
Auch Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer sprach auf der Noah-Konferenz.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auf der Noah-Konferenz treffen Internetgrößen und Investoren auf junge Start-ups. Dieses Jahr mischen sich auch Escort-Damen eines Datingdienstes unter das Publikum - und sorgen damit für einen PR-Gau.
Letzte Woche trafen sich viele Internetgrößen, Investoren und junge Start-ups auf der Internetkonferenz Noah in Berlin. Insgesamt war die Noah auch dieses Jahr eine sehr gute Veranstaltung. Viele hochkarätige Redner, spannende Teilnehmer und eine gute Location sorgten für ein positives Gesamtklima. Trotzdem hat die Konferenz bei mir und vielen anderen Besuchern einen schalen Nachgeschmack hinterlassen. Einige haben bereits angekündigt, nächstes Jahr nicht mehr dabei sein zu wollen und die Konferenz zu boykottieren. Was war also schiefgegangen?
Nach dem sehr gelungenen ersten Tag der zweitägigen Konferenz gab es eine großangelegte Party im Tempodrom. Viele der Konferenzteilnehmer waren vor Ort. Unter den Gästen befanden sich aber auch eine große Anzahl an Frauen, die Besucher als Escort-Damen erkannten. Die Reaktion im Netz ließ nicht lange auf sich warten. Eine Twitter-Userin beschreibt die Situation wie folgt: "Die #NOAH16 hat sich dieses Jahr um eine bessere Frauenquote gekümmert und ein paar Escort-Ladies eingeladen". Eine weitere Teilnehmerin der Konferenz schreibt: "Was da gestern ablief war einfach nur unterirdisch". Der Autor Hajo Schumacher kommentiert: "Beruhigend und verstörend, wie schnell diese unfassbar aufgeblasene Start-up-Bande nun auf ERGO-Level angekommen ist."
Die Damen vor Ort sollen über "Ohlala" auf die Party gekommen sein - einem Service für "Instant Paid Datings". Gemeint sind damit bezahlte Dates. Im Vorfeld wird hier festgelegt, wie viel wofür bezahlt wird. Anscheinend sind auch Sexdienstleistungen gegen Geld gang und gäbe. Die App "Ohlala" fungiert für die Arrangements als Vermittler. Gegenüber Deutsche-Startups.de erklärt "Ohlala"-Chefin Pia Poppenreiter : "Ohlala wollte die Noah-Party für eine Guerilla-PR-Aktion nutzen. Dafür habe ich viele meiner Bekannten aktiviert, mit mir auf die Noah-Party zu gehen. Leider ist die Aktion aus dem Ruder gelaufen. Das tut mir persönlich sehr leid. Ich hätte nicht gedacht, dass dies solche Wellen schlägt. Ich hoffe, dass die Veranstaltung dadurch keinen Schaden genommen hat und entschuldige mich noch einmal ausdrücklich bei allen Organisatoren und Teilnehmern, die ich mit dieser Aktion in eine unangenehme Lage gebracht habe."
Frauen sind in der Start-up-Welt unterrepräsentiert
Ich habe am nächsten Tag der Konferenz mit einigen Teilnehmerinnen gesprochen, wie sie die Situation empfunden haben. Es fielen Worte wie "Skurril!", "Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es fast schon wieder lustig", "Ich hab mich extrem unwohl gefühlt" und "Man fühlt sich als Frau nicht ernst genommen". Alle, mit denen ich sprach, hatten die Party bereits nach kurzer Zeit verlassen.
Neben dem Fakt, dass diese Aktion vielen Teilnehmerinnern, aber auch Teilnehmern extrem unangenehm war, sollte man sich auch dem gesamtgesellschaftlichen Kontext und der Implikationen für die Start-up-Branche bewusst sein. Was sagt es über eine Szene aus, wenn wir es nicht schaffen, Veranstaltungen inklusiv zu gestalten, ohne dass dabei 51 Prozent der deutschen Bevölkerung diskriminiert und abgeschreckt werden?
Ich denke, solche Aktionen schaden dem Start-up-Ökosystem. Sie schaden dem Ansehen der Start-up-Welt. Auf der Konferenz wurde vielfach darauf hingewiesen, dass wir mehr Gründer brauchen und mehr Menschen in Deutschland Start-ups als Karriereoption sehen sollten. Dies sei der einzige Weg, dass Deutschland bei der Digitalisierung nicht abgehängt wird. Frauen sind in der Start-up-Welt leider unterrepräsentiert. Ich glaube, dass wir noch so viel mehr Potenzial ausschöpfen könnten. Wenn wir es aber weiterhin nicht schaffen, dass sich Frauen in dieser Branche ernstgenommen fühlen, werden wir die Chancen für unsere Gesellschaft nicht ausschöpfen können. Das will heißen: So lange wir nicht inklusiver agieren, schließen wir eine ganze Reihe an potenziell brillanten Köpfen aus unserer Branche aus.
Der Veranstaltung unwürdig
Abgesehen davon, dass wir dafür sorgen müssen, dass wir Kolleginnen und die Hälfte der Bevölkerung nicht abschrecken, haben solche Aktionen aber auch andere negative Konsequenzen. Eine Branche, die für viele Menschen sowieso undurchsichtig erscheint, muss sich vor einem Schmuddel-Image in Acht nehmen.
Wie kann eine Konferenz, die Größen wie den Daimler Chef, den Vorstand von Pro7, den Vorstand der Lufthansa, den Vorstandsvorsitzenden von Axel Springer, Scout24, RWE und viele weitere im Programm haben, denken, es tue ihr gut, wenn Sie mit solchen Methoden arbeitet oder Sie zumindest zulässt? Es ist einer Veranstaltung wie der Noah einfach unwürdig.
Ich wünsche mir, dass die Noah weiterhin eine so gute Konferenz bleibt und nächstes Mal sicherstellt, dass so etwas nicht wieder vorkommt. Es sendet einfach die falschen Signale. Selbst in unserer digitalen Welt braucht es Konferenzen wie die Noah, auf der Menschen zusammenkommen, Ideen ausgetauscht und Kooperationen geschlossen werden und Neues geschaffen wird. Stellen wir also sicher, dass diese Konferenzen Orte sind, an denen sich jeder der Start-up-Welt willkommen fühlen kann.
Quelle: ntv.de