Wirtschaft

"Gierflation" großer Konzerne Wie stark Lebensmittel überteuert sind

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Die Preissprünge bei einigen Markenprodukten sind nach Expertenmeinung überhöht.

Die Preissprünge bei einigen Markenprodukten sind nach Expertenmeinung überhöht.

(Foto: picture alliance / Zoonar)

Internationale Lebensmittelriesen nutzen die hohe Inflation offenbar für überzogene Preiserhöhungen. Damit scheint nun immerhin Schluss zu sein, wie Handelsexperte Rüschen erklärt. Auf sinkende Preise können Verbraucher trotzdem nicht hoffen.

Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs sind die Preise für Nahrungsmittel in Deutschland um fast 30 Prozent gestiegen - und damit noch stärker als die Verbraucherpreise insgesamt. Ein Teil der Preissprünge bei Lebensmitteln lässt sich nicht überzeugend begründen, sondern dürfte überzogen sein. Nachweisen lässt sich das zwar nicht, doch Handelsexperte Stephan Rüschen schätzt, dass fünf Prozentpunkte des Preisanstiegs seit Kriegsbeginn unangemessen waren, wie er im Gespräch mit ntv.de vorrechnet. Immerhin dürfte mit diesen unverhältnismäßigen Preiserhöhungen - "Gierflation" genannt - ab sofort Schluss sein, prophezeit der Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Denn die Preisabstände von Markenprodukten zu den sogenannten Handelsmarken, also Eigenmarken der Supermärkte, dürfen nicht zu groß werden. "Sonst kauft sie keiner mehr", erklärt Rüschen. "Die Leute können sich weniger leisten." Infolge der allgemein hohen Inflation ist die Kaufkraft der Kunden gesunken, sodass die Handelsmarken im Vergleich zu Markenprodukten bereits massiv gewonnen haben. Heute greifen beispielsweise mehr Kunden zum Pesto der Discounter-Eigenmarke für 1,69 Euro statt von Barilla für um die 3,59 Euro. "Die Gierflation hat damit ein marktwirtschaftliches Ende", sagt Rüschen.

Auch die Handelsmarken sind in den vergangenen zwei Jahren deutlich teurer geworden. "Das zeigt, dass ein Teil der Preiserhöhungen gerechtfertigt ist", erklärt der Experte. Doch große internationale Lebensmittelhersteller nutzten die insgesamt steigenden Preise seiner Einschätzung nach, um durch überhöhte Preissteigerungen ihre Margen in Deutschland zu erhöhen. Da die deutschen Kunden Lebensmittel sehr preisbewusst einkaufen, ließ sich hierzulande zuvor nicht so viel verdienen wie in anderen Ländern.

Hohe Preise werden bleiben

Stephan Rüschen ist Professor für Lebensmittelhandel und Studiengangsleiter Retail Management.

Stephan Rüschen ist Professor für Lebensmittelhandel und Studiengangsleiter Retail Management.

(Foto: Karla Schraudolf)

Welche Preise die Hersteller durchsetzen können, hängt von ihrer jeweiligen Marktmacht ab. Unilever, Mars und Co halten es aus, wenn der deutsche Handel ihre Produkte vorübergehend aus dem Sortiment nimmt, um gegen die Preisforderungen der internationalen Hersteller zu protestieren. Kleinere deutsche Unternehmen, wie etwa die Molkerei Berchtesgadener Land oder Seeberger, konnten gegenüber dem Handel Rüschen zufolge keine überzogenen Preise durchsetzen.

Der Handel selbst musste wegen gestiegener Energie-, Logistik- und Personalkosten die Preise ebenfalls erhöhen, zusätzlich zu den gestiegenen Produktpreisen. Auch hier schätzt Rüschen den Anteil an der gesamten Teuerung seit Kriegsbeginn auf fünf Prozentpunkte. Und die Preise werden weiter steigen, auch wenn sich die Inflationsrate inzwischen deutlich abgeschwächt hat. Der Rückgang der Teuerungsrate ist auf die Basiseffekte zurückzuführen: Nach Kriegsbeginn waren die Preise bereits so drastisch gestiegen, dass sie jetzt im Vergleich dazu nicht mehr stark steigen. Inflationsraten bilden die Teuerung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ab.

"Selbst wenn die Hersteller Spielräume haben, ihre Preise wieder zu senken, werden sie das nicht tun", ist sich Rüschen sicher. "Es wird bei dem hohen Preisniveau bleiben." Denn könnte der Handel wieder günstiger einkaufen, wäre er später nicht mehr zu höheren Preisforderungen der Hersteller bereit. "Der Handel verhandelt hart."

Persönliche Inflation lässt sich senken

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Vor einem Jahr hatte der Preiskampf zwischen Händlern und Produzenten ein quasi historisches Ausmaß erreicht: 17 Konzerne belieferten Deutschlands größten Lebensmitteleinzelhändler Edeka nicht mehr. Inzwischen ist Ruhe eingekehrt, auch wenn Kellogg's-Produkte immer noch in Rewe-Regalen fehlen. "Aber ich vermute, dass die Preiskämpfe bei den nächsten Verhandlungsrunden wieder aufflammen", sagt Rüschen. "Weil die Entwicklung der Energie- und Personalkosten offen ist."

Verbraucher sind hohen Preisen aber nicht ausgeliefert. "Sie sollten auf die Preise achten und vergleichen", rät der Handelsexperte. "So lässt sich die persönliche Inflation signifikant drücken."

Quelle: ntv.de

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