Die Renten sind sicher? Beobachter sind skeptisch
30.12.2010, 13:36 UhrDeutsche Rentenpapiere haben gute Chancen auch 2011 von den Anlegern als "sicherer Hafen" angesteuert werden. Wer auf mehr Rendite aus ist, muss ein höheres Risiko eingehen. Ob das Investment in bundesanleihen oder griechische Bonds sich am Ende gelohnt hat, weiß man - wie immer – erst hinterher.
Die Aussage "die Renten sind sicher" des einstigen Arbeitsministers Norbert Blüm sollte zumindest für die Anleihen der Bundesrepublik Deutschland gelten. Denn diese "Renten"-Papiere werden von den Investoren in den unsicheren Zeiten als eindeutig sicherer Hafen gesehen. Die extrem hohe Nachfrage drückte die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen im historischen Zinstief von August 2010 auf 2,1 Prozent - verglichen mit aktuell 2,9 Prozent.
Für Ende 2011 erwarten die befragten Banken im Mittel einen weiteren Anstieg auf 3,1 Prozent. Das bedeutet im Gegenzug Kursverluste für ausstehende Anleihen von rund 150 Basispunkten (Bp). Dennoch dürften die Renditen für deutsche Titel weiterhin zu den niedrigsten im Euroraum gehören.
Entscheidend für erfolgreiche Investitionen in Staatsanleihen ist nicht nur die Wahl des richtigen Zeitpunktes oder der optimalen Laufzeit, sondern auch ein glückliches Händchen beim Schuldner. Nachdem die Bonität der Eurozone-Schuldner von den Anlegern in den vergangenen Jahren mit geringsten Renditedifferenzen bewertet wurde, weiteten sich die Spreads 2010 teilweise extrem aus.
Wachsende Zweifel an den "Südstaaten"
Am deutlichsten wird das Schuldner-Risiko am Beispiel Griechenland. Im Dezember 2009 betrug der Renditeaufschlag zehnjähriger Hellas-Bonds 180 Bp zu den entsprechenden Bundesanleihen. Inzwischen hat er sich mit 943 Bp mehr als verfünffacht. Die Gläubiger der Anleihen mussten damit herbe Kursverluste einstecken.
Die Ausweitung der Zinsdifferenz trifft auch Portugal und Spanien, in überschaubarem Rahmen sogar italienische und französische Staatsanleihen. Während die Bundesrepublik von den Ratingagenturen weiterhin als Schuldner erster Qualität eingestuft wird, belasten die hohe Staatsverschuldung oder die maroden Bilanzen der heimischen Banken das Rating einiger Peripheriestaaten der Eurozone. So wurde Irland von der Ratingagentur Fitch Anfang Dezember auf BBB+ nach zuvor A+ heruntergestuft. Momentan wird am Markt aber weiter davon ausgegangen, dass die Länder der Eurozone im kommenden Jahr ihre fälligen Anleihen zurückzahlen.
Die "Katastrophe" ist vorbei
Für den geldpolitischen Rahmen 2011 hat Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, einen klaren Fahrplan: Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihre expansive Geldpolitik mit Zinsen nahe Null schrittweise zurückgefahren. Denn "die von der EZB eingesetzten Instrumente passen zu einer Wirtschaftskatastrophe" - in der sich Europa aber nicht mehr befindet. Dies zeigten die jüngsten Wachstumszahlen und die Bewertungen an den Aktienmärkten.
Auch bei deutschen Staatsanleihen hätten sich die Renditen der wirtschaftlichen Entwicklung angepasst. Die 2,1 Prozent Rendite von August bei den Zehnjährigen sei ein Überschießen gewesen, als der Markt einen Rückfall in das Double-Dip-Szenario gefürchtet habe, was zur Flucht in Bundesanleihen führte.
Die EZB wird aus Sicht von Schmieding zunächst beim Tender mit drei Monaten Laufzeit, später auch beim kürzeren einmonatigen Tender, die Vollzuteilung beenden. Der Wochentender, der der kurzfristigen Liquiditätssteuerung im Euroraum dient, könnte den Banken dagegen noch länger zur vollen Refinanzierung zur Verfügung gestellt werden. Mit einer ersten Anhebung der EZB-Leitzinsen (derzeit 1,0 Prozent beim Hauptrefinanzierungssatz) rechnet Schmieding im September 2011. Im Dezember sollte die zweite Erhöhung auf dann 1,5 Prozent erfolgen. Das Zeitfenster dürfte dabei stärker vom Wechselkurs Euro/Dollar abhängen als von der Zinspolitik der Fed.
Bei den deutschen Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit rechnet Schmieding Mitte 2011 mit einer Rendite von 3,25 Prozent, die bis Jahresende auf 3,5 Prozent anziehen dürfte. Die zweijährigen Anleihen dürften mit einer kleineren Zeitverzögerung dem Muster folgen. Der Renditeunterschied der Zwei- zu den Zehnjährigen, der momentan bei 195 Bp liegt, dürfte zunächst leicht auseinander laufen, um Ende 2011 dann bei rund 180 Basispunkten zu notieren.
Wer mehr wagt, gewinnt vielleicht auch mehr
Wer eine höhere Rendite erzielen will, muss laut Schmieding ins europäische Ausland gehen und ein deutlich höheres Risiko akzeptieren. Als Alternative für Risikofreudige nennt er irische und spanische Anleihen. Denn beide Länder hätten notwendige Reformen beschlossen und Einsparungen auf den Weg gebracht. Irland habe die Weichen gestellt, zeitnah Wachstum zu generieren, auch Spanien befinde sich auf dem richtigen Weg, trotz aller derzeitigen Marktturbulenzen. Bei Griechenland ist Schmieding dagegen vorsichtig, da der Schuldenstand sehr hoch sei.
Mit einem "Verharren nahe dem aktuellen Niveau" rechnet dagegen die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Die EZB dürfte die Politik des billigen Geldes über das gesamte Jahr 2011 fortführen. "Länder wie Griechenland, Irland und Portugal sind in einen extremen fiskalpolitischen Konsolidierungskurs eingeschwenkt", so Rentenexperte Ulf Krauss im Gespräch mit Dow Jones. Die EZB müsse mit ihrer stimulierenden Geldpolitik somit ein ausreichend starkes Gegengewicht bilden. Die Strukturprobleme innerhalb des Euroraums brauchen Zeit, bis sie geheilt werden. Zeit, die auch durch das Geld der EZB erkauft werden muss.
Gegen einen spürbaren Kurswechsel spricht für die Helaba zudem der steigende Liquiditätsbedarf europäischer Banken im Zuge höherer Eigenkapitalanforderungen durch das Basel-III-Abkommen. Ein Austrocknen der Liquidität könnte sich schnell in einer restriktiven Kreditvergabe niederschlagen und damit die wirtschaftliche Erholung gefährden. Die Inflation im Euroraum dürfte im kommenden Jahr aufgrund komfortabler Kapazitätsspielräume und eher wieder rückläufiger Rohstoffpreise bei durchschnittlich 1,9 Prozent liegen und damit im Akzeptanzbereich der Währungshüter im Eurotower.
Turbulenzen inbegriffen
Damit wäre eigentlich eine gute Basis für ein ruhiges Rentenjahr gegeben. Für den Anleiheexperten der Helaba mahnen die ausgeprägten Kursbewegungen und die schwere Berechenbarkeit des Marktes seit Ausbruch der Schuldenkrise aber zur Vorsicht. Das deutlich gestiegene Gewicht politischer Einflussfaktoren zusammen mit dem Anschwellen internationaler Kapitalströme sprechen eher für einen unruhigen Renditeverlauf.
Ob Bundesanleihen noch von ihrem Status als sicherer Hafen profitieren, hängt wohl auch von der weiteren Aktivierung des Euro-Rettungsschirms ab. Kleinere Länder wie Irland und Portugal seien angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen wohl noch lange auf finanzielle Hilfen angewiesen. Die größeren Länder der Eurozone, wie zum Beispiel Spanien, sollten dagegen in der Lage sein, die Haushaltskonsolidierung weitgehend allein zu stemmen.
Für 2011 erwartet die Helaba zwar keine deutliche Verschärfung der Euro-Krise. Bei spanischen Anleihen sieht Krauss jedoch zunächst eher die Gefahr einer weiteren Ausweitung der Risikoaufschläge. Bei einer Anlage in festverzinslichen Wertpapieren bevorzugt der Rentenstratege Bundesanleihen mit einer mittleren Laufzeit. Auch wenn Anleger dort die geringste Rendite erzielten, aber diese "Renten" sind nun einmal vergleichsweise sicher.
Quelle: ntv.de, DJ