Beobachtende Studie Cannabis-Konsum kann Schlaf verschlechtern
08.12.2021, 18:52 Uhr
Bisher hat die Forschung zu Cannabis und Schlaf zu gemischten Ergebnissen geführt.
(Foto: picture alliance/dpa)
Kiffen könnte in Deutschland schon bald legal sein. Jedenfalls wenn es nach der Ampelkoalition geht. Doch was macht die Droge eigentlich mit dem Schlaf? Das untersucht nun eine Studie - die allerdings eine wichtige Differenzierung nicht vornimmt.
Der Griff zum Joint gilt als entspannend, beruhigend und teilweise sogar schlaffördernd. Kein Wunder also, dass gerade Menschen mit Schlafproblemen große Hoffnungen auf die von der Ampelkoalition geplante Legalisierung von Cannabis setzen. Wie eine Studie nun nahelegt, könnte sich dessen Konsum aber sogar negativ auf die nächtliche Schlafdauer auswirken. Mediziner berichten im Fachblatt "Regional Anesthesia & Pain Medicine", dass vor allem regelmäßiger Konsum die Wahrscheinlichkeit, zu viel oder zu wenig zu schlafen, erhöhe. Ein deutscher Experte ist vorsichtig bei der Einordnung der Ergebnisse.
Schon 2016 hatte eine US-amerikanische Studie gezeigt, dass der Anteil an klinisch relevanten Schlafstörungen und Schlafunterbrechungen bei regelmäßigen Kiffern höher war als bei Nicht- oder Gelegenheitskonsumenten. Eine kleinere australische Untersuchung berichtete hingegen im Fachblatt "Sleep", dass Probanden mit chronischen Schlafproblemen nach der Einnahme von medizinischem Cannabis schneller ein- und länger durchschliefen.
Angesichts der teils widersprüchlichen Forschungsergebnisse verwundert es nicht, dass ein 2017 in "Current Psychiatry Reports" veröffentlichter Überblicksartikel feststellte: "Die Forschung zu Cannabis und Schlaf steckt noch in den Kinderschuhen und hat zu gemischten Ergebnissen geführt." Weitere kontrollierte Langzeitstudien seien von entscheidender Bedeutung, um das Verständnis von Forschung und klinischen Auswirkungen zu verbessern.
Studie mit 22.000 Befragten
Um hier ein klareres Bild zu zeichnen, nutzten kanadische und US-amerikanische Wissenschaftler nun die zwischen 2005 und 2018 alle zwei Jahre durchgeführte US-Gesundheitsstudie "National Health and Nutrition Examination Survey". Aus der Stichprobe wurden Antworten von knapp 22.000 repräsentativen Befragten zwischen 20 und 59 Jahren analysiert. Es ging unter anderem um Schwierigkeiten beim Einschlafen, beim Durchschlafen oder auch um zu viel Schlaf.
In der gesamten Stichprobe lag die durchschnittliche nächtliche Schlafdauer bei knapp sieben Stunden. Etwa zwölf Prozent gaben an, weniger als sechs Stunden zu schlafen, während vier Prozent der Befragten mehr als neun Stunden pro Nacht schliefen. 3132 (14,5 Prozent) der Befragten erklärten, in den vorangegangenen 30 Tagen Cannabis konsumiert zu haben. Jene, die erst kürzlich dazu gegriffen hatten, berichteten häufiger, nicht genug oder zu viel zu schlafen.
Konkret gaben diese Probanden mit 34 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit an, zu wenig zu schlafen, und mit 56 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit, zu lang zu schlafen im Vergleich zu Nicht-Konsumenten. Ebenso berichteten sie mit höherer Wahrscheinlichkeit über Ein- und Durchschlafschwierigkeiten in den vorangegangenen zwei Wochen sowie häufiger über Arztbesuche wegen Schlafproblemen. Häufigere Tagesmüdigkeit schien für diese Gruppe indes kein Problem zu sein.
Intensiv-Konsumenten, also solche, die im vergangenen Monat an 20 oder mehr Tagen Cannabis konsumierten, gaben gar mit einer um 64 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit an, weniger als sechs Stunden pro Nacht - und mit einer um 76 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit, länger als neun Stunden pro Nacht zu schlafen. Gemeinhin gelten zwischen sieben und acht Stunden Schlaf pro Nacht für Erwachsene als optimal.
Keine Differenzierung von CBD und THC
Die Autoren betonen, dass es sich bei ihrer Untersuchung um eine Beobachtungsstudie handelt, die lediglich Korrelationen und keine Kausalitäten feststellen könne. Auf eine weitere Einschränkung weist Alfred Wiater, Vorstandsreferent der Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), in einer unabhängigen Einordnung hin: So werde in der Studie nicht erkennbar zwischen CBD und THC differenziert.
Der Schlafmediziner spricht damit unterschiedliche Wirkstoffe von Cannabis an: Während Tetrahydrocannabinol (THC) eine berauschende Wirkung hat, ist Cannabidiol (CBD) nicht psychoaktiv. Da CBD unter anderem beruhigend und entzündungshemmend wirken soll, ist in den vergangenen Jahren um den Wirkstoff ein regelrechter Hype entstanden, der sich in Tinkturen, Cremes, Kapseln und Ölen äußert. Tatsächlich, so Wiater, würden vorläufige Forschungsergebnisse der US-amerikanischen National Sleep Foundation darauf hindeuten, dass Cannabidiol bei einer Reihe von Schlafproblemen helfen könne, darunter Schlaflosigkeit, REM-Schlafverhaltensstörung und übermäßige Tagesschläfrigkeit.
Mit Blick auf die aktuelle Studie ergänzt Wiater, dass chronobiologische Kriterien der Probanden nicht berücksichtigt worden seien. "Somit könnten sich sowohl unter den Kurzschläfern als auch unter den Langschläfern Probanden befinden, die aufgrund ihrer biologischen Rhythmen einen besonders geringen oder besonders hohen Schlafbedarf haben", führt der Schlafmediziner aus. "Dadurch wird die Interpretation der Daten, insbesondere in Relation zu damit einhergehenden gesundheitlichen Konsequenzen, eingeschränkt."
Unabhängig davon könne eine zu kurze wie auch zu lange Schlafdauer mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein, erklärt Wiater: "Insofern ergeben sich aus der Studie Hinweise darauf, dass der Cannabiskonsum infolge der negativen Beeinflussung des Schlafverhaltens mit gesundheitlichen Störungen einhergehen kann."
Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa