Vom Hosen- zum Hoffnungsträger Audi - eine Erfolgsgeschichte in vier Ringen
26.11.2013, 06:19 Uhr
Vergangenheit und Gegenwart: was bringt die Zukunft für Audi? Die Ziele sind zumindest hochgesteckt.
(Foto: Audi AG)
Das Oberklasse-Segment in der Automobilindustrie ist fest in deutscher Hand. Seit Jahren gibt es einen Dreikampf um die Spitze. Das ist in erster Linie der Aufholjagd von Audi zu verdanken. Und die ist noch nicht beendet.

Helmut Becker schreibt als anerkannter Autoexperte und Volkswirt für teleboerse.de und n-tv.de eine monatliche Kolumne rund um den Automarkt.
Automobilgeschichte wiederholt sich nicht? Doch, sie wiederholt sich! Audi ist der Beweis dafür. Es ist die Geschichte einer Automarke, die einstmals vom Volksmund mit den Attributen "Gürtel und Hosenträger" belächelt wurde, hin zu einem Stern am Weltmarkt. Frei nach Heinrich Heine: "Man muss immer wieder das Unmögliche wagen, um das Mögliche zu erreichen." Die deutsche Automobilgeschichte der Nachkriegszeit ist voller Belege dafür.
Und da gehört Audi ohne Zweifel die Spitzenposition. Kein deutscher Autohersteller von Rang kann eine solche bunte Unternehmensgeschichte aufweisen: Die Geschichte der Marke Audi beginnt 1909, nachdem August Horch aus seinem gleichnamigen Autounternehmen in Zwickau austreten muss und eine neue Fabrik gründet. Die wird am 16. Juli 1910 in Audi Automobilwerke GmbH Zwickau umbenannt. Aus dem deutschen Wort "horch" ist damit der lateinische Imperativ von audire "audi" geworden. Der Name hat bis heute Bestand.
Neue Zeiten, neue Wege
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise gerät Audi 1928 in finanzielle Schwierigkeiten, kommt zu der Zschopauer Motorenwerke J. S. Rasmussen AG (DKW), die wiederum 1932 zusammen mit der Marke Horch und Wanderer zur Auto Union zusammengeschlossen wird. Die v ier Ringe der Auto Union symbolisieren die vier Marken: DKW, Audi, Horch und Wanderer und sind bis heute das Logo von Audi.
Nach einem großen Hin und Her nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Auto Union AG aufgespalten und in Ingolstadt 1949/1950 als Auto Union GmbH neu gegründet. Aus übriggebliebenen Ersatzteillagerbeständen wird eine neue Automobilproduktion ins Leben gerufen (DKW) - ähnlich wie der BMW-Produktion aus Eisenach in München neues Leben eingehaucht wird.
Kunterbunt geht es dann weiter. 1958 wird die Auto Union GmbH auf Drängen von Friedrich Flick von Daimler übernommen, danach bis zum Jahr 1966 an die Volkswagen AG weiterverkauft - inklusive des Rechts am Logo mit den vier Ringen. Neuer Chef in Ingolstadt wird Rudolf Leiding, der später in Wolfburg die Nachfolge von Heinrich Nordhoff antritt. Dieses Karriereprinzip im Führungscorps - von Ingolstadt nach Wolfsburg - wird später unter Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn perfektioniert. Was bereits jetzt große Schatten auf die Nachfolge Winterkorns wirft - aber das ist eine andere Geschichte.
Die wilden 60er
1965 bringt die Auto Union den ersten Pkw der Marke "Audi" nach dem Krieg auf den Markt. Erst mit Erweiterung der Modellpalette werden die Wagen mit Zahlen, entsprechend ihrer Motorleistung in PS, versehen (beispielsweise: Audi 60 und Audi Super 90). 1968 erscheint der erste Audi 100. 1969 fusionierte die Auto Union GmbH mit der NSU AG aus Neckarsulm. Das Unternehmen heißt nun Audi NSU Auto Union AG und hat seitdem ein zweites Werk und (bis 1985) seinen Sitz in Neckarsulm.
1971 findet der Slogan "Vorsprung durch Technik" zum ersten Mal Verwendung - für den NSU Ro 80 mit Wankelmotor. Nachdem die Produktion des Ro 80 1977 eingestellt wird, endet auch die Verwendung des Namens NSU als Produktbezeichnung. Der logische Schritt folgt: Seit dem 1. Januar 1985 firmiert die Audi NSU Auto Union AG als Audi AG. Gleichzeitig verlegt das Unternehmen seinen Sitz von Neckarsulm nach Ingolstadt. Seither tragen Produkte und Unternehmen den gleichen Namen.
Namen mit Klang
Seit dem 1. September 1983 ist Ferdinand Piëch stellvertretender Audi-Chef. Zwei Jahre später ist er bereits Vorstandvorsitzender der Audi AG, wo er maßgeblich ein neues Markenbild schafft.
Ab 1988 wird er durch Martin Winterkorn in der Qualitätssicherung unterstützt, ab 1993 ebenso in Wolfburg. Erst 2002 soll Winterkorn als Vorstandsvorsitzender nach Ingolstadt zurückkehren, um dann 2006 nach Wolfsburg zurückzukehren.
Weg mit Hosenträger und Gürtel
In der Periode Piëch/Winterkorn werden die Weichen für den kometenhaften Aufstieg von Audi gestellt. Erst wird der Hosenträger, danach der Gürtel abgelegt. Entscheidende Audi-Innovationen sind zu dieser Zeit unter anderem der permanente Allradantrieb "quattro" (1980) und der TDI-Motor mit Dieseldirekteinspritzung (1989). Ab 1990 wird mit dem Audi A4 eine neue Modellnomenklatur eingeführt - ein Beispiel nehmend am großen Vorbild BMW.
Von nun an geht es stetig bergauf. In einer mehr als 20-jährigen Aufholjagd ist der Ingolstädter Autobauer unaufhaltsam von der Spießermarke mit derzeit 1,5 Millionen verkauften Autos zur Nummer zwei der Premium-Automobilwelt aufgestiegen - ziemlich genau in der Mitte zwischen BMW und Daimler. Und nicht nur das: Inzwischen ist Audi mit rund 11 Prozent neben Porsche der Hauptrenditeträger für die Konzernmutter Volkswagen.
Aufholjagd geht weiter
Ja, die Automobilgeschichte wiederholt sich. Und das nicht nur im Ergebnis, sondern auch in den Faktoren und Ereignissen, die sie verursacht haben. Ist es in den 1970er und 1980er Jahren die BMW AG unter Eberhard von Kuenheim, der tollkühn den Vorstoß wagt, den bis dahin unangefochtenen Marktführer Mercedes-Benz anzugreifen, einzuholen und sogar zu übertreffen, so gelingt Audi ein ähnliches Kunststück etwa ab 1990 bis heute.
Überwiegen bei BMW Tugenden wie Disziplin, Sparsamkeit und Bescheidenheit, so greifen bei Audi zwei Personalien: Es geht um die ebenso besessenen wie begnadeten Ingenieure und Macher Piëch und Winterkorn. Als jüngstes Mitglied der Blech-Dreifaltigkeit hat Audi seit Mitte der 1990er den Eintritt in die Spitzengruppe der deutschen Premium-Hersteller geschafft - und sich dabei als "gute Tochter" erwiesen, die die Mutter mit sicheren und steigenden Gewinnen Jahr für Jahr kräftig stützt.
Die Ziele bleiben auch künftig hochgesteckt. So will Audi-Chef Rupert Stadler statt wie bisher offiziell verkündet 2 Millionen Audis bis 2020 nun 2,4 Millionen Pkw absetzen. Die 2-Millionen-Marke will Stadler bereits 2017 erreichen und so klammheimlich die Nummer eins im Weltpremium-Segment werden.
Hauptgegner bei dieser Offensiv-Strategie ist vor allem BMW. Im Mini-Segment soll der A1 angreifen. Beim 3er und 5er soll ein neuer A5 für Furore sorgen. Beim A8 heißt der Gegner BMW 7er und Mercedes S-Klasse. Den Elektroautomarkt sollen die Plug-in-Hybride R8 e-tron und A3 e-tron aufrollen, neue Q-Modelle den Nobel-SUV-Markt.
Kurzum: Aus Audi, dem früheren Hosenträger ist Audi, der Hoffnungsträger geworden. Ob er das bleiben kann, wird allerdings nicht nur in Ingolstadt oder Wolfsburg entschieden. München und Stuttgart haben da noch ein gewichtiges Wort mitzureden. BMW will an der Spitze des Premiumsegments bleiben und peilt bis 2020 einen Absatz von 2,8 Millionen Fahrzeugen an. Auch Daimler will an die Spitze - zurück, mit 2,6 Millionen Pkw bis 2020. Vielleicht gibt es dann eine neue Erfolgsgeschichte zu erzählen.
Quelle: ntv.de