Das Wetter ist entscheidend So stark verschmutzt Silvester-Feuerwerk die Luft
04.01.2023, 10:43 Uhr (aktualisiert)
Nur Schall und Rauch? Menschen in Koblenz begrüßen das neue Jahr 2023 mit Feuerwerk.
(Foto: picture alliance/dpa)
Mit dem Zünden von Böllern und Raketen gelangt jede Menge Feinstaub in die Atmosphäre. Eine Auswertung von Luftqualitätsdaten zeigt, wann und wo es zu Neujahr zuletzt dicke Luft gab - und warum in der Nacht zum 1. Januar 2023 zumindest in Teilen Deutschlands Silvester vergleichsweise "sauber" war.
Das traditionelle Feuerwerk zu Silvester bedeutet für viele Menschen Spaß und Nervenkitzel, bringt jedoch allerlei Probleme mit sich. Neben Bränden und Verletzungen kommt es durch das kollektive Zünden von Raketen und Böllern auch zu einer Belastung der Umwelt. Laut dem Umweltbundesamt (UBA) werden rund 2050 Tonnen Feinstaub pro Jahr durch Pyrotechnik freigesetzt, drei Viertel davon entfallen auf die Silvesternacht. Das entspricht rund einem Prozent der jährlich abgegebenen Feinstaubmenge in Deutschland. Der erste Tag des Jahres ist in der Regel auch der Tag mit der höchsten Luftverschmutzung.
Gemessen wird die Belastung von Schadstoffen in der Luft in Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³). Der deutsche Jahresmittelwert lag 2021 laut UBA im städtischen Raum bei 14 µg/m³ und auf dem Land bei 11 µg/m³. Das UBA beziffert ein Stundenmittel bis zu 40 µg/m³ als unbedenklich. Erste negative Effekte können bei einer Belastung von 41 bis 100 µg/m³ auftreten. Jeglicher Wert darüber gilt als gesundheitlich bedenklich, von einer körperlichen Betätigung im Freien wird abgeraten.
Hinweis zur Grafik: Über das Drop-down-Menü links oben können Sie die Werte der Jahre 2020 bis 2022 aufrufen und mit 2023 vergleichen.
In der Silvesternacht wird diese kritische Marke regelmäßig gerissen. Beispiel München: Die innerstädtische Messstation Stachus ermittelte am 1. Januar 2023 einen Feinstaubwert von 76 µg/m³. An Neujahr 2020 waren es sogar 175 µg/m³. In den Jahren dazwischen, als der Böllerverkauf an Privatpersonen im Rahmen der Corona-Maßnahmen verboten war, lag der Messwert deutlich darunter. Bundesweit ging die Feinstaubbelastung durch Feuerwerk in dieser Zeit teils um 90 Prozent zurück.
Gesundheitsgefahr für Risikogruppen
Besonders für Risikogruppen wie Kinder, Senioren, Asthmatiker und lungenkranke Menschen kann eine hohe Feinstaubbelastung zum Gesundheitsrisiko werden. Typische Symptome sind Husten und Atembeschwerden. Doch auch bei Gesunden löst ein Feuerwerk häufig Halskratzen oder ein Brennen in den Augen aus. Bei dauerhaft erhöhten Feinstaubemissionen können sich die mikroskopisch kleinen Feinstoffteilchen in Lunge und Bronchien festsetzen, ins Blut gelangen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervorrufen.
Vor den gesundheitlichen Folgen der alljährlichen Knallerei warnen Experten seit Jahren. "Wie groß die tatsächliche Feinstaubbelastung in der Silvesternacht wird und wie schnell sie wieder abklingt, hängt dann aber auch von den Wetterverhältnissen ab", sagt UBA-Meteorologin Ute Dauert. Oftmals sinken die Feinstaubwerte innerhalb weniger Stunden wieder zurück auf das Normalniveau. Je nach Witterung können sich die Partikel aber noch tagelang in der Luft halten.
Entscheidend ist dabei vor allem der Wind. "Je windschwächer die Wetterlage ist, umso größer werden die Feinstaubansammlungen", sagt der ntv.de-Meteorologe Björn Alexander. "Viel Wind und Regen sorgen hingegen dafür, dass der Feinstaub schnell verblasen oder ausgewaschen wird. Nebelbildung geschieht durch die bewegte Luft ebenfalls nicht oder wesentlich weniger."
Böllernebel führte zu chaotischen Szenen
Welch immense Auswirkungen das Zusammenspiel von Witterung und Feuerwerk mitunter annehmen kann, zeigte der "Böllernebel" im Jahr 2020. Damals herrschte in der Neujahrsnacht in einigen Landesteilen nahezu Windstille. Darüber hinaus verhinderten diverse Wetterfaktoren, dass sogenannter "Feuerwerksdreck" oder auch "Nebel des Grauens", wie es der Deutsche Wetterdienst damals nannte, nach oben entweichen konnte. Kurz nach Mitternacht stieg die Feinstaubbelastung massiv an und es bildete sich eine dichte Nebelwand. Insbesondere in West- und Süddeutschland kam es zu Sichtweiten von zeitweise unter zehn Metern, ein Verkehrschaos mit vielen Unfällen war die Folge. Für Rettungswagen und Feuerwehr war kein Durchkommen mehr.
Das spiegelt sich auch in den Daten wider. Am 1. Januar 2020 wurde an 205 Messstationen der Grenzwert von 50 µg/m³ überschritten. Zum Vergleich: In den beiden Corona-Jahren 2021 und 2022 waren es jeweils nur eine. An Neujahr 2023 stieg die Zahl wieder auf 39 Stationen. "Für die vergangene Silvesternacht lässt sich insgesamt feststellen, dass wir einen windigen Jahreswechsel erlebten", sagt Meteorologe Alexander. Einzig im Süden sei es eher windschwach gewesen. "Hier dürfte somit - relativ gesehen - eine höhere Belastung aufgetreten sein." Diese Einschätzung deckt sich mit den Luftwerten, denen zufolge vor allem in Bayern und Teilen Baden-Württembergs kritische Feinstaubwerte erreicht wurden.
Doch was folgt daraus? Grundsätzlich wiegt eine chronische Luftverschmutzung schwerer als der kurzzeitige Ausreißer am ersten Januar. Klar ist aber auch: Jede Feinstaubbelastung ist potenziell gesundheits- und umweltschädlich - und insbesondere im Fall der Silvester-Knallerei wäre die zusätzliche Luftverschmutzung leicht vermeidbar. Verstärkend kommt hinzu, dass Pyrotechnik besonders giftige Stoffe freisetzt, welche die Atemwege reizen. Das Umweltbundesamt plädiert deshalb dafür, die Silvester-Böllerei einzuschränken oder bestenfalls ganz darauf zu verzichten.
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 03. Januar 2023 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de