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Steigerung der Lebenserwartung Frauen profitieren besonders von Krafttraining

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Frauen profitieren von Krafttraining auf verschiedenen Ebenen.

Frauen profitieren von Krafttraining auf verschiedenen Ebenen.

(Foto: IMAGO/Westend61)

Viele Menschen starten mit guten Vorsätzen ins neue Jahr, mehr Sport gehört oft dazu. Wie und welche Art von Krafttraining zu welchen Effekten bei Frauen und Männern führt, zeigen eine Reihe von Studien.

Lange Jahre schien in Fitnessstudios eine unausgesprochene Geschlechtertrennung zu herrschen: Während Männer im Hantelbereich pumpten, verausgabten sich Frauen eher auf Kardiogeräten wie Crosstrainer oder Laufband. Seit einiger Zeit verändert sich das Bild: Mehr und mehr Frauen finden den Weg zu Beinpresse, Langhantel und Kugelgewicht - eine Entwicklung, die nicht nur im Social-Media-Bereich augenfällig ist. Eine wachsende Zahl von Studien belegt zudem, dass der Trend dem vermeintlich schwachen Geschlecht in besonderem Maße zugutekommt.

So zeigte eine Studie aus den USA und China im Frühjahr 2024 im "Journal of the American College of Cardiology", dass Frauen mit Blick auf die Steigerung ihrer Lebenserwartung deutlich weniger Sport treiben müssen als Männer - besonders groß waren die Vorteile bei Krafttraining.

Frauen haben einen größeren Effekt

Im Einzelnen ergab die Untersuchung der Gesundheitsdaten von über 400.000 US-Erwachsenen, dass regelmäßige sportliche Betätigung das Sterberisiko bei Männern um 15 Prozent senkt, bei Frauen hingegen um 24 Prozent. Diese Werte ergaben sich im Vergleich zu Menschen, die keinerlei Sport trieben. Zusammengefasst: Männer müssen der Studie zufolge länger oder öfter als Frauen trainieren, um den gleichen Effekt zu erzielen.

Konkret erreichten Männer den maximalen Vorteil bei 300 Minuten mäßigem bis intensivem Sport pro Woche, bei Frauen reichten für vergleichbare Effekte 140 Minuten pro Woche. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzierte Sport das Sterberisiko bei Frauen um 36 Prozent, bei Männern hingegen nur um 14 Prozent. Und regelmäßiges Training mit Gewichten ließ das Sterberisiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Männern um 11 Prozent sinken, bei Frauen aber um 30 Prozent.

Grundsätzliche körperliche Unterschiede

Warum Frauen stärker von Bewegung profitieren, beantwortet die Studie nicht. Allerdings gibt es grundsätzliche körperliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So haben Frauen im Schnitt weniger Muskelmasse als Männer und müssen entsprechend weniger Sport treiben, um ihren muskulären Ausgangswert zu steigern. Eben jener relative Kraftzuwachs - der also bei Frauen größer als bei Männern ist - könnte eine Erklärung für die beobachteten Geschlechterunterschiede sein.

Die körperlichen Differenzen gehen unter anderem auf Hormone zurück, mit Testosteron als Hauptvertreter männlicher und Östrogen als Hauptvertreter weiblicher Geschlechtshormone.

Testosteron sorgt dafür, dass bei Männern kräftigere Knochen und mehr Muskeln gebildet werden, die zudem einen höheren Anteil sogenannter Fast-Twitch-Muskelfasern haben. Diese "weißen" Fasern können kurzfristig sehr schnell hohe Kraftleistungen erbringen, ermüden aber auch rascher als die "roten" Slow-Twitch-Fasern. Jene Fasern gewinnen ihre Energie mit Hilfe von Sauerstoff, können weniger schnell kontrahieren, haben aber eine höhere Ermüdungstoleranz. Der Anteil jener "roten Fasern" ist bei Frauen meist höher oder gleich hoch wie der der "weißen Fasern".

Angst vor zu viel Muskeln?

Dass Frauen im Schnitt eher zu Ausdauersportarten tendieren, ließe sich also durchaus physiologisch erklären. Ein weiterer Grund könnte auch in der Angst vor einem "zu muskulösen" Aussehen zu finden sein - eine unbegründete Sorge, wie Sportwissenschaftler Heinz Kleinöder von der Deutschen Sporthochschule Köln sagt: Da Frauen eben keinen hohen Testosteronspiegel hätten, würden sie weniger Muskeln aufbauen und geringere Kraftwerte haben.

"Ein Muskelaufbautraining ist immer lohnend, aber Muskelberge sind nicht zu erwarten", so der Experte. In gewissem Maße gelte das auch für Männer: "Wer zwei bis drei Mal die Woche Krafttraining macht, wird nicht wie Arnold Schwarzenegger in besten Jahren aussehen." Dafür brauche es neben der Genetik tägliches Training, eine entsprechende Ernährung und entsprechende Regeneration - also ein Vorgehen wie bei professionellen Sportlerinnen und Sportlern.

Bei Frauen könnte aber auch die Sorge vor Verletzungen durch schwere Gewichte oder komplexe Übungen eine Rolle spielen. Doch Krafttraining erschöpft sich nicht darin, schwere Langhanteln hochzuwuchten. Vielmehr gelten alle Aktivitäten, bei denen die Muskeln gegen ein Gewicht oder einen Zug arbeiten müssen, als derartiges Training, das auch die Verwendung von Widerstandsbändern, Kraftmaschinen oder des eigenen Körpergewichts - etwa in Form von Liegestützen oder Ausfallschritten - umfassen kann.

Muskeln sind ein Motor

Insgesamt sollten Frauen keine Angst vor schweren Gewichten haben, und das vor allem um die Wechseljahre, wie Sportphysiologin und Ernährungswissenschaftlerin Stacy Sims seit Jahren betont. In ihrem Buch "Next Level" schreibt sie: "Wenn Sie sonst nichts tun, tun Sie dies: Heben Sie schwere Gewichte. Muskeln sind Ihr Motor." Dieser Motor bestimme, wie schnell man laufen und wie leicht man Gepäck tragen oder Berge besteigen könne, und sei essenziell, um ein langes, aktives Leben führen zu können. "Muskeln geben Ihnen Energie. Man kann sie auch sehr leicht verlieren, vor allem, wenn man in die Umstellung der Menopause kommt", so Sims weiter. Tatsächlich wird die Muskelmasse bei Frauen spätestens ab dem 40. Lebensjahr rapide abgebaut.

Muskelaufbau stärkt indes nicht nur die Muskeln selbst, sondern auch die umliegenden Gelenke und Knochen - was das Training mit Gewichten eben insbesondere für Frauen rund um die Wechseljahre interessant macht. So ist bereits bekannt, dass Muskeltraining die Knochendichte fördert und damit das Risiko für Osteoporose senkt. Eben jenes Risiko wird durch den um die Menopause einsetzenden Östrogen-Mangel signifikant erhöht - zusammen mit der schrumpfenden Muskelmasse ist das angesichts des Sturzrisikos im Alter fatal.

Zudem verbrennen Muskeln auch im nicht-aktiven Zustand mehr Kalorien als Fettgewebe, wirken sich somit positiv auf Stoffwechselgesundheit sowie Körpergewicht und darüber hinaus auch auf den Blutzucker aus.

Kleinöder ergänzt, dass Frauen im Sport aufgrund der gesteigerten Kraftfähigkeiten schneller und weniger verletzungsanfällig würden. "Ganz wichtig ist auch die mentale Komponente, die sich in einem gesunden Selbstbewusstsein widerspiegelt", so der Sportwissenschaftler weiter. Tatsächlich legen einige Studien nahe, dass sich Krafttraining positiv auf Selbstbewusstsein und Psyche insgesamt auswirkt. Dazu gehört etwa, dass Sport Symptome einer Depression lindern kann, wie eine 2018 in "JAMA Psychiatry" veröffentlichte Metaanalyse zeigte.

Frauen sind keine kleinen Männer

Dass die Vorteile von Krafttraining speziell für Frauen nicht schon viel breiter bekannt sind, liegt womöglich nicht zuletzt daran, dass viele sportmedizinische Studien lange Zeit ausschließlich oder überwiegend mit Männern durchgeführt wurden. Entsprechend basieren Trainingsempfehlungen oft auf Daten von Männern, die dann einfach für Frauen runtergerechnet werden.

Seit einigen Jahren regt sich allerdings Widerstand dagegen: Mehr und mehr Expertinnen und Experten geben zu bedenken, dass für bessere Trainingsempfehlungen für Frauen deren Menstruationszyklus, die Wechseljahre, Schwangerschaften, Körperzusammensetzung und Hormone berücksichtigt werden müssten, wenn es um die Effekte nicht nur von Krafttraining, sondern von Sport im Allgemeinen geht.

Und sie untersuchen, ob das Vorurteil stimmt, dass Männer wesentlich besser auf Trainingsreize durch Kraftsport reagieren. So auch eine im April 2024 im Fachjournal "Journal of Strength and Conditioning Research" veröffentlichte Metaanalyse: Sie sollte zeigen, wie junge Frauen auf Krafttraining reagieren und welche Variablen sie berücksichtigen sollten, um Kraft und Muskelmasse zu steigern.

Dabei berücksichtigte die internationale Forschungsgruppe insgesamt 40 wissenschaftliche Arbeiten, die über 1300 Frauen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren umfassten. Alle Studien ergaben, dass Krafttraining sowohl mit Blick auf die Muskelmasse als auch auf die tatsächliche Kraft statistisch signifikante Effekte bei Frauen zeigt. Dabei legt die Metaanalyse nahe, dass eine höhere Zahl von Trainingseinheiten pro Woche zu einem stärkeren Zuwachs an Muskelmasse führt, während eine höhere wöchentliche Zahl sogenannter "Sets", also die Anzahl der Ausführungen einer Übung, zu einem größeren Kraftzuwachs führt.

Insgesamt deutet die Auswertung der verschiedenen Studien an, dass die Muskeln von Frauen vielleicht langsamer ermüdeten und sich zudem schneller regenerierten als bei Männern. Entsprechend könnten Frauen womöglich davon profitieren, wenn sie intensiver trainierten, als derzeit in der Regel empfohlen wird. Insgesamt fehlten aber größere Studien, um differenzierte Empfehlungen für Frauen verschiedener Altersgruppen und Trainingszustände abzuleiten.

Ziel: Steigerung der Maximalkraft

Wer fernab eines personalisierten Trainingsplans von den Vorteilen des Krafttrainings profitieren will, kann sich an den allgemeineren Richtlinien von Sportwissenschaftler Kleinöder orientieren. Demnach sollte das Minimalprogramm bei zwei regelmäßigen Trainingseinheiten pro Woche liegen. "Der Trainingsaufbau sollte progressiv, also allmählich erfolgen und das Training fest in den Kalender verankert werden", beschreibt der Experte. Ziel sei kein Training mit ganz vielen Wiederholungen, sondern ein Kraftaufbau mit Steigerung der Maximalkraft als Ganzkörpertraining.

Zum Erwerb der richtigen Technik sollten zu Beginn pro Übung 20 Wiederholungen in drei Sets pro Muskelgruppe erfolgen. Dann gehe es mit 10 bis 15 Wiederholungen in drei Sets weiter, die unter Anstrengung ausgeführt werden könnten. "Wenn diese Kompetenzen erworben wurden, kann die Wiederholungszahl auf 6 bis 10 in drei Sets gesenkt werden, um den Maximalkraftaspekt gezielt anzugehen", so Kleinöder. Mit anderen Worten: An diesem Punkt können die Gewichte - im Rahmen der eigenen Möglichkeiten - richtig schwer werden.

Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa

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