US-Arbeitsmarktdaten geben Schub Dax explodiert trotz Draghi
03.08.2012, 10:07 Uhr
Gute US-Jobdaten und Hoffnungen auf baldige Anleihekäufe der EZB geben dem Dax kräftigen Schub.
(Foto: picture alliance / dpa)
Trotz der Äußerungen von EZB-Chef Draghi macht der Dax vor dem Wochenende einen Riesensatz. Denn an den Börsen brennt nach der Enttäuschung über seine vagen Rettungszusagen ein Strohfeuer der Hoffnung. Zudem sorgen gute US-Jobdaten für zusätzlichen Schub. Und einige Werte überzeugen die Anleger auch noch mit sehr guten Zahlen.
Gute US-Arbeitsmarktdaten haben den Dax trotz der Enttäuschung über die Äußerungen von Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), erstmals seit Ende April wieder über die psychologisch wichtige Marke von 6800 Punkten katapultiert. Das Börsenbarometer legte um 3,93 Prozent auf 6865,66 Zähler zu und machte seine Vortagesverluste damit mehr als wett. Der MDax verabschiedete sich mit einem Zuwachs von 2,96 Prozent auf 10 990,72 Punkte in das Wochenende. Auch der TecDax rückte um 1,58 Prozent auf 785,67 Punkte vor.
Auch an den europäischen Börsen gab es Erholung auf breiter Front: Der EuroStoxx50 legte 4,6 Prozent auf 2366,88 Zähler zu. Die Leitindizes der Börsen Madrid und Mailand stiegen sogar um jeweils rund sechs Prozent. An der Wall Street lag der US-Standardwerteindex Dow Jones bei Börsenschluss in Deutschland 1,8 Prozent im Plus. Die Renditen der zehnjährigen spanischen und italienischen Anleihen gingen auf 6,942 beziehungsweise 6,070 Prozent zurück. Der Euro verteuerte sich auf 1,2370 Dollar.
Die Erholung fiel überwältigend aus, weil die US-Wirtschaft im Juli überraschend viele Jobs geschaffen hat. Die Zahl der Beschäftigten stieg mit 163.000 im Juli fast doppelt so stark wie erwartet. Trotzdem kletterte die Arbeitslosenquote von 8,2 auf 8,3 Prozent. Sie verharrt damit seit mehr als zwei Jahren über der Marke von acht Prozent - das hat es seit der Großen Depression in den Dreißiger Jahren nicht mehr gegeben. "Die Erholung des Arbeitsmarktes bleibt hinter den Erwartungen der amerikanischen Notenbank zurück. Spekulationen auf eine geldpolitische Lockerung bei der nächsten Fed-Sitzung dürften mit diesen Zahlen erhalten bleiben", kommentierte die Helaba die US-Jobdaten. Die US-Notenbank Fed will vorerst zwar auf neue Konjunkturspritzen verzichten, hat bei Bedarf aber neue Maßnahmen in Aussicht gestellt.
Schub für den Dax gab es auch, weil Anleger trotz der vagen Äußerungen von EZB-Chef Draghi nach vorne blickten und darauf setzten, dass die in Aussicht gestellten Anleihekäufe der EZB auf jeden Fall kommen werden. Mit dieser Erwartungshaltung kauften sie Dividendenpapiere und ließen den Leitindex steigen, nachdem er am Vortag noch um 2,2 Prozent abgerutscht war.
Anleger verdauen den Draghi-Schock
"Mittlerweile setzt sich im Markt die Meinung durch, dass Draghi alles gesagt hat, was er im Moment sagen konnte", sagte ein Händler. "Die Erwartungen waren so hoch, das konnte ja nur schiefgehen", sagte ein Händler. "Und das dicke Plus heute ist die entsprechende Reaktion." EZB-Chef Mario Draghi hatte im Kampf gegen die Euro-Krise zwar Ankäufe von Anleihen klammer Euro-Schuldenstaaten in Aussicht gestellt, dazu aber wenig konkrete Details und keinen Zeitpunkt genannt. Investoren reagierten schwer enttäuscht. Sie hatten darauf gehofft, dass die Zentralbank sofort aktiv wird, um die Zinslast von Krisenstaaten wie Spanien und Italien zu reduzieren.
Ökonomen gehen davon aus, dass die EZB die Ankäufe erst in die Wege leiten wird, nachdem die Regierungen der Euro-Zone die Rettungsschirme am Anleihenmarkt aktiviert und die kriselnden Länder Hilfe angefordert haben. Sie rechnen damit, dass die Notenbank im September mit dem Kauf von italienischen und spanischen Staatsanleihen beginnt und dann auch den Leitzins auf 0,5 Prozent von derzeit 0,75 Prozent senkt.
Andere Börsianer sprachen von einer technischen Gegenbewegung und bezeichneten die Verluste des Vortages als überzogen. Es gab auch Spekulationen über Umschichtungen in Portfolien - raus aus Bonds und rein in Aktien. Die Nervosität blieb aber hoch. "Es ist zu viel Angst im Markt, und alle warten nur aufs Verkaufen", sagte ein anderer Händler. Es sei kein Investor aktiv, der mit Überzeugung auf eine langfristige Markterholung setze.
Siemens zieht Dax ins Plus
Zu den größten Gewinnern im Dax zählten die Aktien von Siemens. Die Papiere des Technologiekonzerns stiegen 6,2 Prozent auf 72,55 Euro. Der Siemens-Vorstand hat einen milliardenschweren Aktienrückkauf beschlossen. Auch bei Allianz griffen die Anleger zu: Die Aktien von Europas größtem Versicherer zogen um 5,7 Prozent an. Der operative Gewinn legte um knapp drei Prozent auf 2,36 Mrd. Euro zu, unter dem Strich blieben 1,32 (Vorjahr 1,07) Mrd. hängen. Analysten hatten im Schnitt nur mit einem Überschuss von 1,19 Mrd. Euro gerechnet.
Auch die Finanzwerte legten deutlich zu. "Sie gehen nach dem jüngsten Absturz auf Erholungskurs," sagte ein Börsianer. Der Branchenindex der Eurozonen-Banken gewann 7,9 Prozent. Hier lagen die italienischen Intesa Sanpaolo, die französische Societe Generale und die österreichische Raiffeisen Bank mit Kursgewinnen zwischen 9,5 und 12,6 Prozent weit vorne. Deutsche Bank waren mit einem Plus von 8,7 Prozent Spitzenreiter im Dax, Commerzbank-Papiere legten um 6,4 Prozent zu. Am Donnerstag waren sie in Reaktion auf die Draghi-Äußerungen um 5,3 und 6,2 Prozent abgerutscht. Auch der europäische Branchenindex machte mit einem Plus von 2,5 Prozent wieder Boden gut.
Auf Talfahrt gingen dagegen Singulus-Aktien: Der fränkische Spezialmaschinenbauer hat seine Investoren mit einem überraschenden Geschäftseinbruch vergrätzt. Sowohl der Verkauf von Maschinen zur Produktion von Blu-ray-Discs als auch von Solaranlagen lahmt. In der ersten Jahreshälfte häufte Singulus einen Verlust von 12,4 Mio. Euro an. Der Umsatz knickte in den ersten sechs Monaten um ein Drittel auf 43,6 Mio. Euro ein. Vorstandschef Stefan Rinck äußerte Zweifel daran, ob sein Haus wie geplant im laufenden Jahr in die Gewinnzone erreichen werde. Die Aktien stürzten im TecDax um gut acht Prozent ab.
Quelle: ntv.de, hvg/rts/dpa/DJ