
Oft an sieben Tagen in der Woche, ganz nach den Betriebsbedürfnissen - Bauern arbeiten im Schnitt deutlich mehr als andere Berufsgruppen.
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Wegen starker Schwankungen lässt sich das Einkommen der deutschen Bauern schwer beziffern. Einige machen Verluste, doch zumindest in manchen Bereichen lässt sich in dem Beruf durchaus gut verdienen - zu einem hohen Preis.
Das Verständnis für die Bauernproteste in der Bevölkerung ist einerseits groß, andererseits wundern sich dieser Tage nicht nur ausgebremste Autofahrer über das Ausmaß der Wut. Es scheint tatsächlich weniger um die aktuellen Pläne für Subventionskürzungen zu gehen, diese brachten wohl nur das Fass zum Überlaufen. Denn die deutschen Landwirte verdienen auf den ersten Blick gut - von Einkünften über 100.000 Euro pro Jahr und einer Gewinnsteigerung von zuletzt 45 Prozent können andere Selbstständige nur träumen. Doch diese Zahlen sind nur bedingt aussagekräftig.
Zuletzt lief es für viele in der Branche zwar richtig gut. Dank der stark gestiegenen Nahrungsmittelpreise machten die Haupterwerbsbetriebe im Wirtschaftsjahr 2022/23 im Durchschnitt 115.400 Euro Gewinn. Davon müssen die Betriebe allerdings auch ihre Investitionen stemmen, die beispielsweise beim Stallbau in die Millionen gehen können. Außerdem erzielten Landwirte in vielen Jahren zuvor deutlich schlechtere Ergebnisse.
Vor allem ergibt sich aus dem Gewinn oft das Einkommen mehrerer Familienmitglieder. In 95 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland arbeiten nicht entlohnte Familienarbeitskräfte mit, wie die von der Bundesregierung eingesetzte Zukunftskommission Landwirtschaft 2021 feststellte.
Das Landwirtschaftsministerium berechnet die Einkommen in der Landwirtschaft auf Basis von 8000 repräsentativ ausgewählten Betrieben. Das Bruttojahreseinkommen in einem Haupterwerbsbetrieb lag demnach im Durchschnitt der Wirtschaftsjahre 2019/20 bis 2021/22 bei 46.000 Euro je nicht entlohnter Arbeitskraft, wie das Thünen-Institut vorrechnet. Bei zwölf Gehältern entspräche das gut 3800 Euro pro Monat in Vollzeit, abzüglich Steuern und Sozialabgaben.
Extreme Unterschiede nach Größe und Produkt
Dabei zeigen sich die erheblichen Schwankungen, die sich jedes Jahr aus unter anderem Ernteerträgen und Marktpreisen bei Ein- und Verkauf ergeben. Demnach verdiente eine unbezahlte Familienarbeitskraft 2021/22 umgerechnet knapp 56.000 Euro. Im Wirtschaftsjahr zuvor waren es nur knapp 38.200 Euro, 2019/20 rund 43.500 Euro.
Die Einkünfte schwanken nicht nur von Jahr zu Jahr, sondern erheblich nach Betriebsgröße. Kleinere Haupterwerbsbetriebe, die mehr als ein Fünftel ausmachen, erzielten laut dem aktuellen Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung 2021/22 im Schnitt einen Unternehmensgewinn von weniger als 33.600 Euro, während größere, die einen Anteil von gut 39 Prozent bilden, auf gut 131.800 Euro kamen.
Bei den regionalen Unterschieden spielen neben Betriebsgröße und -form auch Ertragsbedingungen wie Bodenbeschaffenheit und Wetter eine Rolle. Am besten verdienten die Landwirte nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft zuletzt in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, aber auch Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die niedrigsten Einkommen erzielten Betriebe in Baden-Württemberg, gefolgt vom Saarland sowie Sachsen und Thüringen. Fast die Hälfte der betrieblichen Einkommen stammt dabei aus Direktzahlungen und Zuschüssen. Ökobetriebe verdienten zuletzt im Schnitt fast 18 Prozent weniger als konventionelle.
Zusatzeinkommen etwa aus erneuerbaren Energien
Deutliche Unterschiede zeigen sich auch bei den verschiedenen Betriebsformen. Im Ackerbau ließ sich laut Thünen-Institut mit durchschnittlich fast 72.200 Euro pro nicht entlohnter Arbeitskraft zuletzt deutlich mehr verdienen als mit anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Am weitaus schlechtesten sah es mit knapp 32.800 Euro beim sonstigen Futterbau aus.
Selbst innerhalb einer Betriebsform gehen die Verdienstmöglichkeiten weit auseinander. So machte zum Beispiel das schwächste Zehntel der Ackerbaubetriebe im Schnitt der drei Wirtschaftsjahre Verluste von gut 1900 Euro pro nicht entlohnter Arbeitskraft, während die erfolgreichsten zehn Prozent hier je 142.300 Euro erzielten. Über alle Betriebe hinweg reicht die Spanne von fast 3400 Euro Verlust bis fast 110.000 Euro Gewinn pro unbezahltem Mitarbeiter. Etwa die Hälfte aller Betriebe erwirtschafteten im Schnitt der drei Jahre weniger als 33.500 Euro pro nicht entlohnter Arbeitskraft, ein Viertel weniger als 13.500 Euro.
Die Vergleichsgehälter sind ohnehin nur bedingt aussagekräftig. Der Zukunftskommission Landwirtschaft zufolge sind weitere Geschäftsfelder von Landwirten, wie im Bereich erneuerbare Energien, sowie andere Einkommen, etwa aus Vermietungen, nicht ausreichend berücksichtigt. "In der Tendenz wird die tatsächliche Einkommenslage vieler landwirtschaftlicher Haushalte unterschätzt", schrieben die Mitglieder aus Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, Wirtschaft und Wissenschaft.
Die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland erzielte 2020 neben der Primärproduktion Einnahmen aus zusätzlichen landwirtschaftsnahen Tätigkeiten wie der Erzeugung erneuerbarer Energien, Forstwirtschaft oder Direktvermarktung. Aus Daten des Statistischen Bundesamts geht hervor, dass Einkommensteuerpflichtige mit überwiegenden Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft 2019 durchschnittlich knapp 86.700 Euro erhielten, wovon nur gut 66.000 Euro aus Land- und Forstwirtschaft stammten.
Niedrige Gehälter für Angestellte
Abhängig Beschäftigte in der Landwirtschaft verdienen vergleichsweise schlecht. Die Löhne sowohl von Ungelernten als auch Fachkräften lägen wesentlich unter den Durchschnittslöhnen von Vollzeitbeschäftigten, heißt es in dem Kommissionsbericht. Besonders wenig gezahlt wird demnach in der Tierhaltung. Im Schnitt kamen Angestellte in der Landwirtschaft nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft 2021 auf 18.500 Euro brutto, während über alle Berufe hinweg fast 38.200 Euro gezahlt wurden. Fast die Hälfte der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft waren zuletzt Familienmitglieder, während knapp ein Viertel als feste Externe und 29 Prozent als Saisonarbeitskräfte tätig waren.
Arbeiten in der Landwirtschaft bedeutet lange Arbeitswochen und entsprechend niedrige Stundenlöhne. "Im Schnitt kommen landwirtschaftliche Vollzeitarbeitskräfte auf 46,7 Wochenstunden und haben damit mit Abstand die längsten Arbeitszeiten unter allen deutschen Berufsgruppen", erklärt das Informationszentrum. "Der Durchschnitt liegt bei 40,4 Wochenstunden."
Auch die psychische Belastung in der Landwirtschaft ist dabei laut Thünen-Institut hoch - jeder fünfte Bauer scheidet demnach wegen psychischer Erkrankungen vorzeitig aus und beantragt eine Erwerbsminderungsrente. Eine Studie speziell zur Situation von Frauen in der Landwirtschaft zeigte demnach, dass die Gefahr eines Burnouts steigt, je schlechter die Einkommenssituation empfunden wird. Dem Portal Agrarheute zufolge ergab eine Befragung 2019, jeder vierte Landwirt sei psychisch belastet - und nah am Burnout.
Quelle: ntv.de