Wall Street auf Talfahrt Dax kommt mächtig unter die Räder
19.08.2015, 22:23 Uhr
(Foto: imago stock&people)
Herbe Verluste muss der Dax verkraften: Die Sorgen um Chinas Wirtschaft halten die Kurse im Minus, am Nachmittag drückt der schwache Start der Wall Street weiter auf die Stimmung. Der Fortschritt beim Thema Griechenland hingegen scheint eingepreist.
Deutlich abwärts ging es mit dem deutschen Aktienmarkt: Am Ende verlor der Leitindex Dax 2,1 Prozent und sackte auf 10.682 Punkte ab. Nur kurz hatte die Zustimmung des deutschen Bundestages zum dritten Hilfspaket für Griechenland den deutschen Aktienmarkt gestützt. Die Unsicherheit rund um China hielt den Index im Minus, am Nachmittag zogen dann schwache US-Börsen den Dax noch weiter nach unten.
Die Börse in Athen hatte hingegen ins Plus gedreht und gewann am Ende 0,5 Prozent. Das Rettungspaket wird nun als sicher betrachtet, nachdem am Vortag Estland, Spanien und Österreich dem Paket für das hochverschuldete Land zugestimmt haben.
Größte Verlierer an den Börsen waren wenig überraschend Aktien aus dem Rohstoffsektor. Laut der jüngsten Umfrage unter Profianlegern der Bank of America-Merrill Lynch stellt eine Rezession in China derzeit das größte Risiko an den Finanzmärkten dar. Für die nahezu vollends von der China-Nachfrage abhängige Rohstoffbranche sind das ebenso schlechte Nachrichten wie die stark exportlastigen deutschen Unternehmen, die in den vergangenen Jahren gerade auf den Wachstumsmarkt China gesetzt haben.
Nach Handelsschluss in Europa steht dann die Veröffentlichung des Fed-Protokolls der Juli-Sitzung auf der Agenda. An der Börse erhofft man sich Einblicke, was die Notenbank über die aktuelle wirtschaftliche Lage der größten Volkswirtschaft der Welt denkt. Der Preisverfall beim Öl und anderen Rohstoffen dürfte zudem die Inflation weiter beeinflussen.
Deutschland: Kein einziger Gewinner im Dax
Der Dax schloss 2,1 Prozent tiefer auf 10.682 Punkten. Für den Nebenwerte-Index MDax ging es 1,6 Prozent nach unten auf 20.396 Zähler. Verluste verzeichnete auch der TecDax, der um 1,8 Prozent auf 1748 Punkte sank, der Euro-Stoxx-50 verlor 1,8 Prozent.
Spitzenreiter im Dax waren SAP, die um lediglich 0,4 Prozent sanken. Weit oben im Dax standen auch die Aktien von Adidas, die 0,7 Prozent abgaben. Der Sportausrüster will das Geschäft in seinem zweitwichtigsten Markt China künftig zusammen mit der Regierung ankurbeln. Adidas gab eine Vereinbarung mit dem Bildungsministerium bekannt, Lehrpläne, Lehrerfortbildung und Ausrüstung für den Fußballunterricht an Schulen zu liefern. Mit einem Umsatzvolumen von 1,8 Milliarden Euro im vergangenen Jahr ist China für Adidas der zweitgrößte Markt nach den USA.
Schwach zeigten sich die Aktien von Infineon und ThyssenKrupp mit Verlusten von 3,4 bis 3,1 Prozent. Am deutlichsten ließen jedoch Lanxess nach, die mit einem Minus von 5,6 Prozent regelrecht einbrachen. Anleger zögen sich weiter aus der Aktie zurück, da sie Angst vor einem Rauswurf des Titels aus dem Dax hätten, hieß es.
Als erster Nachfolgekandidat galten Deutsche Annington aus dem MDax. Sie notierten 1,2 Prozent höher und spiegelten bereits erste Umschichtungen, heißt es im Handel.
Die Aktie von Manz hat im TecDax in den vergangenen Monaten immer stark darauf reagiert, wenn das Unternehmen Aufträge eingesammelt hat. Diese Entwicklung wiederholte sich auch heute, die Aktie legte um 3,2 Prozent zu. Der Maschinenbauer hatte mehrere Folgeaufträge in Höhe von rund 10 Millionen Euro über Maschinen zur automatisierten Montage von Notebooks und anderen Geräten im Bereich Unterhaltungselektronik erhalten.
Nach einer Herunterstufung ließen Bechtle Federn. Die Aktien des IT-Dienstleisters fielen um 2,1 Prozent. Sie gehörten damit zu den Schlusslichtern im TecDax.
USA: Wall Street mit deutlichen Verlusten
Wie schon am Vortag geht es an der Wall Street nach unten mit den Kursen, diesmal aber etwas stärker. Der Dow-Jones-Index fiel um 0,9 Prozent auf 17.349 Punkte. Für den S&P-500 ging es 0,8 Prozent auf 2.080 Punkte abwärts. Der Nasdaq-Composite verlor 0,8 Prozent auf 5.019 Punkte. Der Umsatz an der NYSE fiel auf 844 (Dienstag: 692) Millionen Aktien. Dabei entfielen auf nur 820 (1.119) Kursgewinner 2.329 (2.036) -verlierer, unverändert gingen 106 (103) Titel aus dem Handel.
Daneben lässt das im späten Handelsverlauf zur Veröffentlichung anstehende Protokoll der jüngsten Sitzung der US-Notenbanker die Anleger zurückhaltend agieren. Es könnte neue Erkenntnisse dafür liefern, ob mit der schon länger von US-Notenbankchefin Janet Yellen avisierten Zinserhöhung tatsächlich schon im September zu rechnen ist oder womöglich doch erst später. Die Verbraucherpreisentwicklung im Juli ist derweil in etwa im Rahmen der Erwartungen ausgefallen.
Unternehmensseitig trudeln immer noch Quartalsberichte ein, die bei Einzelwerten für stärkere Bewegungen sorgen. Auf dem Kalender stehen unter anderen die großen Einzelhändler Target, Lowe's und Staples.
Zum zweiten Mal in Folge hat Lowe's beim Gewinn die Erwartungen des Marktes verfehlt. Immerhin hat der Konzern trotz des enttäuschenden Ergebnisses die Prognose für das Geschäftsjahr insgesamt bekräftigt. Im Unterschied zum Gewinn hat sich der Umsatz den Schätzungen gemäß entwickelt. Die Aktie lag 1,8 Prozent im Plus.
Staples hat mit seinem Quartalsumsatz die Erwartungen verfehlt. Der Kurs gab 0,2 Prozent nach. Staples geht davon aus, dass niedrigere Umsätze die Erträge im dritten Quartal beeinträchtigen werden. Daher ist der Abschluss der noch ausstehenden Übernahme von Office Depot nach Meinung von Analysten jetzt umso wichtiger für den Konzern.
Dagegen hat Target wie im ersten Quartal wieder gute Geschäftszahlen ausgewiesen. Der Gewinn habe die selbst gesteckten Ziele des Einzelhandelskonzerns aus dem Mai locker geschlagen, heißt es. Daher habe das Unternehmen den Jahresausblick angehoben. Der Kurs stieg um 0,7 Prozent.
Ein Kursfeuerwerk verzeichneten Dot Hill. Sie schossen um 87 Prozent nach oben auf 9,68 Dollar. Der Datenspeicherexperte Seagate Technology will sein Cloudgeschäft ausbauen und ist bereit, Dot Hill für 9,75 Dollar je Aktie zu übernehmen - das ist eine Prämie auf den letzten Dot-Hill-Kurs von 88 Prozent. Insgesamt zahlt Seagate 694 Millionen Dollar. Seagate büßten 5 Prozent ein.
Analog Devices stiegen nach der Bekanntgabe der Drittquartalszahlen um 0,8 Prozent. Einerseits sei das eine den Zahlen angemessene Reaktion, andererseits unterstrichen die Daten die potenzielle Gefahr einer Ausrichtung des Geschäfts auf eine einzige Quelle, heißt es im US-Handel. Apple habe dem Halbleiterhersteller zu soliden Resultaten und einem Umsatz über den Marktschätzungen verholfen. Es sei nicht zu übersehen, dass Analog in seinem Kerngeschäft Industrieanwendungen, Automobil und Mobilfunk geschwächelt habe, bemerken die Analysten von Susquehanna. Apple verloren 1,3 Prozent.
J.P. Morgan Chase gaben um 0,9 Prozent nach. Die Bank ist dem Vernehmen nach in fortgeschrittenen Verhandlungen mit der Finanzaufsicht, über 150 Millionen Dollar zur Beilegung eines Streits zu zahlen. J.P. Morgan wird Informanten zufolge vorgeworfen, in unangemessener Weise Privatkunden den Kauf eigener Produkte empfohlen zu haben, ohne dies klar offengelegt zu haben.
Devisen: Euro steigt minimal und bleibt über 1,10 Dollar
Der Kurs des Euro hat sich nur wenig von seinen jüngsten Verlusten erholt. Am Nachmittag kostete die Gemeinschaftswährung 1,1035 US-Dollar. Am Vortag war der Euro noch bis auf 1,1017 Dollar gefallen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am frühen Nachmittag auf 1,1041 (Dienstag: 1,1060) US-Dollar festgesetzt.
Die erneuten Turbulenzen am chinesischen Aktienmarkt hätten den Dollar etwas belastet, sagten Händler. Eine verschärfte Krise in China könnte die US-Notenbank laut Experten bei ihren Zinserhöhungen bremsen. Der Eurokurs stieg kurzzeitig bis auf 1,1070 Dollar, um dann seine Gewinne größtenteils wieder abzugeben. Die Investoren warteten auf die US-Notenbank, die am Abend ihr Protokoll (Minutes) zur letzten Sitzung vorlegt. Am Markt wird auf Hinweise auf die künftige Zinspolitik gehofft.
Die Turbulenzen in China und sinkende Rohölpreise lassen einige Experten immer noch an der für September erwarteten Zinsanhebung in den USA zweifeln. Die im Juli etwas gestiegenen Verbraucherpreise in den USA sprechen eher für eine baldige Leitzinsanhebung. Die deutliche Zustimmung des Bundestages zum Griechenland-Hilfspaket bewegte den Devisenmarkt nicht, da sie erwartet worden war.
Rohstoffe: Ölpreise rutschen deutlich ab
Kräftig abwärts geht es für den Ölpreis nach überraschend hoch ausgefallenen Lagerbeständen in den USA. Der Rohölpreis der Sorte WTI bricht in den USA um über drei Prozent auf 41,30 Dollar ein und erreicht damit ein neues Sechsjahrestief. Ein Fass der Nordsee-Sorte Brent verbilligt sich um fast einen Dollar auf 47,79 US-Dollar. Die rohstoffnahen Sektoren in Europa bauen darauf ihre Verluste noch weiter aus: Der Basic-Resources-Index fällt um 3,4 Prozent, für den Öl-/Gas-Sektor geht es um 2 Prozent nach unten.
Wie die Daten der US-Energieagentur EIA zeigen, stiegen die Öllagerbestände binnen einer Woche überraschend um 2,6 Millionen Barrel. Analysten hatten stattdessen mit einem Rückgang um 1,1 Millionen Barrel gerechnet. Die Öllager sind damit so prall gefüllt, wie nur selten in den vergangenen 80 Jahren gesehen.
Asien: Börsen in China mit fulminanter Wende
Dank einer fulminanten 180-Grad-Kehrtwende hat die chinesische Leitbörse in Shanghai im Plus geschlossen. Nachdem der Shanghai-Composite zunächst mit Verlusten von bis zu fünf Prozent nahtlos an die Vortagestalfahrt angeknüpft hatte, drehte der Leitindex offenbar unter tatkräftiger Unterstützung staatlicher Stellen im späten Geschäft ins Plus und beendete die Achterbahnfahrt mit einem Aufschlag von 1,2 Prozent bei 3.795 Punkten. Der kleinere Bruder in Shenzhen vollzog eine ähnliche Erholung und gewann 2,2 Prozent, die Startup-Handelsplattform ChiNext legte um 2,7 Prozent zu.
"Investoren zeigten sich enttäuscht, dass Peking am Vortag nichts zur Stützung des Marktes unternommen hat. Sie verlassen sich aber zu sehr auf stabilisierende Maßnahmen der Regierung", sagte Marktstratege Fu Xuejun von Huarong Securities. Er verglich das staatliche Handeln am Aktienmarkt mit der Verabreichung von "Drogen".
Die meisten der übrigen Börsen zeigten sich von der späten Erholung in China jedoch weitgehend unbeeindruckt. Hier überwogen unverändert die Sorgen über das chinesische Wirtschaftswachstum, die Anleger das Weite suchen ließen. So meldeten Hongkong, Taipeh, Seoul und Tokio zum Teil üppige Verluste. Der HSI in Hongkong hat die gesamten Aufschläge seit Jahresbeginn nun wieder eingebüßt.
Im Juli legten die Exporte der japanischen Unternehmen Daten des Finanzministeriums zufolge um 7,6 Prozent zu, im Juni waren es noch 9,5 Prozent. In Tokio schloss der Nikkei-Index 1,6 Prozent tiefer auf 20.222 Punkten und folgte damit der Wall Street ins Minus.
In Tokio legte der Computerhersteller Toshiba gegen den Trend kräftig um 7,7 Prozent zu, nachdem das Unternehmen einen Umbau seiner Führungsetage angekündigt hatte.
Auch die übrigen Handelsplätze verbuchten Verluste. In Taiwan sank der Index rund zwei Prozent, in Südkorea knapp ein Prozent. Der MSCI-Index für asiatische Aktien außerhalb Japans fiel zeitweise auf ein Zwei-Jahres-Tief. Einzig in Australien legte der Markt gegen den Trend rund 1,5 Prozent zu.
Quelle: ntv.de, kst/wne/DJ/rts/dpa