Business Financial Post", dass London dann frei von EU Regeln sei. "Die einzigen Sorgen, die sich die City machen muss, sind die Regeln der britischen Regierung. Aber am Ende hat Großbritannien die Kraft, sich selbst Regeln aufzulegen." Für die "City of London" werden die weiteren Verhandlungen der britischen Regierung darüber entscheiden, wie stark der Finanzplatz am Ende wirklich unter dem Brexit leiden wird.

Quelle: ntv.de, sgu/dpa/rts

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